Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Melkart; Melqart (engl.)

(erstellt: Januar 2018)

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Melqart ist der Stadtgott von → Tyrus und des dortigen Königshauses.

1. Name und Verortung

Der Name Melqart müsste nach der phönizischen Schreibung mlqrt eigentlich Milqart vokalisiert werden. Es handelt sich bei ihm um eine Kontraktion von mlk „König“ und qrt „Stadt“. Er bedeutet also „Stadtkönig“.

Alle phönizischen Städte verfügten über ein zwar vergleichbar aufgebautes, jedoch je eigenständiges Pantheon (→ Göttergruppe). Dieses ist weder von einer phönizischen Stadt auf eine andere übertragbar noch zu einem gesamt-phönizischen Pantheon addierbar. Im tyrischen Pantheon hatte Melqart eine besonders wichtige Rolle inne.

2. Schriftliche Zeugnisse

Melqart 01

Melqart ist vor dem Hintergrund der bronzezeitlichen syrisch-kanaanäischen → Baal- und Ahnenfiguren (→ Totenkult) zu verstehen. Seine früheste Namensbezeugung reicht jedoch nur in die Zeit um 800 v. Chr. zurück und befindet sich auf der sog. Melqart-Stele (KAI 201). Etwa das obere Dreiviertel dieser 1,15 m hohen und 0,43 m breiten Basaltstele wird von einer Reliefdarstellung eingenommen, die in flachem Relief einen nach links schreitenden Mann mit langem Bart zeigt. Er ist mit einer konischen Kappe und einem Schurzrock bekleidet und hält über seiner linken Schulter eine Fensteraxt und in der rechten herabhängenden Hand vielleicht ein → Anchzeichen. Im unteren Viertel ist eine fünfzeilige aramäische Inschrift mit der üblichen Weiheformel angebracht:

„Die Stele, die gesetzt hat Bar[ha]dad, der Sohn des [ ] König von Aram, dem Melqart, seinem Herrn, der, als er ihm ein Gelübde tat, auf seine [Stimme] hörte“.

Der in der Inschrift genannte Weihende wird als einer der im Alten Testament genannten Könige namens Bar-Hadad von Aram-Damaskus (III.) verstanden. Sowohl für den Kult als auch die Ikonographie ist dabei aber zu bedenken, dass diese Stele in aramäischem Kontext aufgestellt worden ist (→ Aramäer). Aus einer Erwähnung → Baals in 1Kön 16,31 wird zudem geschlossen, dass Melqart – zumindest vorübergehend zur Zeit → Ahabs – auch in Israel verehrt wurde, wenn Baal mit ihm zu identifizieren ist. Auch 1Kön 18,20-40 und Ez 28,1-19 mögen dann von der Auseinandersetzung mit dem Kult des Melqart in Israel zeugen. Angesichts der Identifizierung kann Melqart bereits im 9./8. Jh. eine überregionale Bedeutung zugesprochen werden.

Melqart ist weiterhin neben anderen Göttern in dem Vasallenvertrag zwischen König Baal von → Tyrus und dem assyrischen König → Asarhaddon der Zeit um 680/670 v. Chr. genannt (TUAT I 158-159: mi-il-qar-tu), und in etwa 20 Inschriften aus dem Mittelmeerraum wird Melqart explizit mit Tyrus verbunden (mlqrt b‘l ṣr, was etwa „König der Stadt, Herr von Tyrus / des Felsens“ bedeutet und mit der Lage der Stadt zusammenhängen dürfte). Dies spiegelt sich noch in den spätrömischen Münzen von Tyrus mit der Darstellung der beiden sog. ambrosianischen Felsen wider, die die beiden Inseln repräsentieren, auf den Tyrus gegründet wurde, ehe sie zunächst miteinander und viel später mit dem Festland verbunden worden sind. Weiterhin sind etliche phönizisch-punische Personennamen bezeugt, die seinen Namen als theophores Element tragen, z.B. Hamilkar.

In den meisten Schriftquellen tritt Melqart uns jedoch in der interpretatio graeca als Herakles entgegen. Konkret fassbar ist dies etwa in den → Bilinguen auf zwei Stelen aus Malta (KAI 47), in denen es auf Phönizisch heißt, dass Abdosiri und sein Bruder Osirischamar, beide Söhne des Osirischamar, Sohn des Abdosiri, ihrem Herrn Melqart von Tyrus, diese Stelen weihten, da er sie erhört hat. In der griechischen Fassung der Inschrift heißt es, dass Dionysios und Serapion, die Söhne des Serapion aus Tyrus, die Stelen dem Herakles, dem Gründer, weihten. Desgleichen ist Melqart unter den Schwurgöttern in einem Vertrag gelistet, der zwischen dem makedonischen König Philipp V. und dem karthagischen Feldherrn Hannibal Barkas im Jahr 215 v. Chr. nach der Schlacht bei Cannae während des Zweiten Punischen Kriegs geschlossen worden war und den der griechische Historiker Polybios in griechischer Übersetzung überliefert (Polybios 7, 9).

Die interpretatio Melqart-Herakles ermöglichte Jean-Jacques Barthélemy in der 2. Hälfte des 18. Jh.s ganz wesentlich die Entzifferung der phönizischen Schrift. Auf dieser Grundlage ist es möglich, zahlreiche Informationen aus den griechischen und lateinischen Texten zu Melqart herauszulesen.

Melqart ist eng mit der Gründung der Stadt Tyrus verbunden, wie sowohl → Eusebius von Caesarea (Historia ecclesiastica I 10, 10-11) anhand der Phönizischen Geschichte des → Philo von Byblos als auch Nonnus von Panopolis (Dionysiaca 40, 311-580; Text gr. und lat. Autoren) überliefern. Laut Herodot (2, 44) wurde gar das dortige Heiligtum des Melqart zugleich mit der Stadt Tyrus gegründet, und zwar 2300 Jahre zuvor (um 2750 v. Chr.). Arrian meint in seinem Geschichtswerk über Alexander den Großen, dass dieser Tempel nach menschlicher Erinnerung einer der ältesten sei (Arrian, Anabasis 2, 16, 1). → Flavius Josephus berichtet, dass König → Hiram I. von Tyrus (ca. 970-936) in seinem 11. Herrschaftsjahr begonnen habe, alte Tempel zu renovieren und neue zu bauen, darunter die Einweihung des Tempels des Melqart über einem alten Kultplatz, gemeinsam mit dem der → Astarte. Auch habe er das jährliche Fest der Auferstehung (egersis) des Gottes Melqart im Monat Peritius (entspricht unserem Februar) eingerichtet (Josephus, Contra Apionem 1, 117-119; Antiquitates 8, 5, 3). Die auf einem Kalksteingefäß des 4. Jh.s v. Chr. aus Sidon in vier Szenen abgebildete Kremation, Bestattung, rituelle Handlung und Auferstehung wird zumeist als Darstellung der egersis des Melqart interpretiert. Die Verbrennung und Auferstehung ist widergespiegelt in der Bezeichnung Melqarts als „Herr des Feuers“ bei Eusebius (Praeparatio Evangelica 1, 10, 9) und Nonnus (Dionysiaca 40, 369). Auf den Aspekt der Wiedererweckung deuten ebenso Cicero (De natura deorum III 42) und Philo von Byblos (Eusebius, Praeparatio Evangelica I, 10, 27, 3) hin. Und auch die Verstoßung des → Keruben aus den feurigen Steinen im Klagelied über den König von Tyrus in Ez 28,16 könnte bereits so verstanden werden.

Insofern kann Melqart als Gott der Stadt Tyrus, des (dortigen) Königtums sowie der Erneuerung gelten. Die Verehrung des Melqart ist zudem im Zuge der phönizischen Expansion, in der Tyrus eine wichtige Rolle spielte, im Mittelmeerraum verbreitet worden. Den Aspekt der Gründer- und Identifikationsfigur teilt er damit mit Herakles ebenso wie die Heroisierung.

3. Ikonographische Zeugnisse

Die oben genannte Melqart-Stele bietet die einzige erhaltene Verbindung der Namensnennung Melqarts zu einer figürlichen Darstellung. Die Fensteraxt kann auch mit anderen Gottheiten, darunter auch weibliche, verbunden sein und somit nicht als spezifisches Attribut des Melqart angesehen werden. Der mit einer Fensteraxt über der Schulter schreitende Gott jedoch kann in der phönizisch-punischen Glyptik, auf den sog. Rasiermessern und einem Bronzerelief aus dem zentralen und westlichen Mittelmeerraum des 6.-3. Jh.s v. Chr. wiederentdeckt werden. Zwar fehlen hier die Zwischenglieder, doch kann bei dieser Darstellung von einem festen, überlieferten Bildschema im phönizischen Mittelmeerraum ausgegangen werden.

Melqart 02

Die interpretatio als Herakles bietet außerdem die Zuordnung eines weiteren Motivs zu Melqart, das des Löwenkampfes. Hier ist entweder der Kampf zwischen Mensch und Löwe dargestellt oder der Sieger trägt das Löwenfell umgehängt und den Löwenkopf als Helm aufgesetzt. Die ideologische königliche Konnotation der Löwenjagd (→ Löwe § 3) im Alten Orient scheint zudem passend zu dem „König der Stadt“ zu sein. Während die phönizisch-punische Glyptik des Mittelmeerraumes im 6.-3. Jh. v. Chr. reich an Darstellungen von Löwenkämpfen ist, sind etliche Kalksteinstatuen, insbesondere aus den Heiligtümern in Amrit (Syrien) und Kition-Bamboula (Zypern), des mit dem Löwenfell bekleideten Helden erhalten. Allerdings ist vor allem für Amrit fraglich, ob das Heiligtum tatsächlich dem Melqart geweiht war oder wir es nicht eher mit der Repräsentation eines lokalen Gottes als Löwenbezwinger zu tun haben.

Nicht auszuschließen ist zudem, dass Melqart auch mit dem Thronenden Gott der phönizisch-punischen Glyptik identifiziert werden könnte – wenngleich der Thronende Gott zumeist als Baal Hamon (→ Baal) bezeichnet wird.

Es ist jedoch zu bedenken, dass die phönizischen Götter grundsätzlich nicht über eine Individual-Ikonographie verfügten, die sie über Attribute identifizierbar machen würde. Sie sind vielmehr in einer jeweiligen Funktions- oder Wesens-Ikonographie dargestellt. Dabei wurden verschiedene Schemata (z.B. Löwen-Bezwingen, Thronen, Schreiten, Speer-Schleudern) austauschbar auf die jeweiligen lokalen Götter angewandt. Dies lässt etwa eine Verbildlichung Melqarts als Löwenbezwinger zu, ist jedoch vermutlich weder seine einzige noch seine exklusive Darstellungsmöglichkeit. Spätestens mit der Verfügbarkeit der griechischen Herakles-Ikonographie als Löwenbezwinger ab dem 6. Jh. v. Chr. fand eine Aneignung dieser Darstellung für Melqart statt. Es ist dabei bemerkenswert, dass die anderen Aspekte des griechischen Herakles für den phönizischen Melqart keine Rolle spielten und nicht im Bild dargestellt wurden. Die interpretatio dürfte über die gemeinsamen Wesenszüge der Löwenbezwingung und der Heldenhaftigkeit, weiterhin die Rolle im Zusammenhang mit Expansion- und Kolonisationsbewegungen sowie die damit zusammenhängenden Identitätsbildungen funktioniert haben.

Melqart 03

Analog sind auf Münzen und Siegeln die Darstellungen des Löwenbezwingers oder des Kopfes mit Löwenhelm im Zusammenhang mit phönizischen Städten als solche des Melqart bezeichnet worden: so etwa der Löwenbezwinger auf dem Avers der Münzen von Kition auf Zypern seit König Baalmilk (ca. 475-450 v. Chr.) bis zum Ende des Königshauses 312 v. Chr. sowie der Kopf mit Löwenhelm auf den Münzen unter König Milkyaton (ca. 392-362 v. Chr.).

Melqart 04

Gleiches gilt für den Kopf mit Löwenhelm auf dem Avers der 5. Serie der sikulo-punischen Silber-Prägungen von etwa 300-289 v. Chr., ausgegeben von der karthagischen Militärverwaltung Siziliens, und auch für den Kopf mit Löwenhelm auf dem Avers der Münzprägung von Gadir / Gades seit barkidischer und noch in römisch-republikanischer Zeit. Das vorübergehend geprägte Aversbild eines Kopfes mit Löwenhelm einiger süditalischer Städte, z.B. Bruttium, dürfte denn auch im Zusammenhang mit Hannibals Aufenthalt in Süditalien zu sehen sein. Für die Münzprägung im Zeithorizont des 2. Punischen Krieges in Iberien wird auch der unbärtige, manchmal bekränzte, manchmal barhäuptige Männerkopf, gelegentlich mit Keule im Hintergrund bisweilen als Melqart bezeichnet, wenngleich auch eine Identifizierung mit einem der Barkiden in Betracht zu ziehen ist.

Insbesondere der Kopf mit Löwenhelm ist ein bekanntes Bild in der Münzprägung bereits vor, aber gerade mit und nach den Alexandermünzen. Insofern dürfen wir zwar annehmen, dass die Herakles-Melqart-Ikonographie im phönizischen Raum als geeignet für eigene Münzprägungen angesehen worden ist. Wir sollten aber die semantische oder gar religiöse Aussagekraft des Bildes nicht überinterpretieren, sondern auch politische, identitätsbildende Aspekte und auch die Adressaten und deren Akzeptanz der Münze berücksichtigen.

Melqart 05

In der Münzprägung von Tyrus selbst erscheint seit 390 v. Chr. ein bärtiger Reiter auf einem Hippokamp, einer Mischung aus Pferd und Seeungeheuer, auf dem Avers. Er wird als Melqart betrachtet, da dieser zu Meer und Seefahrt in Verbindung steht. Mit der städtischen Autonomie von Tyrus um 126/25 v. Chr. sowie in römischer Zeit wird der Herakles-Melqart-Kopf auf dem Avers geprägt. Der Kopf ist hier nun zwar nicht mit einem Löwenhelm bedeckt, aber ein unter dem Kinn verknotetes Löwenfell deutet auf die Herakles-Ikonographie hin. Zudem ist auf dem Revers, das einen → Adler zeigt, mit der Keule ein eindeutiges Indiz dafür beigegeben. Allerdings ist in vielen Fällen der Knoten des Löwenfells auf kaum erkennbare Größe reduziert oder in dem auf der Münze oft nicht optimal platzierten Stempel ganz entfallen.

4. Heiligtümer und Kult

Archäologisch ist von dem oben genannten Melqart-Tempel in Tyrus nichts erhalten, wenngleich ihn einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Bereich der großen Kreuzfahrerbasilika vermuten. Jedoch erfahren wir einiges aus Schriftquellen, insbesondere im Zusammenhang mit Alexander dem Großen: Dieser bestand darauf, im Tempel des Melqart auf der Insel selbst ein Opfer darzubringen und somit faktisch die Insel in Besitz zu nehmen – was ihm von den Tyrern jedoch verweigert wurde und somit zur monatelangen Belagerung und Eroberung der Stadt führte. Herodot (2, 44) und Arrian (Anabasis 2, 16, 1) verweisen auf das hohe Alter des Tempels, der mit reichen Weihgaben ausgestattet sei und über zwei Säulen, eine aus Gold und die andere aus Smaragd, verfüge (Herodot 2, 43-44; Plinius, Naturalis historia 37, 74). Auf einem heute verlorenen Relief aus der assyrischen Residenz Sargons II. in Chorsabad (→ Dur Scharrukin; Ende des 8. Jh.s) ist ein hinter der Stadtmauer befindliches Gebäude mit zwei freistehenden Säulen dargestellt, bei dem es sich um den Tempel des Melqart handeln könnte. Bei der Eroberung durch Alexander hatte sich der König mit seinen Männern und Gästen aus Karthago Schutz suchend in das Heiligtum des Melqart zurückgezogen. Alexander verschonte sie, führte nun das Opfer an Melqart durch und ließ athletische Spiele und einen Fackellauf abhalten (Arrian, Anabasis 2, 24, 6).

In der tyrischen Gründung Gadir (röm. Gades, heute Cádiz), auf der antiken Insel Kotinoussa (Strabo 3, 5, 5), befand sich ein Tempel des Melqart, der leider ebenfalls archäologisch nicht fassbar ist. Vermutlich liegt er heute unter Wasser bei der Insel Sancti Petri, wo bronzene Statuetten des 8./7. Jh.s v. Chr. in der Haltung des sog. Smiting god, eines lanzenwerfenden Kriegers, gefunden wurden. Das Heiligtum war in phönizischem Stil errichtet und es wurden dort phönizische Riten praktiziert (Arrian, Anabasis 2, 16, 4; Appian, Hispanica 1, 2) – wobei leider nicht ganz klar ist, was wir darunter konkret zu verstehen haben. Silius Italicus (3, 32-44) erwähnt z.B., dass Frauen kein Zutritt gewährt wurde, und nur einige Personen Zugang zum Innersten hatten, diese Leinengewänder und ein Stirnband aus Pelusischem Flachs trugen, ein Rauchopfer mit ungegürteten Gewändern darbrachten und bei einem Opfer Gewänder mit einem breiten Streifen trugen, barfüßig waren und rasierte Köpfe hatten. Hier wurden die sacra aus Tyrus aufbewahrt (Justinus 44, 5, 2) – ohne dass wir jedoch wüssten, um was es sich dabei genau handelt. Daraus lässt sich aber immerhin erschließen, dass es sich um ein offiziell eingerichtetes Filialheiligtum zu jenem in Tyrus gehandelt haben muss. Auch hier fand jährlich ein Fest statt, bei dem der Aspekt des Todes durch Verbrennung (und damit der Wiederauferstehung) im Vordergrund stand (Philostratos 5, 4; Pausanias 10, 4, 6). In der Nähe dürfte sich gar ein monumentaler Bau als Grab des Melqart befunden haben. Es brannte ein dauerndes Feuer auf einem der vielen Altäre (Silius 3, 30-31), Statuen von Alexander und Themistokles waren im Heiligtum aufgestellt (Philostratos 5,4; Sueton 8; Diodor 37, 52) und zwei Stelen gaben in Inschriften Auskunft über die Kosten des Heiligtums (Strabo 3, 5, 5; Philostratos 5, 5). Es gab jedoch kein Kultbild (Arrian, Anabasis 3, 16,4; Philostratos 5, 5; Silius 3, 30-31), wie es für phönizische Kulte üblich war. Die Bronzebeschläge der Türen waren nach Silius Italicus (3, 32-44) mit Bildern der Taten des Melqart geschmückt, die er nach denen des Herakles benennt: die Bezwingung der Schlange, des Löwen, des Höllenhundes, der Pferde, des Ebers, der Hirschkuh, des Riesen, der Kentauren, des Flusses sowie die Heroisierung durch Verbrennung. Dahinter dürfen wir jedoch nicht die Darstellung des „griechischen“ Heros und erst recht nicht die seiner kanonischen Taten vermuten, sondern entsprechende Taten des Melqart, für die wir jeweils Parallelen in der altorientalischen Bilderwelt finden.

Im Tempel des Melqart von Gadir opferte Hannibal im Jahr 219 v. Chr. nach dem Sieg über Sagunt und am Vorabend seines Zuges über die Alpen. Damit trat er wie Alexander auf seinem Feldzug auf (Silius 1, 12-13). Diesem Beispiel folgte der römische Konsul Fabius Maximus Aemilianus vor dem Feldzug gegen die Lusitanier 145 v. Chr. (Josephus, Antiquitates 9, 14, 2).

Weitere Kultstätten des Melqart sind im Mittelmeerraum und Vorderen Orient erschließbar, sei es über die interpretatio graeca oder über inschriftliche Nennungen des Melqart, so etwa in Kition-Bamboula auf Zypern, in Lixus in Marokko, auf Malta, in Tharrros, Sulcis, Antas auf Sardinien, um nur einige zu nennen. Diese machen aus Melqart wahrlich einen Archegeten der phönizischen Expansion. Häufig findet sich eine Nähe zu Astartekulten, weswegen Melqart und Astarte auch als göttliches Paar verstanden werden können. Jedoch sind weder Raumorganisation noch Architektur noch Funde in phönizischen Heiligtümern so spezifisch, dass die Zuordnung zu einer Gottheit auf dieser Basis vorgenommen werden könnte.

Auf Sizilien hat sich zudem eine Stadt namens Ras Melqart („Kap des Melqart“) befunden, wie wir aus den Münzprägungen erfahren. Eine abgesicherte Lokalisierung ist nicht möglich, doch wird manchmal eine Identifizierung von Ras Melqart mit Lilybaion in Betracht gezogen. Als Säulen des Herakles schließlich ist die Gegend der Meerenge von Gibraltar bekannt, bezogen vielleicht konkret auf die Felsen von Gibraltar, vielleicht aber auch sinnbildlich auf die Heiligtümer in Gadir und Lixus (Strabo 3, 5, 5).

Erstaunlich dürftig sind indes die Zeugnisse eines Melqart-Kultus in Karthago. Die Stadt gilt zwar der Legende nach (z.B. Justinus 18, 4-6) als gegründet durch die Königstochter Elissa / Dido aus Tyrus. Es lassen sich jedoch etliche Unterschiede zu anderen phönizischen Niederlassungen feststellen, nicht zuletzt darunter etwa zu der offiziellen Implementierung des tyrischen Melqart-Kultes in Cádiz. Allerdings hören wir von karthagischen Gesandten, die an dem jährlichen Fest in Tyrus teilnahmen (Arrian, Anabasis 2, 24, 5; Curtius Rufus 4, 2, 10; Diodor 7, 41, 8; 20, 14). Vielleicht passte dieser königliche Heros, Schützer des Königshauses und Archeget auch nicht so recht zu der Geschichte, Entwicklung und dem politischen System in Karthago.

Literaturverzeichnis

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  • Gold-Hemistater aus Kition (um 332 v. Chr.). Mit Dank an © Staatliche Museen zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz, lizenziert unter Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland (CC BY-NC-SA 3.0 DE), Ident.Nr. 18217656; Zugriff 20.2.2018
  • Silberne Tetradrachme (sikulo-punisch, um 300-289 v. Chr.). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; BM 1967,1110.3
  • Silberner Doppelschekel aus Tyrus (um 425-394 v. Chr.). Mit Dank an © Staatliche Museen zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz, lizenziert unter Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland (CC BY-NC-SA 3.0 DE); Ident.Nr. 18256962; Zugriff 20.2.2018

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