Michal
(erstellt: Februar 2008)
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1. Name
Der Name Michal (מִיכַל) ist vermutlich eine Verkürzung von Michael: „Wer (מִי mî) [ist] wie (כ k) Gott (אֵל ’el)?“.
2. Michal im Alten Testament
2.1. Tochter Sauls und Frau Davids
1Sam 14. Michal, die Tochter → Sauls
1Sam 18. Nachdem Saul → David
1Sam 19. Im Lauf der Erzählung wachsen das Misstrauen und der Hass Sauls auf David. Michal, jetzt als Davids Frau und nicht mehr als Sauls Tochter bezeichnet, verrät David Sauls Mordpläne und hilft ihm, zu fliehen (1Sam 19,11-17
2.2. Frau des Palti / Paltiël
1Sam 25. Nach 1Sam 19
2Sam 3. Als nach Sauls Tod dessen Heerführer → Abner
2.3. Streit mit David
2Sam 6. Als David mit ganz Israel die → Lade
Michal, die durchs Fenster auf David herunter sieht, ist mit dem Motiv der Frau im Fenster in Verbindung gebracht worden (vgl. Bietenhard; s. dazu Ri 5,28
Als David nach Hause kommt, wirft Michal ihm vor, sich als König vor Sklavinnen und Sklaven entblößt zu haben (2Sam 6,20
David hält ihr seine besondere Beziehung zu JHWH entgegen, was als Reaktion auf den kultischen Vorwurf gelesen werden kann, und betont, dass JHWH ihn erwählt hat und nicht mehr Saul und seine Familie – zu der auch Michal gehört (2Sam 6,21f
2.4. Michals Kinder?
Der Notiz von Michals Kinderlosigkeit widerspricht die Erzählung von David und den Gibeoniterinnen und Gibeonitern (2Sam 21,1-14
Da Adriël in 1Sam 18,19
Sollte der Hinweis auf Michals Kinder in 2Sam 21,8
2.5. Fazit
Michal wird ambivalent dargestellt: Zwei Mal wird sie emotional gezeigt – zu Anfang liebt sie David, am Ende verachtet sie ihn. Sie ist (außer Hhld 3,1-4
Exum (1993, 51-59) beobachtet, dass die Doppelposition in ähnlicher Weise auch für Michals Bruder Jonatan gilt. Seine Freundschaft zu David bleibt jedoch ungetrübt, Jonatan kündigt an, sich freiwillig und gerne David unterzuordnen (1Sam 23,17
Michal muss nicht in der Erzählung sterben, sondern lebt weiter, bis es zum Konflikt kommt (2Sam 6
3. Rezeption
Die vermeintlich lückenhafte Darstellung Michals hat dazu geführt, dass in der Auslegung (s. White), aber auch in der Rezeption in Kunst und Literatur diese „Lücken“ gefüllt wurden (gap filling), wodurch sehr unterschiedliche Ausmalungen der Figur Michals entstanden sind. Die punktuell emotionale Erzählung, die an vielen Stellen dann aber Michals Gefühle nicht preisgibt, hat Rezipientinnen und Rezipienten provoziert, Partei zu ergreifen – für oder gegen Michal und damit gegen oder für David. Dies geschieht gerade in Auslegungen und Kommentaren eher verdeckt, während künstlerische Beschäftigungen mit Michal offener damit umgehen.
3.1. In der Literatur
Die David-Romane des 20. Jh.s, von denen die meisten die Figur Michals zumindest am Rande behandeln, arbeiten alle damit, dass sie Lücken füllen und Perspektiven wechseln.
Der Roman von Grete Weil (1906-1999) „Der Brautpreis“ ist ein Beispiel für diesen Umgang mit den Michal-Texten. Sie füllt die Leerstellen der Geschichte aus der Sicht Michals („Ich-Michal“), gerahmt und unterbrochen von Erzählstücken einer Ich-Erzählerin, die im Text für die Autorin steht („Ich-Grete“). Sie ergänzt, was Leserinnen und Leser der biblischen Geschichte heute oft vermissen: Stücke, die die Michal-Episoden verbinden, und Einblicke in Michals Gefühle und Gedanken. Verwoben damit thematisiert G. Weil ihr eigenes Leben und Schicksal als Jüdin, die nach dem Holocaust wieder nach Deutschland zurückgekehrt war, ihr Altwerden und ihre Auseinandersetzung damit, was es heißt, Jüdin zu sein. Die Erzählung Michals wird durch diese Technik stark individualisiert, wird aber durch die zwei Kontexte, in die G. Weil sie stellt, auch wieder geöffnet.
3.2. Im Film
„David-Filme“ des 20. Jh. weisen eine weitere Form auf, mit den Brüchen und den vermeintlichen Lücken umzugehen (s. Exums Vergleich von „David und Batseba“, 1951, mit „König David“, 1985, Exum, 1996, 54-79). So werden die beiden Frauen Davids, Michal und Batseba, anders als in den biblischen Texten als Kontrastfiguren benutzt. Die Schuldfrage, die in den biblischen Texten an vielen Punkten offen bleibt (vgl. 2Sam 6,23
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg i.Br. 1968-1976
- Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (im Internet
)
2. Weitere Literatur
- Alter, R., 1981, The Art of Biblical Narrative, New York
- Bechmann, U., 1988, Michal. Retterin und Opfer Davids, in: Walter, K. (Hg.), Zwischen Ohnmacht und Befreiung. Biblische Frauengestalten, Freiburg / Basel / Wien, 71-80
- Bietenhard, S., 1999, Michal und die Frau am Fenster. Ein Betrag zur Motiv- und Redaktionsgeschichte von II Sam 6,16.20-23, ThZ 55, 3-25
- Clines, D. / Eskenazi, T. (Hgg.), 1991, Telling Queen Michal’s Story. An Experiment in Comparative Interpretation (JSOT.S 119), Sheffield.
- Exum, Ch.J., 1993, Fragmented Women. Feminist (Sub)versions of Biblical Narratives (JSOT.S 163), Sheffield.
- Exum, Ch.J., 1996, Plotted, Shot, and Painted. Cultural Representations of Biblical Women (JSOT.S 215 / Gender, Culture, Theory 3), Sheffield
- Maier, Ch., 1995, Die „fremde Frau“ in Proverbien 1-9. Eine exegetische und sozialgeschichtliche Studie (OBO 144), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
- McCarter, P.K., 1984, II Samuel (AncB 9), Garden City NY
- Müllner, I., 1998, Die Samuelbücher. Frauen im Zentrum der Geschichte Israels, in: Schottroff, L. / Wacker, M.-T. (Hgg.), Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh, 114-129
- Schroer, S., 1992, Die Samuelbücher (NSK.AT 7), Stuttgart
- Weil, G., 1988, Der Brautpreis, Zürich
- White, E., 2007, Michal the Misinterpreted, JSOT 31, 451-464
Abbildungsverzeichnis
- Davids Vermählung mit Michal / Hochzeitsmahl / Abschied von Michal und Flucht (Buchmalerei; 12. Jh.).
- Michal lässt David durchs Fenster entkommen (Gustave Doré; 1865).
- Frau im Fenster (Elfenbeinrelief aus Samaria, 8. Jh. v. Chr.). Aus: U. Winter, Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und in dessen Umwelt (OBO 53), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1983, Abb. 310; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Michal sieht David vor der Lade tanzen (Francesco Salviati; 1552-54).
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