Morija
Andere Schreibweise: Moria; Moriah (engl.)
(erstellt: März 2015)
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1. Alttestamentlicher Befund
Morija (מֹרִיָּה môrijjāh) taucht im Alten Testament zweimal auf, in Gen 22,2
→ Septuaginta
2. Etymologie
Für das ursprüngliche Verständnis muss man die Wortbildung beachten:
1. Morija hat eine vorangesetzte Determination (ha-), was bei Orts- und Landschaftsnamen keineswegs unmöglich ist, aber gleichzeitig, weil Name, auch nicht nötig ist.
2. Die Endung „-ja“ kann durchaus ein typisches theophores Element (kontrahiert aus Jahu für JHWH) sein, wie bei → Elia
3. Die verbleibende Silbe „mor“ bzw. „mori“ ist vieldeutig. Die beiden üblichen, eher volksetymologischen und philologisch nicht abzusichernden Deutungen gehen von Defektivschreibungen entweder des Verbums ירא jr’ „fürchten“ oder des Verbums ראה r’h „sehen / schauen“ aus, so dass sich „Land der Furcht (JHWHs)“ bzw. „Land der Schau (JHWHs)“ ergibt. Daneben kommen, philologisch plausibler, Homonyme der Wurzel ירה jrh „schießen / lehren“ in Betracht (insbesondere: Land des Lehrers JHWH); zu weiteren, schon spätantiken Erwägungen vgl. die Diskussion um die Etymologie im Midrasch Bereschit Rabba 55,7.
Die beiden Verben „fürchten“ und „sehen“ spielen auch sonst im Text eine leitwortartige Rolle; das Verb „sehen“ taucht außerdem in der zweiten Ortsbenennung des Textes, in Gen 22,14
Die syrische Übersetzung bietet in Gen 22 „Land der Amoriter“, was manche sogar als ursprüngliche Lesung bevorzugen (Ruppert 513.521). Zu weiteren innovativen Lesarten und auch Identifikationen vgl. Kalimi 1990, 347-350.
3. Identifizierung des Landes bzw. Berges Morija
3.1. 2Chr 3,1. Der Vers 2Chr 3,1
3.2. Gen 22,2. Gen 22 bietet für die Lokalisierung des ansonsten unbekannten „Landes Morija“ bzw. der „Landschaft Morija“ keine direkten Anhaltspunkte, allerdings gibt es im „Land Morija“ mehrere „Berge“. Einer dieser Berge ist derjenige, auf dem → Isaak
Tatsächlich hängt für die Frage, ob der ursprüngliche Text von Gen 22 mit „Morija“ ein reales Land mit einem realen Berg vor Augen hat, auch von der Datierung des Textes ab. Hält man ihn für älter als 2Chr 3, etwa für spätvorexilisch oder exilisch, dann trägt wie die Figuren Abraham und Isaak wohl auch die Benennung des Ortes stark fiktionalen Charakter, deren Funktion wir freilich nicht mehr zweifelsfrei erheben können. Auffällig ist, dass Gen 22 und Gen 12, zwei Texte, die auch sonst sehr eng zusammenhängen, jeweils ähnlich lautende, kryptische Ortsnamen bieten, vgl. Gen 12,6
Anders müsste man dies beurteilen, wenn man „Morija“ bzw. das „Land Morija“ in Gen 22,2
4. Rezeption
Die ausdrückliche Identifikation des Berges, an dem Isaak geopfert werden sollte, mit dem Zion bzw. dem Tempelberg findet sich auch in der zwischentestamentlichen Literatur, und zwar in Jub 18,13
Literaturverzeichnis
Datenbank Ortsangeben der Bibel (odb)
1. Lexikonartikel
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
- Herders Neues Bibellexikon, Freiburg 2008
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
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- Diebner, J., 1998, Noch einmal zu Gen 22,2: ארץ המריה, DBAT 29, 58-72.
- Hoping, H. / Kalimi, I., 2009, Die Bindung Isaaks. Anmerkungen zum biblischen Text und zur rabbinischen Theologie, in: H. Hoping / J. Knop / Th. Böhm (Hgg.), Die Bindung Isaaks. Stimme, Schrift, Bild (Studien zu Judentum und Christentum), Paderborn u.a. 89-113.
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- Kalimi, I., 1990, The Land of Moriah, Mount Moriah and the Site of Solomon’s Temple in Biblical Historiography, HThR 83, 345-362.
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