Mosesegen
(erstellt: Januar 2007)
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Mose hat die Stämme Israels – wie einst Jakob (Gen 49) – unmittelbar vor seinem Tod (Dtn 34) gesegnet. Mit diesem in Dtn 33 überlieferten Mosesegen ziehen die Stämme dann in das verheißene Land (→ Josuabuch
1. Einleitung
Nach den letzten Worten des Moseliedes (Dtn 32) präsentiert das → Deuteronomium
Weitgehende Einigkeit besteht über die entstehungsgeschichtliche Scheidung zwischen Rahmen und Korpus (zur Forschungsgeschichte vgl. Pfeiffer, 178-182). Während die ältere kritische Forschung den Rahmen in der Regel in die nachexilische (vgl. z.B. Steuernagel; Budde) oder monarchische Zeit (vgl. z.B. Gressmann, 183; Driver, 385-417) und die Stammessprüche in die Königszeit datierte (vgl. z.B. Steuernagel), votierte man später eher für eine vorstaatliche Ansetzungen insbesondere des sog. Rahmenpsalms. Eine solche Frühdatierung war lange Zeit Konsens. Für sie wurden vor allem sprachliche (Gaster; Cross / Freedman; Miller, 75-87), aber auch kult- und traditionsgeschichtliche Gründe vorgetragen (Cassuto; Seeligman). Die gegenwärtige Diskussion um den Rahmenpsalm schwankt zwischen der konventionellen Frühdatierung (Jeremias, 82-92) und Spätansetzungen in der nachexilischen bis hellenistischen Zeit (Schorn, 104-116; Otto, 2000, 189, Anm. 154; ders., 2002, 1546; Pfeiffer, 178-203). Die Stammessprüche gelten hingegen in der Substanz als vorexilisch (Otto), können aber auch bis in salomonische (Seebass) oder die vorstaatliche Zeit (Zobel, Beyerle) zurückverfolgt werden.
2. Die Komposition der Stammessprüche (Dtn 33,6-25)
Die Komposition der Segenssprüche für die Stämme Ruben, Juda, Levi, Benjamin, Joseph (Ephraim und Manasse), Sebulon / Issachar, Gad, Dan, Naphtali und Asser – Simeon fehlt – (Dtn 33,5-26
Dtn 33,7
Innerhalb des Levispruchs (Dtn 33,8-11
Der Benjaminspruch (Dtn 33,12
Der zentrale und durch seine Länge hervorgehobene Abschnitt über Josef (Dtn 33,13-17
Ältere traditionsgeschichtliche Rudimente sind auch für den Ruben- und den Judaspruch auszuschließen. Der Wunsch an Ruben (Dtn 33,6
Eine redaktionsgeschichtliche Einordnung des Grundbestandes (= V.1 [+ ויאמר in 2] / 6 / 7a.bβ / 8-9a.11 / 12 / 13-17 / 18-19 / 20-21 / 22 / 23 / 24-25) ergibt sich aus dem kompositorischen Ort des Mosesegens und seinem literarischen Verhältnis zum Jakobsegen Gen 49 auf der einen und dem Moselied Dtn 32 auf der anderen Seite:
1) Dtn 33* unterbricht die Passage über den Tod des Mose Dtn 32,48-52
2) Der Grundbestand des Mosesegens greift im Josefsspruch Dtn 33,13-17
3) Innerhalb des Ablaufes des Deuteronomiums gehen den allerletzten Worten des Mosesegens die letzten Worte des Moseliedes (Dtn 32,1-43
3. Der Rahmen (Dtn 33,2-5.26-29)
Beide Zusätze explizieren im Eindruck der Nennung des Sinai in Dtn 33,2a
Der Rahmen des Mosesegens stellt kaum einen uralten, ehemals selbständig tradierten Psalm dar (s.o.). Vielmehr liegt eine Bearbeitung vor, die von vornherein auf den älteren Mosesegen hin entworfen worden ist. Darauf weisen folgende Indizien:
1) Der Text gliedert sich in seiner Grundgestalt in Bikola. Nur die inneren Rahmenverse Dtn 33,5
2) Die „Stämme Israels“ in Dtn 33,5
3) Rahmen und Korpus sind durch eine Reihe von Querverweisen und Stichworten aufeinander bezogen.
Vgl. שׁכן לבטח bzw. שׁכן בטח „in Sicherheit wohnen“ V.12 / 28a (sonst nur noch Jer 23,6
Die späte Herkunft des Rahmens wird auch an den zahlreichen Kotextbezügen erkennbar. Stärker noch als im Korpus zeigt sich im Rahmen die Abhängigkeit vom Moselied (Dtn 32).
Die Ehrenbezeichnung „Jeschurun“ ist neben Dtn 33,5
Darüber hinaus ist der Rahmen von Dtn 33 direkt von den sehr späten (!) Theophanietexten Ri 5 und Hab 3 (vgl. Pfeiffer, 19-177) abhängig (vgl. Dtn 33,2
Der vordere Teil des Rahmens steht in dem erzählerischen Gefälle von Dtn 33,2a
Bezieht sich das Suff. 3. Pers. Sg. Mask. in קדשׁיו „seine Heiligen“ auf עליון „der Höchste“ in Dtn 32,8
Im hinteren Teil (Dtn 33,26-29
Der Abschnitt setzt in Dtn 33,26
Der Mittelteil (Dtn 33,27b-28
Die Bezeichnung Israels als „Jakob“ (V.28) rekurriert zugleich auf die eidlichen Landverheißungen Dtn 1,8
Die im Mittelteil erzählten Zuwendungen des unvergleichlichen Gottes (Dtn 33,26-27a
Der Rahmen trägt in die Komposition das Moment der Theokratie ein, die ihren theologischen Ort im nachexilischen Judentum hat. Der Segen im Mittelteil (Dtn 33,6-25
Dtn 33 in seiner vorliegenden Form changiert zwischen Theokratie (vgl. bes. Dtn 33,5
4. Die Rezeption im Neuen Testament
Die Epiphanie des Kyrios mit seinen Engeln (Dtn 33,2[LXX]), seine Königserhebung in Israel (Dtn 33,5
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Albertz, R., 1992, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, Teil 2: Vom Exil bis zu den Makkabäern, Grundrisse zum Alten Testament (ATD.E 8/2), Göttingen
- Beyerle, S., 1997, Der Mosesegen im Deuteronomium. Eine text-, kompositions- und formkritische Studie zu Deuteronomium 33 (BZAW 250), Berlin / New York
- Braulik, G., 1992, Deuteronomium II. 16,18 - 34,12 (NEB), Würzburg
- Budde, K., 1922, Der Segen Mose’s. Deut. 33 erläutert und übersetzt, Tübingen
- Cassuto, U., 1973, Deuteronomy Chapter XXXIII, in: ders., Biblical and Oriential Studies, Bd. 1, Jerusalem, 47-70
- Christensen, D. L., 1984, Two Stanzas of Hymn in Deuteronomy 33, Bib. 65, 382-389
- Cross, F.M. / Freedman, D.N., 1948, The Blessing of Moses. Deuteronomy 33, JBL 67, 191-210 (= dies., 1997, Studies in Ancient Yahwistic Poetry, The Biblical Resource Series, Grand Rapids / Cambridge, 97-122)
- Driver, S.R., 3. Aufl. 1960 (1. Aufl. 1895), A Critical and Exegetical Commentary on Deuteronomy (ICC), Edinburgh
- Gaster, T.H., 1947, An Ancient Eulogy of Israel: Deuteronomy 33,3-5, 26-29, JBL 66, 53-62
- Gressmann, H., 2. Aufl. 1922, Die Anfänge Israels (Von 2. Mose bis Richter und Ruth), SAT 1,2, Göttingen
- Jeremias, J., 1987, Das Königtum Gottes in den Psalmen. Israels Begegnung mit dem kanaanäischen Mythos in den Jahwe-Königs-Psalmen (FRLANT 141), Göttingen
- Macchi, J.-D., 1999, Israël et ses tribus selon Genèse 49 (OBO 171), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
- Miller, P.D., 1973, The Divine Warrior in Early Israel (HSM 5), Cambridge / Mass.
- Mowinckel, S., 1953, Der achtundsechzigste Psalm (SNVAO), Oslo, 55-57
- Nelson, R. D., 2002, Deuteronomy. A Commentary (OTL), Louisville / Kentucky
- Nielsen, E.,1995, Deuteronomium (HAT I/6), Tübingen
- Otto, E., 2000, Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumrahmens (FAT 30), Tübingen
- Otto, E., 2002, Art. Mosesegen / Moselied, Die RGG, 4. Aufl., Tübingen, Bd. V, 1546
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- Schmid, K., 1999, Erzväter und Exodus. Untersuchungen zur doppelten Begründung der Ursprünge Israels innerhalb der Geschichtsbücher des Alten Testaments (WMANT 81), Neukirchen-Vluyn
- Schorn, U., 1997, Ruben und das System der zwölf Stämme Israels. Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zur Bedeutung des Erstgeborenen Jakobs (BZAW 248), Berlin / New York 1997
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- Tournay, R.J., 1958, Le Psaume et les Bénedictions de Moïse (Deutéronome XXXIII), RB 65, 181-213
- Weisman, Z., 1978, A connecting link in an old hymn: Deuteronomy XXXIII 19a, 21b, VT 28, 365-368
- Zobel, H.J., 1965, Stammesspruch und Geschichte. Die Angaben der Stammessprüche von Gen 49, Dtn 33 und Jdc 5 über die politischen und kultischen Zustände im damaligen „Israel“ (BZAW 95), Berlin
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