Deutsche Bibelgesellschaft

Münze (AT)

(erstellt: Mai 2006)

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1. Einleitung

Münzen, überwiegend runde Geldstücke aus Metall, haben als meist autorisierte offizielle Dokumente durch ihre epigraphischen und ikonographischen Informationen einen hohen historischen Quellenwert für die Kultur-, Religions-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des jeweiligen Emissionsgebietes und seiner näheren und weiteren Umgebung. So bilden Münzen häufig die oder zumindest eine der wichtigsten Grundlagen für die Chronologie der jeweiligen Herrscher wie z.B. bei den sidonischen Herrschern oder den nabatäischen Königen. Sie belegen kulturelle Einflüsse und Handelsverbindungen und sind Gradmesser von Wirtschaftskraft, Inflation und Währungskrisen. Stratifizierte Fundmünzen können die Datierungsgenauigkeit von Ausgrabungsbefunden erheblich erhöhen. Titulaturen, Herrschaftssymbole u.ä. auf den Münzen geben Einblick in das politische Selbstverständnis ihrer emittierenden Auftraggeber. Numismatik ist die neuzeitliche Wissenschaft, die das historische Geld- und Münzwesen mittels eines eigenen methodischen Instrumentariums erforscht.

2. Frühe Prägungen

Am Anfang der monetären Entwicklungen in Palästina stand die Verwendung von (Hack-)Silber und Metallbarren. Nach der Entwicklung handlichen Münzgeldes gegen Ende des 7. Jh.s v. Chr. in Lydien setzten sich Münzen nach und nach in den griechischen Städten durch und verbreiteten sich von dort über den Vorderen Orient, ohne vor- und paramonetäre Geldformen je gänzlich zu verdrängen.

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Die frühesten in Palästina gefundenen Münzen sind aus Silber und griechischen Ursprungs. Um die Mitte des 5. Jh.s v. Chr. setzte die Münzprägung in den phönizischen Hafenstädten ein. Die tyrische wurde neben der athenischen zur wichtigsten Leitwährung in Palästina. Bei den sog. philisto-arabischen Silber-Münzen handelt es sich um Prägungen der Stadt Gaza und um Münzen, die wahrscheinlich im Auftrag arabischer Stammesfürsten Südpalästinas und des nördlichen Sinai in der Zeit zwischen ca. 420-332 v. Chr. geschlagen wurden.

3. Persische und hellenistische Zeit

In der achämenidischen Provinz Samaria wurden in der Zeit zwischen ca. 375/360-332 v. Chr. Silber-Münzen geprägt, die v.a. kilikischen, phönizischen und athenischen Prototypen folgten und eine Vielzahl altorientalisch-persischer und anderer Motive in ihr ikonographisches Repertoire aufnahmen. In der achämenidischen Provinz Juda wurden vom 2. Viertel bzw. der Mitte des 4. Jh.s bis in den Beginn der Regierungszeit Ptolemaios’ II. (283-246 v. Chr.) Kleinmünzen geprägt. Sie imitieren v.a. athenische und später auch ptolemäische Prototypen. Dazu gehört auch das berühmte Unikat BMC Palestine S. 181, Nr. 29 unbekannter Herkunft, auf dessen Revers ein namentlich nicht bekannter Gott auf dem Flügelrad zu sehen ist (BMC = British Museum Catalog of Greek Coins 1873-1929, Bd. 27 Palestine, 1914).

Die Yehud-Münzen sind achämenidische Provinzialprägungen, also Münzen, die der jeweilige Provinz-Gouverneur mit Erlaubnis des Satrapen der Transeuphratene emittierte, bzw. ptolemäische Münzen, die der ägyptische Pharao in Juda prägen ließ. Dies erklärt auch ihre anthropo- und zoomorphen Motive wie Athena und Steinkauz, den Großkönig mit der kidaris (hohe Kopfbedeckung), den Gott auf dem Flügelrad, den Horus-Falken, den Adler auf dem Blitzbündel oder die ptolemäischen Herrscherportraits. Nach Ausweis der Bodenfunde waren Dareikos und Siklos, die Reichswährung der Achämeniden aus Gold und Silber, in Palästina so gut wie nicht in Umlauf. Die Erwähnungen von אדרכנים „Dareiken“ in Esr 8,27 (und anachronistisch für die Zeit Davids 1Chr 29,7) und von Sikloi in der Septuaginta müssen keineswegs die gleichnamigen Münzen, sondern können deren Wert bzw. Gewicht meinen. Das Gleiche gilt für die in Esr 2,69; Neh 7,70-71 erwähnten griechischen Golddrachmen (griech. δραχμαί > hebr. דרכמונים „Drachmen“).

Die Scheqel, die für den Statthalter (Neh 5,15), und die Drittel-Scheqel, die in persischer Zeit für die Tempelsteuer erhoben wurden (Neh 10,33), dürften die tyrische Währung voraussetzen. Die Septuaginta erwähnt noch – ebenfalls anachronistisch – Didrachmen in Gen 20,(14.)16 und Dtn 22,29 (MT כסף). Unter Alexander d. Gr. und den ptolemäischen und seleukidischen Diadochen wurden auch in palästinischen Küstenstädten wie z.B. Akko und Joppe Bronze- und Silbermünzen geprägt, deren Herkunft in der Regel nur durch stadtspezifische Beizeichen und Abkürzungen erkennbar ist.

4. Hasmonäische Zeit

Mit dem Niedergang des Seleukidenreiches (→ Seleukiden) setzte in Juda wieder eine lokale Münzprägung ein: Von den → Hasmonäern emittierte Münzen sind von der Zeit Johannes Hyrkans I. (135/134-104 v. Chr.) bis in die Zeit des Antigonos Mattathias (40-37 v. Chr.) bezeugt. Die meisten hasmonäischen Münzen sind Kleinbronzen mit den Nominalen Peruta und Halb-Peruta, die dem seleukidischen Lepton bzw. Dilepton entsprachen. Ihre zwei- bzw. dreisprachigen Legenden nennen Titel und Namen des jeweiligen Königs und / oder Hohenpriesters oder aber den „Rat der Juden“. In der Ikonographie wird auf anthropomorphe Abbildungen ganz und auf Bezüge zur paganen Mythologie weitgehend verzichtet und dagegen florale und andere Motive (apex [Priestermütze], Sterne, Menora, Schaubrot-Tisch, Anker) verwendet. Seit der hasmonäischen Zeit umfasste die jüdische Tempelsteuer pro Erwachsenen und Jahr 1/2 tyrischer Scheqel, was 1 Didrachmon (Doppeldrachme) bzw. 2 Drachmen entsprach (Josephus, Antiquitates 18,9,1, § 313; Text gr. und lat. Autoren; Mt 17,24-27).

5. Römische Zeit

Unter römischer Herrschaft durften auch die herodianischen Klientelherrscher Kleinmünzen aus unedlem Metall prägen lassen. Die Münzen Herodes’ d. Gr. (37-4 v. Chr.) sind Prägungen ohne bildliche Selbstdarstellung des Königs und mit religiös weitgehend unbedenklichen Bildmotiven wie z.B. Palmzweig, Kranz, cornucopiae (Füllhörner), Diadem, Anker und Schiff. Auf seinen früheren Münzen aus Samaria waren noch caduceus (Götterstab), aphlaston (Schiffsheck), apex (Priestermütze) und andere pagane Motive abgebildet. Seit der Zeit des Tetrarchen Herodes Antipas wurden auch die Namen des jeweiligen römischen Kaisers und erstmals auch die Namen von Städten bzw. Münzstätten festgehalten.

Der Tetrarch Herodes Philippus (4 v. - 34 n. Chr.) war der erste jüdische Herrscher, der Münzen mit seinem eigenen Portrait und mit dem des römischen Kaisers prägen ließ. Agrippa I. (37-44 n. Chr.) ließ in Jerusalem Münzen mit Baldachin und Ähren, in den Münzstätten Paneas, Tiberias und Caesarea aber Münzen mit seinem eigenen Portrait, dem des jungen Agrippa II. bzw. des jeweiligen römischen Kaisers, Quadriga, manus humana sowie mit Tyche oder paganer Tempelfassade schlagen.

Auf den Münzen Agrippas II. (50-100 n. Chr.) war neben dem eigenen Portrait und dem des jeweiligen römischen Kaisers auch griechisch-römische Gottheiten wie Tyche, Nike oder Pan anthropomorph abgebildet.

Das Scherflein der armen Witwe war die kleinste im Umlauf befindliche Kupfermünze (griech. λεπτóς); 2 solcher Kleinmünzen hatten den Wert eines Quadrans („Viertel-as“; Mk 12,42 par. Lk 21,2; auch Lk 12,59). Der sprichwörtlich gewordene Judas-Lohn umfasste 30 „Silberlinge“ (griech. ἀργυρία; Mt 26,15; Mt 27,3-5; vgl. Sach 11,12), mit denen römische (Silber-)Denare gemeint sein dürften.

Die während der beiden jüdischen Aufstände gegen Rom (66-70 und 132-135 n. Chr.) geprägten Münzen sind die letzten jüdischen Münzprägungen im antiken Palästina. Es handelt sich dabei um revolutionäres Geld: Die Legenden in hebräischer Sprache und Schrift halten die Freiheitsparolen sowie die Personennamen und Titel der Rebellenanführer fest. Die Münzen datieren nach einer eigenen Ära, den Kriegsjahren. Die Ikonographie gibt sich explizit jüdisch. Neben den Bronze-Münzen wurden vor allem Silber-Münzen als Zeichen der Autonomie geprägt.

Erstmals machten römische Münzen in republikanischer Zeit auf Ereignisse der palästinischen Geschichte aufmerksam (geprägt 58 und 55 v. Chr.), später auch in der Kaiserzeit (z.B. Iudaea capta unter den Flaviern; fiscus Iudaicus unter Nerva; Arabia adquisita unter Hadrian). Die Prokuratoren bzw. Präfekten ließen in Caesarea Kleingeld prägen, das in seiner Motivauswahl Rücksicht auf orthodoxe Teile der jüdischen Bevölkerung zu nehmen versuchte. Die vielfältigen palästinischen Stadtprägungen, die in der Mitte des 3. Jh.s n. Chr. zu Ende kommen, sind Quellen von überragender historischer Bedeutung.

6. Byzantinische Zeit bis Moderne

Unter byzantinischer Herrschaft wurden Münzen nur mehr außerhalb Palästinas geprägt; eine Ausnahme davon gab es möglicherweise unter Heraklios (610-641 n. Chr.) in Jerusalem.

Erst die Kreuzfahrer haben wieder christliche Münzen in Palästina, d.h. im Lateinischen Königreich Jerusalem, schlagen lassen, auf denen als ikonographische Motive u.a. turris Davit, sepulchrum Domini, Kreuz, Lilie, Hexagramm oder Christus zu sehen waren.

Unter der ersten muslimischen Dynastie, den Umajjaden, wurden während des 7. und 8. Jh.s Münzen wieder in zahlreichen palästinischen Städten geprägt. Nach der Herrschaft der Abbasiden wurden in Palästina bis ans Ende der osmanischen Herrschaft im Wesentlichen nur noch im 10.-11. Jh. unter den Tuluniden, Ihšididen, Qarmaten und Fatimiden Münzen geschlagen.

Im 20. Jahrhundert ließen zuerst die Briten während der Mandatszeit, dann die neu entstandenen Staaten Israel und Jordanien wieder Münzen in Palästina prägen.

Literaturverzeichnis

Perserzeitliche Münzen in Palästina:

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Abbildungsverzeichnis

  • Münze aus Sidon, die ein Kriegsschiff mit einem Rammbug und den Schilden der Soldaten an der Reling zeigt (4. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Münze, deren Rückseite einen unbekannter Gott auf einem Flügelrad zeigt (4. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Münze Herodes’ des Großen. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Münze Agrippas I. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Münze Agrippas II. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Münzen aus der Zeit des ersten und zweiten jüdischen Aufstands (rechts: Jahr 4 = 69/70 n. Chr. ; links: Jahr 3 = 134/5 n. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Zwei Münzen aus der Zeit des Pontius Pilatus (26-36 n. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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