Musik / Musikinstrumente
(erstellt: Februar 2006)
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1. Quellen
Musik (hebräisch זמר zmr „musizieren“), Gesang (hebr. שִׁיר šîr) und → Tanz
Das gilt auch für das Alte Testament als literarische Quelle für die Musik des antiken Palästina. Profane, alltägliche Musik aus dem Raum der Familie oder des Hofes wird kaum dargestellt. Das Instrumentarium, das aus archäologischen und ikonographischen Quellen gut bekannt ist, kommt in der Bibel nur ausschnittweise vor: Kultmusik (wie sie im Jerusalemer Jahwe-Tempel stattfand) und das entsprechende Personal, die levitischen Priester, stehen im Vordergrund der biblischen Zeugnisse. Kultinstrumente, zumal solche, die in der beginnenden Geschichte des Frühjudentums eine Rolle spielten (Schofar, Trompete), sind stark überrepräsentiert.
Die Musik des antiken Palästina selbst (z.B. Musiktheorie, Terminologie, Rhythmik, Melodik, Notation, Instrumentierung, Gesangspraxis und Spielpraxis vor allem der komplexeren Instrumente) ist nicht rekonstruierbar. Jedoch sind Musik, Tanz und Gesang menschliche Grundkonstanten, weshalb manche Äußerungen des musizierenden Menschen zwar ihre Gestalt, nicht aber ihren Anlass und Sinn verändert haben (vgl. Martial, Epigrammata 14,54; Sir 32,3ff
2. Musik
Musik ist im Allgemeinen ein gemeinschaftliches und gesellschaftliches Ereignis. Meist werden Musikinstrumente nicht einzeln, sondern zu mehreren aufgezählt: In vorhellenistischer Zeit ist vor allem die Kombination von Aulos (Blasinstrument; s.u.), Leier und Rahmentrommel gut belegt, und zwar in kultischer wie auch profaner Musik (vgl. Gen 31,27
Schon aus der Natur mancher Instrumente (z.B. Schrapstäbe, Stabklappern, Sistren, Trommeln) geht hervor, dass sie (wie das einfache Klatschen; vgl. Ps 47,2
Tänze und Tänzer, vor allem in kultischem Kontext, sind besonders ikonographisch belegt. Es hat sowohl Einzel-, als auch Paar- und Gruppentänze (Reigen; hebr. מָחוֹל māḥôl; griech. χορός choros) gegeben (vgl. Klgl 5,15
Dass die Musik als Teil des Kultes eine große Rolle spielte, belegen zahlreiche Quellen (neben der Architektur von Kultstätten besonders Votivgaben, Votivschreine, Figurinen und Tonständer). Ständer aus Ton oder Bronze (Kammerer, 1998, 1808) zeigen Musiker, Sänger und Tänzer nebeneinander und symbolisieren so eine Art kultisches Ensemble. Instrumente wurden solistisch (Harfe, Leier, Aulos, Rassel, Becken) oder als Ensemble (Leier, Rahmentrommel, Aulos), zur Begleitung von Gesang oder von Prozessionen und Tänzen eingesetzt (vgl. Ps 68,26
Literarisch (vgl. 1Thess 4,16
3. Musiker
Im Kult waren Berufsmusikerinnen und -musiker beschäftigt. Während die beliebtesten Musikinstrumente wie Leier, Trommel und Aulos sowohl von Männern als auch von Frauen gespielt werden konnten, scheint der kultische Tanz eher die Sache der Frauen gewesen zu sein (vgl. aber 2Sam 6,5-21
Auch außerhalb von Hof und Tempel hat es Berufsmusiker (und -sänger?) gegeben (Hi 21,12
4. Musikinstrumente
4.1. Schlaginstrumente (Idiophone, Membranophone)
An Idiophonen sind Klappern, Becken, Glöckchen, Sistren, Gefäßrasseln, Schrapstäbe und möglicherweise Rahmenrasseln belegt.
Klappern (dekoriert mit dem Hathorgesicht) sind (teils als Inventar aus ägyptischen Tempeln) in Syrien und Palästina (Ugarit, Bet-Schean; Tell es-Samak) archäologisch belegt. Im Alten Testament werden möglicherweise ebenfalls Stabklappern (2Sam 6,5
Becken aus Bronze sind seit der Frühbronzezeit archäologisch und literarisch gut belegt (hebr. מְצִלְתַּיִם mәṣiltajîm, צֶלְצְלִים ṣælṣəlîm; griech. κύμβαλον kymbalon; lat. Cymbalum; vgl. 2Sam 6,5
Glöckchen aus Bronze treten in großer Zahl vor allem als Grabbeigaben in nachhellenistischer Zeit auf (hebr. פַּעֲמוֹן pa‘ǎmôn; griech. kώδων kōdōn; lat. tintinnabulum). Auch als apotropäisch wirkende Anhängsel an (Priester-)Gewändern (Ex 28,33-35
Auch Sistren sind wie Klappern im Alten Testament sehr schwach (hebr. vielleicht שָׁלִישׁ šālîš in 1Sam 18,6
Schrapstäbe oder Knochenratschen (Knochen mit parallelen Einkerbungen auf ihrer Oberseite, die mit Hilfe eines Stabes oder Plektrums gespielt werden konnten) und Rahmenrasseln (Chalkophon, apulisches Sistrum) sind lediglich archäologisch bzw. ikonographisch belegt.
4.2. Saiteninstrumente (Chordophone)
An Chordophonen (hebr. נגן ngn „ein Saiteninstrument spielen“) sind vor allem Leier und Harfe, weniger häufig die Laute belegt.
Die Leier (hebr. / aram. כִּנּוֹר kinnôr; griech. κιθάρα kithara; lat. cithara) stellt das am häufigsten bezeugte Chordophon im syrisch-palästinischen Bereich dar (vgl. Lawergren 1998). Sie ist literarisch (z.B. Gen 4,21
Die Harfe (hebr. נֶבֶל nævæl / נֵבֶל nevæl [עָשׂוֹר ‘āśôr ?]; davon griech. νάβλα(ς) nabla(s), lat. nabl(i)um) ist in Form der Winkelharfe ikonographisch belegt, wenn auch weit schlechter als die Leier. Im Alten Testament wird sie recht häufig in ähnlicher Funktion wie die Leier erwähnt (vgl. 1Sam 10,5
Für die Laute (mit drei Saiten [?] hebr. שָׁלִישׁ šālîš [?] in 1Sam 18,6
4.3. Blasinstrumente (Aerophone)
An Aerophonen sind Auloi (zum Begriff s.u.), Flöten und Trompeten belegt (organologisch zählt auch der alttestamentliche שׁוֹפָר šôfār zu dieser Gattung).
Aufgrund der Darstellungen des Aulos (hebr. חָלִיל ḥālîl [?]; s. 1Sam 10,5-6
Flöten sind im antiken Palästina ebenfalls belegt, und zwar in Form von Knochenflöten, die seit dem Neolithikum archäologisch nachweisbar sind. Meist handelt es sich um (Fragmente von) Knochenröhren mit einer bis sechs Bohrungen in der Längsachse, wobei die Bestimmung als Flöte nicht immer sicher ist. Längsflöten aus Rohr oder ähnlichem Material mit ihrer typischen Spielhaltung sind in Palästina erst seit der römischen Zeit nachweisbar. Seit der hellenistischer Zeit sind auch Panflöten (griech. σῦριγξ syrigx; lat. syrinx; möglicherweise auch in Dan 3,5-15
Verschiedene Arten von Trompeteninstrumenten sind in Palästina belegt: Dies sind, neben verschiedenen archäologisch nachweisbaren Schneckentrompeten (griech. κόχλος kochlos; lat. bucina) vor allem der alttestamentliche שׁוֹפָר šôfār (auch קֶרֶן qæræn / קֶרֶן הַיּוֹבֵל qæræn hajjôvel]; griech. κέρας keras; lat. cornu, bucina) vor allem der alttestamentliche šôfār (auch qæræn [hajjôbel]; griech. κέρας; lat. cornu, bucina) (vgl. 4Q285 Frg. 8). Er taucht im Alten Testament in verschiedenen Zusammenhängen auf: Als militärisches Signalinstrument (z.B. Jos 6,5
Ebenfalls reichlich im Alten Testament, vor allem im Chronistischen Geschichtswerk, belegt sind Längstrompeten (hebr. חֲצֹצְרָה ḥǎṣôṣrâh; griech. σάλπιγξ salpigx; lat. tuba; vgl. 1Chr 15f; 2Chr 5,12-13
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
- Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl., Kassel u.a. 1994-1999
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Biran, A., 1986, The Dancer from Dan, the Empty Tomb, and the Altar Room, IEJ 36, 168-178
- Braun, J., 1999, Die Musikkultur Altisraels / Palästinas (OBO 164), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
- Braun, J., 2002, Music in Ancient Israel / Palestine, Grand Rapids
- Kammerer, S., 1998, Art. Vorderasien B: Syrien und Palästina, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl., Kassel u.a., Sachteil 9, 1790-1816
- Lawergren, B., 1998, Distinctions among Canaanite, Philistine, and Israelite Lyres, and Their Global Lyrical Contexts, BASOR 309, 41-68
- Markoe, G., 1985, Phoenician Bronze and Silver Bowls from Cyprus and the Mediterranean (University of California Publications: Classical Studies 26), Berkeley
- Mitchell, T.C., 1992, The Music of the Old Testament Reconsidered, PEQ 124, 124-143
- Seidel, H., 1989, Musik in Altisrael (BEAT 12), Frankfurt u.a.
Abbildungsverzeichnis
- Ensemble aus Aulos, Trommel und Leier (zypro-phönizische Reliefschale aus Olympia; Eisenzeit II). Aus: H. Gressmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Abb. 457
- Von Aulos, Leier und Trommel begleiteter Reigentanz (zypro-phönizische Reliefschale aus Idalion; Eisenzeit II). Aus: H. Gressmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Abb. 456
- Tonständer mit Musikern („musicians’ stand“) aus Aschdod (Eisenzeit II). Umzeichnung von © Stefan Kammerer für den WiBiLex-Artikel Musik nach Bayer, B., The Finds that could not be, BAR 8, 1982, 32
- Musikantengruppe: Lautenspieler, Aulosbläser, (jugendlicher?) Musiker mit Klangstäben, Tänzer (Orthostaten-Relief aus Karkemisch; 9. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Becken mit Votivinschrift aus ’Elyāchīn (Eisenzeit III). Umzeichnung von © Stefan Kammerer nach Deutsch, R. / Heltzer, M., 1994, Forty New Ancient West Semitic Inscriptions, 73
- Gabelbecken und Beckenspieler. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Zwei Sistren. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Rassel aus Tell Bēt Mirsim (Eisenzeit I). Umzeichnung von © Stefan Kammerer nach Bayer, B., The Finds that could not be, BAR 8, 1982, 21
- Musikantin (Tonfigur aus Tell es-Samak; Eisenzeit II). Umzeichnung von © Stefan Kammerer für den WiBiLex-Artikel Musik nach B. Bayer, The Finds that could not be, BAR 8, 1982, 26
- Tanzender Leierspieler (Fragment eines bemalten Tonständers aus Tell Dēr ‘Allā; Eisenzeit I?). Umzeichnung von © Stefan Kammerer nach Ibrahim, M.M. / van der Kooij, G., Excavations at Deir Alla, 1994, Newsletter of the Institute of Archaeology and Anthropology, Yarmouk University 16, 1994, 17
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