Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: März 2015)

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1. Botanisch

Myrte 1

Die Myrte (Myrtus communis), ein immergrüner Strauch oder kleiner Baum, ist der einzige Vertreter der Familie der Myrtengewächse (Myrtaceae), der im Mittelmeerraum beheimatet ist. Der Gattungsname Myrte wird verschiedentlich vom griechisch μύρον myron „wohlriechendes Salböl / Balsam“ abgeleitet.

In Palästina / Israel ist die Myrte sowohl in feuchten Ebenen wie dem Ufer des → Jordan und im Dan-Tal zu finden als auch auf den Golanhöhen, in Obergaliläa und bisweilen auch auf dem → Karmel, jedoch nicht in ganz trockenen Lagen.

Die Äste des bis zu zwei Meter hohen Strauchs – einige Angaben sprechen sogar von fünf Meter hohen Exemplaren – sind von dunkelgrünen, 3-5 cm langen, lanzettförmigen Blättern umgeben, die gegenständig oder auch in Quirlen von drei Blättern angeordnet sind. Die Blätter sondern durch eine große Anzahl von Drüsen einen starken süßlichen Duft ab. Im Sommer wachsen in den Blattachseln weiße oder auch rosa Blüten; ihre vielen Staubblätter haben gelbe Staubbeutel. Als Frucht entwickeln sich kugelförmige, blauschwarze Beeren.

Das ätherische Öl der Myrtenblätter wird seit der Antike pharmakologisch verwendet, vor allem zur Behandlung der Atemwege; auch als Küchengewürz für Fleischgerichte finden Blätter und Früchte Verwendung.

2. Biblisch

Das Alte Testament erwähnt die Myrte (hebräisch הֲדַס hǎdas) nur sechs Mal, ausschließlich in Texten aus exilisch-nachexilischer Zeit.

2.1. Jes 41,19; 55,13. Im → Deuterojesaja-Buch wird die Myrte in den Heilsaussagen Jes 41,19 und Jes 55,13 genannt, die eine göttliche Verwandlung / Transformation der Natur beschreiben.

Die Heilsankündigung Jes 41,17-20 richtet sich an die „Gebeugten und Armen“ (V. 17), die in der Umwandlung der Natur die schöpferische Macht des „Heiligen Israels“ (V. 20) erkennen sollen: Dazu gehört, dass JHWH Wasserquellen in der Wüste öffnen (V.18) und in die Steppe sieben Baumarten - keine Fruchtbäume! - setzen wird: Neben → Zeder und → Akazie, → Aleppokiefer, → Wacholder, → Zypresse (?) und Ulme (?) auch die duftende Myrte. Die Zusammenstellung der Baumarten aus dem syrisch-palästinischen Raum ist nicht leicht zu erklären, da beispielsweise die Akazie ein Baum der Wüste und Steppe ist und somit in der Wüste und Steppe nichts Besonderes darstellt. Dagegen sind die genannten anderen Baumarten – soweit sie eindeutig bestimmbar sind – hohe Bäume des Libanonwaldes, wo Myrtenbäume bis zu einer Höhe von 1000 Metern vorkommen können. Auch das → Gilgamesch-Epos (V 154) nennt die Myrte als Teil des Zedernwaldes, den Humbaba bewacht. Die Wüste erhält durch diese Baumarten die Dignität des Libanonwaldes. Nach U. Berges (2008, 204) stehen die genannten Bäume für die Exklusivität ihrer Hölzer, die für den Bau des Tempels, des Wüstenheiligtums und diverser Kultgeräte verwendet wurden. Die Myrte zeige sich im ersten Nachtgesicht des Sacharjabuches (s.u.) wie auch durch die Verwendung beim Laubhüttenfest (Neh 8,15; s.u.) ebenfalls als „kultusnah“. Die Transformation der Natur entspreche einer ökonomischen Transformation für die Armen und Elenden. „Dass JHWH die Wüste zum Wassertümpel macht und Bäume in die Wüste setzt (…), sollen sich die Armen als Nutznießer zu Herzen nehmen“ (206).

Die Heilsankündigung Jes 55,12f verheißt den Exilierten, sich freudig und umgeben von Schalom auf den Rückweg zu machen. Involviert in dieses Geschehen des neuen Exodus ist die gesamte Schöpfung: Berge und Hügel werden jubeln und alle Bäume des Feldes werden in die Hände klatschen; statt der lebensfeindlichen → Dornen und → Nesseln werden aber → Wacholder und duftende Myrte aufwachsen – zum Ruhm JHWHs und als ewiges Zeichen, das nicht ausgelöscht werden wird.

2.2. Sach 1,8.10.11. Als Bezeichnung eines Ortes wird die Myrte im sogenannten ersten Nachtgesicht (→ Vision) des → Sacharjabuchs verwendet: Der Reiter auf dem erdfarbenen bzw. roten → Pferd steht „zwischen Myrten, die im Abgrund / Talgrund sind“ (Sach 1,8),. Die Determination weist darauf hin, dass „der Prophet von seinen Lesern bekannten Gegebenheiten spricht“ (Willi-Plein, 2007, 62). Nach Willi-Plein kann ein mythologischer Ort gemeint sein oder eine geographisch eindeutige Größe der Umgebung des Propheten, wohl in oder um Jerusalem, vielleicht im Kidrontal. Dies entspräche auch dem natürlichen Vorkommen der Myrte in schattigen und feuchten Talgründen. In Sach 1,10f wird die lokale Bezeichnung „zwischen den Myrten“ wiederholt, um den Reiter zu charakterisieren.

2.3. Neh 8,15. In Neh 8 wird die Vorschrift der Tora, dass die Israeliten im siebten Monat das → Laubhüttenfest feiern sollen, umgesetzt. Dazu werden die Einwohner aller Städte und Jerusalems aufgerufen, auf das Gebirge zu gehen und Zweige vom → Ölbaum und Zweige des wilden Ölbaums (oder: der Aleppokiefer?) und Zweige der Myrte und Zweige von → Palmen und Zweige von Laubbäumen zu holen, um → Laubhütten zu machen, wie es vorgeschrieben ist. Während hier der Eindruck entsteht, die Zweige seien Baumaterial für die Laubhütten, gehen die Festanweisung in Lev 23,40-42 wie auch 2Makk 10,6f (ohne explizite Nennung der Myrte) davon aus, dass die Zweige in den Händen getragen werden sollen (so auch Josephus, Antiquitates III 10,4).

Myrte 2

Die jüdische Tradition versteht die in Lev 23,40 genannten „dichtbelaubten Zweige“ als Myrtenzweige „und muß darum das Neh 8,15 danebengenannte hadas auf die wilde Myrte beziehen: diese sollte zur Laubhütte, die edle zum Feststrauß verwendet werden“ (Löw, 1924/1967, 260). Auf jeden Fall bildet ein Myrtenzweig zusammen mit Palmzweig, Bachweidenzweig und Etrog (→ Sukkot) den „Lulav“ genannten Feststrauß des Laubhüttenfestes. Umstritten war jedoch, welche Anzahl von Myrtenreisern für den Strauß festzusetzen war: Während R. Ismael einen fordert, verlangt R. Akiba drei. Auch die Länge der Myrtenreiser wird festgelegt: Sie soll drei Handlängen betragen (vgl. Löw, 1924/1967, 261). Die Myrten stehen für die Pflanzen, die nicht verzehrt werden, aber als Heil- und Duftpflanzen einen anderen Zweck erfüllen können.

Der Myrtenduft gilt als der „bevorzugte Duft der Juden“ (Löw, 1924/1967, 261) und wird neben Rosen- und Veilchenduft gestellt. Das ist wohl auch ein Grund, dass die Myrte Verwendung fand im Ritus der Habdala, der Scheidung von Sabbat und Werktag: Der Wohlgeruch der Myrte soll die Sabbatseele jenseits des Sabbats laben (vgl. Löw, 1924/1967, 265-268).

2.4. Der Name Hadassa. In Est 2,7 wird → Ester im mehrsprachigen Susa bei ihrem jüdischen Namen Hadassa (הֲדַסָּה hǎdassāh) genannt. Die Bedeutung des Namens ist nicht ganz klar, jedoch ist die Ableitung von hebräisch הֲדַס hǎdas „Myrte“ am wahrscheinlichsten, denn auch im Griechischen gibt es viele Frauennamen, die die Myrte als Bestandteil aufweisen. In Erwägung gezogen wird auch die Ableitung von akkadisch hadassatu „Braut“. Vorgeschlagen wird ferner, dass der Name Ester das persische Äquivalent zu הֲדַס hǎdas „Myrte“ darstellten könne (vgl. Gerlemann, 1982, 79). In jüdischer Tradition wird Esters Name Hadassa „Myrte“ mit dem Hinweis begründet, dass die Frommen הַהֲדַסִּים hǎdassîm „Myrten“ genannt werden (vgl. Löw, 1924/1967, 271).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Kurzes Bibelwörterbuch, Tübingen / Leipzig 1903
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2. Aufl. 2006

2. Weitere Literatur

  • Becker, J., 1990, Esra / Nehemia (NEB), Würzburg
  • Berges, U., 2008, Jesaja 40-48 (HThK.AT), Freiburg i.Br.
  • Fauna and Flora of the Bible. Help for Translaters, 2. Aufl. 1980, New York
  • Gerleman, 2. Aufl. 1982, G., Esther (BKAT XXI), Neukirchen-Vluyn
  • Hepper, F.N., 1992, Pflanzen der Bibel. Eine illustrierte Enzyklopädie, Stuttgart
  • Löw, I., 1924, Die Flora der Juden, Nachdruck: Hildesheim 1967
  • Neumann-Gorsolke, U. / Riede, P., 2003, Das Kleid der Erde. Pflanzen in der Lebenswelt des alten Israel, Stuttgart / Neukirchen-Vluyn
  • Schunck, K.-D., 2009, Nehemia (BKAT XXIII/2), Neukirchen-Vluyn
  • Willi-Plein, I., 2007, Haggai, Sacharja, Maleachi (ZB.AT 24.4), Zürich
  • Zohary, M., 3. Aufl. 1995, Pflanzen der Bibel, Stuttgart

Abbildungsverzeichnis

  • Myrtus communis. Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 24.3.2015.
  • Der Feststrauß des Laubhüttenfestes („Lulav“) besteht aus Palmzweig, Myrtenzweig und Bachweidenzweig sowie dem Etrog, einer Zitrusfrucht, die für die kultivierten Früchte steht. Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 24.3.2015.

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