Negev
(erstellt: April 2011)
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1. Name
Der alttestamentliche Name נֶגֶב nægæv (neuhebräisch Negev) wird auf eine im Aramäischen belegte Wurzel ngb „vertrocknen“ zurückgeführt und bedeutet daher „trockenes Land“. Im Alten Testament wird nægæv auch zur Bezeichnung der Himmelsrichtung „Süden“ gebraucht, etwa in der Wendung nægbāh „nach Süden“ bzw. „im Süden, südlich“ (u.a. Jos 18,19
2. Lage
Nach heutigem Verständnis bildet der Negev ein Landdreieck, das im Norden durch Gaza und das Südende des Toten Meers abgesteckt ist und im Süden bis zum Roten Meer (Golf von ‘Aqaba) reicht. Das Alte Testament lokalisiert den Negev zwischen dem palästinischen Kulturland und Ägypten (Gen 12,9
Nach alttestamentlichem Verständnis liegt der gesamte Negev in Kanaan (Num 13,17
3. Geschichte
3.1. Voraussetzungen: Klima und verkehrsgeographische Lage
Die geschichtliche Entwicklung im Negev war und ist wesentlich abhängig von zwei Faktoren: dem Klima und der verkehrsgeographischen Lage. Bis auf die äußersten nordwestlichen Teile in der Nähe der Mittelmeerküste ist der Negev geprägt von den Charakteristika des trocken-heißen Wüstenklimas mit hohen Tagestemperaturen und wenig Niederschlag. Die Niederschlagsmengen und damit auch die Voraussetzungen für sesshaftes Wohnen nehmen von Westen nach Osten und von Norden nach Süden kontinuierlich ab. Regenfeldbau ohne zusätzliche Bewässerung ist nur im Nordwest-Negev möglich.
Bereits im Beerscheba-Tal liegen die durchschnittlichen jährlichen Regenmengen unter der Marke von 300 mm, welche die Grenze zwischen Regenfeldbau und Trockengebieten markiert. Im Zentralnegev sinkt der Wert auf 150-100 mm und südlich von Kadesch(-Barnea) ist bei Werten teilweise unter 50 mm keine Siedlungstätigkeit mehr möglich. Andererseits verlaufen durch den Zentralnegev wichtige Handelswege von den Bergbaugebieten in der Araba und vom südlichen Ostjordanland bzw. von der Arabischen Halbinsel nach Gaza ans Mittelmeer. Daher wurden immer wieder Anstrengungen unternommen, den ariden Zentralnegev zu erschließen. Die Geschichte des Negev ist durch Ausgrabungen und archäologische Oberflächenuntersuchungen seit der Mitte des 20. Jh.s vergleichsweise gut erforscht. Aussagekräftige Textdokumente liegen erst für die hellenistische und die römisch-byzantinische Zeit vor.
3.2. Urgeschichtliche Perioden
Die frühesten archäologisch fassbaren Spuren menschlicher Besiedlung im Negev stammen aus dem Paläolithikum (Altsteinzeit, vor dem 10. Jt. v. Chr.) und aus dem Neolithikum (Jungsteinzeit, ca. 7.-5. Jt. v. Chr.). Siedlungsreste dieser Perioden wurden u.a. im Beerscheba-Tal, bei der Oase von Kadesch(-Barnea) und im äußersten Süden der Negev-Wüste nachgewiesen. Möglicherweise herrschte in den genannten Zeiträumen ein etwas feuchteres Klima als heute.
Im Chalkolithikum (5./4. Jt. v. Chr.) war der Bereich des Beerscheba-Tals vergleichsweise dicht besiedelt. Die Fundplätze reichen vom Nordwest-Negev (u.a. Šiqmim, ca. 18 km westlich der heutigen Stadt Beerscheba) bis weit in den nordöstlichen Negev (Tell ‘Arād / Arad; Koordinaten: 1620.0767; N 31° 16' 50", E 35° 07' 34"
3.3. Frühbronzezeit (Ende 4.Jt. - 3. Jt. v. Chr.)
In der Frühbronzezeit I (ca. 3100-2800 v. Chr.) wurde zunächst teilweise die Kultur des ausgehenden Chalkolithikums im Beerscheba-Tal fortgesetzt. Die Siedlungen am Übergang vom 4. zum 3. Jt. könnten im Zusammenhang mit der ersten Phase des intensiven Kupferabbaus in der südlichen Araba bei Timna (Koordinaten: 1448.9107; N 29° 46' 17", E 34° 57' 05"
Die Frühbronzezeit II (ca. 2800-2600 v. Chr.) repräsentiert die erste urbane Kultur im Beerscheba-Tal. Zentrum war die mit einer Stadtmauer und halbrunden Bastionen befestigte ca. 350 x 300 m große Stadtanlage von → Arad
Charakteristisch für die städtische Architektur ist der Bautyp des „Arad-Hauses“, ein rechteckiges Gebäude mit Bänken an den Wänden und einem zentralen Steinpfeiler zur Stützung des Dachs. In der Umgebung von Arad wurden weitere offene Siedlungen der Frühbronzezeit II gefunden, ebenso in der Oase von → Kadesch(-Barnea)
In der Frühbronzezeit III (ca. 2600-2200 v. Chr.) zerfällt die städtische Kultur der Frühbronzezeit II wieder. Der gesamte zentrale Negev bleibt unbesiedelt. Im Beerscheba-Tal sind lediglich auf Chirbet el-Ġarra / Tel Ira (Koordinaten: 1487.0711; N 31° 14' 02", E 34° 59' 17"
3.4. Mittelbronzezeit (ca. 2200-1500 v. Chr.)
Die geschichtliche Entwicklung des Negev in der Mittelbronzezeit verläuft, ähnlich wie in der Frühbronzezeit und wie später in der Eisenzeit, von einer nomadisch-dörflichen Gesellschaft (Mittelbronzezeit I) hin zu einer auf die Randzonen der Region begrenzten urbanen Kultur (Mittelbronzezeit II).
In der Mittelbronzezeit I (auch Frühbronzezeit IV oder „Intermediate Bronze Age“, Ende 3. Jt. v. Chr.) entstanden im ariden Zentralnegev über vierhundert neue offene Ansiedlungen. Kennzeichen sind jeweils mehrere aneinander gebaute Steinkreise, die eine Wohneinheit bilden. An größeren Siedlungsplätzen wie Be’er Resisim (Koordinaten: 1091.0205; N 30° 46' 34", E 34° 34' 28"
Die Erklärungen für den ersten großen Sielungsschub im schwer bewohnbaren Zentralnegev sind unterschiedlich. Finkelstein (1995) geht wiederum davon aus, dass es sich um sesshaft gewordene lokale Nomaden handelte, die dort auch bereits in der Frühbronzezeit lebten, ohne archäologisch erkennbare Spuren zu hinterlassen. Diese These ist schwer nachvollziehbar, da sie auf der Prämisse beruht, dass nomadische Lebensweisen archäologisch nicht nachweisbar sind und dass daher alle archäologisch erkennbaren Siedlungsspuren von sesshaften Kulturen stammen. Eine solche Annahme ist aufgrund archäologischer und ethnoarchäologischer Untersuchungen zu vor- und frühgeschichtlichen, aber auch zu neuzeitlichen nomadischen Gesellschaften nicht haltbar. Daher ist eher anzunehmen, dass es sich bei den Siedlungen der Mittelbronzezeit I im Zentralnegev um temporär genutzte Plätze nomadischer Gruppen handelte (Cohen, Dever, Rosen). Für diese These spricht die Beobachtung, dass die klimatisch vorteilhafteren Regionen im Beerscheba-Tal gar nicht und im Nordwest-Negev nur eingeschränkt genutzt wurden. Auch Friedhöfe ohne Anbindung an feste Siedlungen, wie sie sich im Nordwest-Negev finden, werden als Hinweis auf nomadische Präsenz gedeutet.
Die Mittelbronzezeit I ist generell gekennzeichnet durch einen Niedergang städtischer Lebensweise in Palästina. Nomaden waren jedoch auf den Warenaustausch und auf vertragliche Regelungen mit Städten angewiesen. Fehlten solche Vertragspartner, mussten sich die Nomaden notgedrungen an ihren sonst nur gestreiften Weidegründen, insbesondere an den stadtfernen Winterweiden, für einen längeren Aufenthalt, der auch Landwirtschaft für den Eigenbedarf erlaubte, niederlassen. Hier hatten sie die Rechtssicherheit, dass das Land nicht in absehbarer Zeit von einer eventuell wieder erstarkten Stadt beansprucht wurde. Für eine solche Deutung spricht auch die Verwendung der sogenannten „Negev-Ware“, die erstmals in der Mittelbronzezeit I im Negev neben der herkömmlichen, auf Töpferscheiben geformten Keramik nachgewiesen ist. Bei der „Negev-Ware“ handelt es sich um handgemachte Keramik, die nach entsprechenden Analysen im Negev selbst hergestellt wurde. Fast alle Gefäße gehören zu einem Formtyp, einer ca. 20 cm hohen Schüssel mit einem Durchmesser von ca. 20-30 cm. Die Schüsseln haben eine gerade Gefäßwand und einen flachen Boden. Die in älteren Forschungsbeiträgen vorgeschlagene ethnologische Deutung der „Negev-Ware“ als spezielle Keramik von Gruppen wie den → Kenitern
In der Mittelbronzezeit II (ca. 2000-1500), insbesondere in der späteren Phase dieser Periode (Mittelbronzezeit IIB, 18.-16. Jh. v. Chr.) entwickelte sich die erste flächendeckende Stadtkultur in Palästina. An dieser Entwicklung hatte auch der Negev Anteil. Befestigte Stadtanlagen entstanden auf den Siedlungshügeln des Nordwest-Negev, etwa auf dem küstennahen Tell el-‘Aǧǧūl (→ Tell el-‘Aǧǧūl
Der geschichtliche Hintergrund der aufblühenden mittelbronzezeitlichen Stadtkultur des südlichen Palästina ist in Ägypten zu suchen. Dort herrschten im 17. und 16. Jh. v. Chr. die Pharaonen der sogenannten „Hyksos“-Dynastie (15. Dynastie, nach anderer Zählung 17. Dynastie), die vermutlich auf nach Ägypten eingewanderte semitische Gruppen zurückzuführen sind. Im Ägyptischen werden sie als „Herrscher der Fremdländer“ bezeichnet. Ihre Hauptstadt lag in Auaris im nordöstlichen Nildelta und eine ihrer Hauptinteressen scheint die Kontrolle der Handelswege von Ägypten nach Nordsyrien gewesen zu sein. Daher profitierten die an dieser Wegverbindung gelegenen Regionen vom internationalen Handel, so auch die neu gegründeten Städte im Nordwest-Negev und in geringerem Maße die weiter östlich gelegenen befestigten Plätze im Beerscheba-Tal.
3.5. Spätbronzezeit (15.-12. Jh. v. Chr.)
Zu Anfang der Spätbronzezeit, in der Spätbronzezeit I (15./14. Jh. v. Chr.), wurde die urbane Kultur der Mittelbronzezeit II zumindest in Teilen des Nordwest-Negev weitergeführt. Die befestigten Siedlungen im Beerscheba-Tal wurden jedoch aufgegeben. Im Laufe der Spätbronzezeit II (14.-12. Jh. v. Chr.) finden sich auf einigen Siedlungshügeln des Nordwest-Negev nur mehr einzelne größere Gebäude, die als Festungen oder Residenzen gedeutet werden. Die Siedlungsentwicklung im Negev scheint wiederum eng mit der Politik Ägyptens zusammenzuhängen. Die Pharaonen der 18.-20. Dynastie versuchten verstärkt, Palästina und Teile Syriens direkt zu kontrollieren. Dazu unternahmen sie militärische Expeditionen, etwa Thutmoses III. im 15. Jh. v. Chr. (HTAT, 95-110 Nr. 031-035) und → Merenptah
3.6. Eisenzeit I (12.-10. Jh. v. Chr.)
Die → Eisenzeit I
Das 12. Jh. v. Chr. ist geprägt vom allmählichen Niedergang und dem Ende der ägyptischen Herrschaft über Palästina. An die Stelle der ägyptischen Pharaonen traten seit der zweiten Hälfte des 12. Jh.s v. Chr. neue Eliten, die pauschal als „Seevölker“ bezeichnet werden. In der südlichen Küstenebene Palästinas ließen sich Herrscher nieder, die das Alte Testament → „Philister
Dagegen setzt die Wiederbesiedlung im Beerscheba-Tal erst später in der Eisenzeit I ein. Auf Chirbet el-Mšāš / Tel Masos entstand im ausgehenden 12. oder im 11. Jh. v. Chr. eine ca. 220 x 200 m große offene Siedlung, die man als „Großdorf“ bezeichnen könnte. Die ältesten archäologischen Reste weisen darauf hin, dass der Platz im 12. Jh. v. Chr. zunächst saisonal von nomadischen Gruppen genutzt wurde, bevor sich diese am Übergang zum 11. Jh. v. Chr. sesshaft niederließen. Nach dem Zusammenbruch der mittelbronzezeitlich-spätbronzezeitlichen Stadtkultur in Palästina waren sie wiederum gezwungen, sich an Plätzen auch mit ungünstigen Lebensbedingungen sesshaft niederzulassen. Vermutlich nutzten sie den Ort vor ihrer Sesshaftwerdung lediglich während des Aufenthalts an ihren Winterweiden, ansonsten hielten sie sich im Bereich der Städte in der Küstenebene und im Hügelland der judäischen Schefela auf. Darauf deutet zumindest die Auswertung der Keramik und der Kleinfunde von Chirbet el-Mšāš / Tel Masos. Der Landnahmeprozess im Negev war demnach ein landesinterner Vorgang, der tendenziell von West nach Ost und von Nord nach Süd, also von den Regionen mit günstigeren Lebensbedingungen in die ökologisch weniger gut ausgestatteten Gebiete verlief. Am Anfang könnte die Sesshaftwerdung von Nomaden gestanden haben. Im Verlauf des Prozesses spielte jedoch das Vordringen der bereits sesshaften Gruppen nach Osten und Süden eine immer größere Rolle.
Der archäologische Befund von Chirbet el-Mšāš / Tel Masos deutet zudem darauf hin, dass dieser Ort im 11. Jh. v. Chr. eine wichtige Station auf dem Transportweg der Bergbauprodukte von der Araba zum Mittelmeer war. Offensichtlich konnte die lokale Bevölkerung diesen Handel teilweise wieder selbst kontrollieren. In der Folge, etwa in der Übergangszeit vom 11. zum 10. Jh. v. Chr. entstanden dann auch auf dem Siedlungshügel des alttestamentlichen Beerscheba / Tell es-Seba‘ und in Arad offene Siedlungen.
Der Zentralnegev wurde ebenfalls wieder flächendeckend bis auf die Höhe von → Kadesch(-Barnea)
Die Angaben auf der sogenannten Scheschonq-Liste (HTAT, 233-238 Nr. 102) zeigen, dass die Aktionen neben dem Negev vor allem die Küstenebene, die Jesreelebene und das zentralpalästinische Bergland betrafen und demnach Juda und Jerusalem nicht tangierten (anders 1Kön 14,25f
3.7. Eisenzeit II (10.-6. Jh. v. Chr.)
Die Entwicklung in der Eisenzeit verläuft ähnlich wie in der Mittelbronzezeit von einer landwirtschaftlich geprägten Lebensweise in offenen Siedlungen, die sich über ein weites Gebiet erstrecken, zu einer urbanen Kultur am Nordrand des Negev. Im ausgehenden 10. und im 9. Jh. v. Chr. werden die in der Eisenzeit I entstandenen Anlagen im Zentralnegev aufgegeben. Gleiches gilt für die Siedlung auf Chirbet el-Mšāš / Tel Masos, die möglicherweise als Zentralort des regionalen „chiefdom“ fungierte. Gleichzeitig werden andere Siedlungen im Beerscheba-Tal zu befestigten Anlagen ausgebaut. → Beerscheba
Inwieweit der Negev in dieser Zeit zum Königtum Juda-Jerusalem gehörte, ist schwer zu sagen. Die materielle Kultur an den genannten Orten ist derjenigen auf dem judäischen Bergland südlich von Jerusalem vergleichbar. Ein solcher Befund hat jedoch für die Frage der territorialpolitischen Zugehörigkeit keine hohe Aussagekraft. Die Liste der Städte Judas in Jos 15
Eine komplexere Situation ergibt sich gegen Ende der Eisenzeit II im 7./6. Jh. v. Chr. Sie hängt zusammen mit der politischen Entwicklung im Vorderen Orient zu jener Zeit. Im 7. Jh. v. Chr. versuchten die seit dem 9. und 8. Jh. v. Chr. schrittweise von ihrem Kernland um Assur im nördlichen Zweistromland aus nach Westen und in Richtung Ägypten vordringenden neuassyrischen Großkönige, den Handel mit Duft- und Würzstoffen zu kontrollieren, der über die sogenannte „Weihrauchstraße“ vom Süden der Arabischen Halbinsel ans Mittelmeer nach Gaza führte. Zu der Zeit entstanden im Beerscheba-Tal weitere festungsartige Bauten, die offensichtlich diesen Teil des Handelwegs überwachen sollten, u.a. in Chirbet Ġazze / Chorvat ‘Uzzā ([Chorvat Uzza]; Koordinaten: 1658.0686; N 31° 12' 34'', E 35° 09' 56''
Die Komplexität der im Negev während der ausgehenden Eisenzeit II agierenden Gruppen schlägt sich auch in den archäologischen Funden nieder, die auf kultische Tätigkeiten hinweisen. In Arad entdeckte man ein innerhalb der Festung gelegenes Heiligtum, das aus einem Hof mit Altar und einem Breitraum mit Kultnische besteht. Umstritten ist, in welcher Zeit das Heiligtum genutzt wurde. Einige Indizien deuten darauf hin, dass es nicht im 8./7. Jh. v. Chr., wie die Ausgräber vermuteten, sondern erst im 7./6. Jh. v. Chr. eingerichtet wurde (Ussishkin 1988; dagegen aber Herzog 2002). Sollte dies zutreffen, könnte zum Verständnis des Heiligtums ein Ostrakon herangezogen werden, das ebenfalls aus Arad stammt und in das 6. Jh. v. Chr. zu datieren ist. Die teilweise gestörte Inschrift redet in unklarem Textzusammenhang vom „Haus Jhwhs“ bjt jhwh, also von einem Jhwh-Heiligtum (Arad-Ostrakon 18, HAE I, 382-384). Meist wird die Wendung auf den Jerusalemer Tempel bezogen, der nach alttestamentlicher Überlieferung das einzig legitime Jhwh-Heiligtum in Juda im 7./6. Jh. v. Chr. war (2Kön 22f
An zahlreichen Plätzen, die teilweise bereits in der Eisenzeit I besiedelt waren, wurden Hinweise auf eine Nutzungsphase im 7./6. Jh. v. Chr. gefunden. In der Oase von Kadesch(-Barnea) wurde auf dem Tell el-Qudērāt [Tell el-Quderat]; Koordinaten: 0946.0067; N 30° 38' 26", E 34° 24' 26"
3.8. Eisenzeit III (6.-4. Jh. v. Chr., neubabylonische und persische Zeit)
Aus archäologischer Sicht ist die Geschichte des Negev in der Eisenzeit III ein weitgehend unerschlossenes Kapitel. Das liegt z.T. daran, dass meist das Ende der Eisenzeit in Palästina generell und flächendeckend mit dem Ende der Eisenzeit II gesehen und auf 586 v. Chr. datiert wird, das Jahr der Einnahme Jerusalems durch Truppen des neubabylonischen Königs → Nebukadnezar II.
Archäologische Reste der Perserzeit (5./4. Jh. v. Chr.), etwa attische Keramik und zeitgenössische aramäische Inschriften, sind an nahezu allen Orten des Beerscheba-Tals dokumentiert, die bereits im 7./6. Jh. v. Chr. besiedelt waren. Gleichzeitig zeugen befestigte Straßenstationen im Zentralnegev und perserzeitliche Siedlungsspuren auf dem Tell el-Qudērāt in der Oase von → Kadesch(-Barnea)
3.9. Hellenistische Zeit (4. Jh. v. Chr. - 1. Jh. n. Chr.)
Nach dem Untergang des persischen (achämenidischen) Imperiums und der kurzfristigen Episode des Alexanderreichs gehörte der Negev im 3. Jh. v. Chr. zunächst nominell zum Herrschaftsbereich der ägyptischen Ptolemäer. In dieser Zeit scheint der nördliche Negev weiterhin als Transitland für den Fernhandel und vielleicht auch zur militärischen Kontrolle der nach Ägypten führenden Wegverbindungen gedient zu haben. Auf einigen Siedlungshügeln des Beerscheba-Tals (Tell es-Seba‘ / Beerscheba, Chirbet el-Ġarra / Tel Ira, Chirbet Ġazze / Chorvat Uza, Arad) fanden sich Hinweise auf befestigte Straßenstationen der hellenistischen Zeit, die jedoch lediglich vorläufig beschrieben und nicht näher datiert sind. Die bereits seit dem 7. Jh. v. Chr. anhaltende Dominanz edomitisch-arabischer Gruppen manifestiert sich in der Errichtung der Verwaltungseinheit (Eparchie bzw. Satrapie) Idoumaia im südlichen Palästina. Diese umfasste neben der judäischen Schefela und dem südlichen judäischen Bergland auch die nördlichen Teile des Negev. Idoumaia wird erstmals in den Zenon-Papyri des 3. Jh.s v. Chr. erwähnt. Spätere literarische Zeugnisse setzen die Einrichtung der Eparchie / Satrapie im 4. Jh. v. Chr. voraus (Jericke 2003, 81-86).
Die Einrichtung der Verwaltungseinheit Idoumaia steht möglicherweise im Zusammenhang mit dem Vordringen der aus dem Gebiet um Petra im südlichen Ostjordanland stammenden Nabatäer. Sie verdrängten allmählich die edomitisch-arabischen Gruppen sowohl in Nordwest-Arabien als auch im Zentralnegev. Diese mussten sich in den nördlichen Negev und in das südliche Palästina, eben nach Idoumaia, zurückziehen. Seit dem 3. Jh. v. Chr. gelang es den Nabatäern, den lukrativen Arabienhandel über die „Weihrauchstraße“ zu kontrollieren. Da der Nordrand des Negev jedoch nach wie vor von den edomitisch-arabischen („idumäischen“) Gruppen gehalten wurde, legten die Nabatäer einen neuen Verkehrsweg an, der von ihrem Hauptort Petra über den Zentralnegev nach Gaza führte, die „Petra-Gaza-Straße“. Im Zentralnegev wurden dazu befestigte Plätze eingerichtet, die allmählich zu städtischen Siedlungen heranwuchsen. In einer ersten Phase ab dem 3./2. Jh. v. Chr. waren dies Oboda / Chirbet ‘Abde / ‘Avdat (Koordinaten: 1282.0227; N 30° 47' 42'', E 34° 46' 26''
3.10. Römische Zeit (1.-4. Jh. n. Chr.)
Den Römern gelang es zunächst, im Nordwest-Negev und im Beerscheba-Tal Grenzfestungen anzulegen. Dort wurde Idoumaia der Provinz Judaea angegliedert. Im Jahr 106 n. Chr. besiegten die Römer die Nabatäer entscheidend. Territorialpolitisch wurde dies durch die Einrichtung der Provinz Arabia Petraea dokumentiert. Die neue Provinz war weitgehend mit dem vormals von den Nabatäern kontrollierten Gebiet identisch und umfasste demnach auch den Zentralnegev. Der Nordwest-Negev und das Beerscheba-Tal verblieben vorerst bei Judaea. Seit 135 n. Chr. gehörten diese beiden Regionen zur neu eingerichteten großen Provinz Syria-Palaestina und ab 193/194 n. Chr. zur Provinz Palaestina, die durch eine Dreiteilung der Großprovinz entstanden war. Die Römer übernahmen zwar nominell die Kontrolle des Arabienhandels von den Nabatäern, de facto waren sie bei der effektiven Durchführung der Handelsgeschäfte weiterhin auf die Kooperation mit der lokal ansässigen Bevölkerung angewiesen. So finden sich Hinweise auf nabatäische Kultur in den Siedlungen des Zentralnegev bis in das 2., teilweise bis in das 3. Jh. n. Chr. Da der römische Limes jetzt weit ins Ostjordanland vorgeschoben war, erlebte der Negev in dieser Zeit eine Phase relativer Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität. Am Ende des 3. Jh.s n. Chr., zur Zeit des Kaisers Diokletian, versuchten die Römer, ihre inzwischen instabil gewordene Herrschaft über die Länder des Vorderen Orients durch eine erneute Verwaltungsreform zu festigen. Dabei entstanden die Provinzen Palaestina I-III. Die nördlichen Teile des Negev gehörten zu Palaestina I, der Zentralnegev zusammen mit der Sinaihalbinsel zu Palaestina III Salutaris. Ab dem ausgehenden 4. Jh. kam der Negev mit ganz Syrien-Palästina unter die Kontrolle der oströmischen („byzantinischen“) Kaiser.
3.11. Byzantinische Zeit (4.-7. Jh. n. Chr.)
In byzantinischer Zeit erlebte der Negev eine vorher und auch später nie wieder erreichte Siedlungsdichte und eine damit verbundene wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Im Beerscheba-Tal wurden Kirchenbauten (Tell el-Milḥ / Tel Malchata) und ein Kloster (Chirbet el-Mšāš / Tel Masos) entdeckt. Allein im Nachal Jattir, einem Seitental des Beerscheba-Tals, wurden bei Oberflächenuntersuchungen mehr als 90 Siedlungsplätze aus byzantinischer Zeit verzeichnet. Die ehemaligen Hauptorte der Nabatäer im Zentralnegev wurden zu großen Städten mit Kirchen und Klöstern ausgebaut. Elousa war seit dem 5. Jh. n. Chr. bis in frühislamische Zeit (7./8. Jh. n. Chr.) Bischofssitz. Über den gesamten Negev hin bis zur Oase von Kadesch(-Barnea) erstreckten sich offene Siedlungen. Der Arabienhandel wurde verstärkt auf dem Seeweg abgewickelt, deshalb wurde landwirtschaftliche Produktion ein wichtiger ökonomischer Faktor. Darüber informieren u.a. Inschriften aus Nessana („Nessana-Papyri“). Auch archäologisch ist eine flächendeckende landwirtschaftliche Aktivität nachgewiesen. Bei fast allen offenen Siedlungen finden sich Terrassenmauern, die zur Gewinnung planer Flächen für den Anbau dienten.
Die lokale Bevölkerung der byzantinischen Zeit perfektionierte ein Bewässerungssystem, das auf wesentlich einfacherem Niveau bereits ab dem 4. Jt. v. Chr. im Negev und auf der Sinaihalbinsel nachgewiesen ist. Dabei wurde der Steinbelag von den Abhängen der Trockentäler geräumt und zu Steinhaufen (arab. Telēlat el-‘Anab „Weinbeerhügel“) geschichtet. Durch dieses Verfahren wurde das schnelle Versickern des in den Wintermonaten fallenden Regenwassers verhindert, weil die steinfreien Flächen bei einsetzendem Regen an der Oberfläche eine wasserundurchlässige Schicht bilden. Das darauf ablaufende Regenwasser wurde in Steinkanälen aufgefangen und zu den Terrassenfeldern geleitet. Michael Evenari konnte im 20. Jh. eine solche „run-off“-Bewässerung auf einer Versuchsfarm bei ‘Avdat nachbauen und dabei zeigen, dass sich auf diese Weise erstaunliche Erträge erzielen lassen.
3.12. Ausblick
Die byzantinische Kultur im Negev konnte sich teilweise noch bis in die frühislamische Zeit (7./8. Jh. n. Chr.) erhalten. Danach waren der Zentralnegev und die östlichen Teile des Beerscheba-Tals über Jahrhunderte Einzugsgebiet beduinischer Stämme. Die heute im Zentralnegev zu findenden Ansiedlungen dienen industriellen oder militärischen Zwecken. Der letztgenannte Aspekt hat seit dem Friedensabkommen zwischen den Staaten Israel und Ägypten im Jahr 1979 mit der Grenzziehung auf Höhe der Oase von Kadesch(-Barnea) an Bedeutung gewonnen. Die wenigen verbliebenen Beduinen beschränken sich auf die Nutzung von Quellen und Brunnen. Das Dienstleistungszentrum des Negev ist die moderne Stadt Beerscheba (Be’er Scheva‘), die an der Stelle des römisch-byzantinischen Bērosaba (Bīr es-Seba‘, Koordinaten: 1304.0720; N 31° 14' 15'', E 34° 47' 35''
Literaturverzeichnis
Datenbank Ortsangeben der Bibel (odb)
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- Rosenthal-Heginbottom, R. (Hg.), 2003, The Nabateans in the Negev, Haifa
- Rothenberg, B., 1967, Negev. Archaeology in the Negev and the Arabah, Tel Aviv
- Rothenberg, B., 1973, Timna. Das Tal der biblischen Kupferminen, Bergisch-Gladbach
- Singer-Avitz, L., 1999, Beersheba – A Gateway Community in Southern Arabian Long-Distance Trade in the Eight Century B.C.E., TA 26, 3-74
- Singer-Avitz, L., 2002, Arad: The Iron Age Pottery Assemblages, TA 29, 110-214
- Singer-Avitz, L., 2004, „Busayra Painted Ware“ at Tel Beersheba, TA 31, 80-89
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- Ussishkin, D., 1988, The Date of the Judaean Shrine at Arad, IEJ 38, 142-157
- Ussishkin, D., 1995, The Rectangular Fortress at Kadesh-Barnea, IEJ 45, 118-127
Abbildungsverzeichnis
- Karte zum Negev. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Sede Boqer im Zentralnegev. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- En ‘Avdat im Zentralnegev. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Mizpe Ramon im Zentralnegev. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Die Oase Kadesch-Barnea am Südrand des Negev. © Detlef Jericke
- Timna im südlichen Negev. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2015)
- Das frühbronzezeitliche Arad. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Das Arad-Haus (Rekonstruktion) mit Bänken und Mittelsäule. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Beerscheba, eine Landstadt im nördlichen Negev. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Arad, eine Festung im nördlichen Negev. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Kultnische des Heiligtums in Arad mit zwei Mazzeben (Eisenzeit II). © Wolfgang Zwickel
- Tell el-Qudērāt in der Oase von Kadesch-Barnea. © Detlef Jericke
- Nabatäisches Lager in ‘Avdat. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- ‘Avdat im Zentralnegev. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Byzantinische Basilika in ‘Avdat. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Versuchsfarm zur Bewässerung bei ‘Avdat. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
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