(erstellt: August 2009)
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Das Phänomen des Neides spielt vor allem in der Mythologie Griechenlands eine große Rolle, insbesondere bei der Vorstellung, dass Götter anderen Göttern oder den Menschen etwas neiden. Diese Vorstellung gibt es im Alten Testament – zumindest vordergründig – nicht. JHWH kann zwar als ein „eifersüchtiger Gott“ (→ Eifersucht Jahwes
Insgesamt geht das Alte Testament spärlich mit den Begriffen „Neid / neidisch sein“ und deren Umschreibungen um; in der jüdischen Literatur der hellenistisch-römischen Zeit und in der rabbinischen Literatur wird das Motiv des Neides hingegen breiter ausgemalt.
1. Terminologie und religionsgeschichtliche Verortung
Sprachlich gesehen zeigt das Lexem „Neid“ keine einheitliche Begrifflichkeit im Alten Testament. Oft lässt sich der Neid nur aus dem Kontext erschließen, ohne dass sich ein hebräisches Äquivalent findet (so z.B. bei der Erzählung von Kain und Abel in Gen 4,1ff
Möglich ist auch eine Wiedergabe des Neidisch-Seins durch eine (bildliche) Umschreibung mit Hilfe des Wortes „Auge“. In 1Sam 18,9
Öfter wird jemand als „(Mann mit) bösem Blick“ bezeichnet (רַע עַיִן ra‘ ‘ajin in Spr 23,6
Der einzige Beleg für einen metaphorischen Gebrauch vom „Neid“ findet sich in Ez 31,9
In der → Septuaginta
2. Der „göttliche Neid“
Das Motiv des „Götterneides“ (φϑόνος ϑεῶν phthónos theōn) spielt vor allem im griechischen Pantheon eine große Rolle. Zwar ist der φϑόνος das erste Mal in Pindars 10. pythischer Ode aus dem Jahre 498 erwähnt, doch zeigt die Knappheit im Ausdruck „deutlich, daß das Konzept des φϑόνος ϑεῶν in der Literatur schon vor dem 5. Jh. v. Chr. etabliert gewesen sein muß“ (Rakoczy, 257). Im 5. Jh. v. Chr. wird schließlich Herodot „wie kein zweiter antiker Autor mit dem Götterneid in Verbindung gebracht“ (Rakoczy, 264), während diese Vorstellung im 4. Jh. v. Chr. kaum mehr vorhanden ist (vgl. Rakoczy, 266).
Die Vorstellung, dass der Gott des Alten Testaments neidisch ist, findet sich an keiner Stelle im AT explizit erwähnt, doch könnte man hinter Gen 3
Vom Neid des biblischen Gottes ist erst in jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit die Rede. Dementsprechend liest man in Vita Adae et Evae (ca. 100-200 n. Chr.; vgl. Merk / Meiser, 765; Text Pseudepigraphen
Schließlich lebt die Vorstellung, Gott habe in der → Paradieserzählung
Der jüdische Religionsphilosoph → Philo von Alexandria
In hellenistisch-römischer Zeit ist in Bezug auf Gen 3
3. Der „menschliche Neid“
Am bekanntesten hinsichtlich des menschlichen Neides sind die Geschichten der → Genesis
3.1. Der Neid Kains auf Abel
Kain erschlägt seinen Bruder Abel, da dieser anscheinend von JHWH bevorzugt wird. Ein hebräischer Begriff für „Neid / neidisch“ ist in dieser Erzählung allerdings nicht zu finden. Es ist lediglich davon die Rede, dass Kain zornig wird (Gen 4,5
Die Septuaginta gibt der Erzählung von Kain und Abel eine andere Konnotation, da sie für das „zornig Werden“ nicht ein Standardäquivalent, sondern λυπέω lypéō „betrübt sein“ verwendet. Nach A. Kim expliziert diese Wiedergabe das Motiv für den Mord deutlicher als der hebräische Text, da durch λυπέω lypéō auch ausgesagt werden kann, dass Kain „neidisch“ war (vgl. Kim, 77).
In den Interpretationen der nachbiblischen Schriften spielt der „Neid“ in Gen 4
3.2. Der Neid der Erzmütter
Der Neid der Erzmütter (→ Erzeltern
3.3. Der Neid der Brüder auf Josef
Nach der biblischen Erzählung wurde → Josef
3.4. Der Neid auf Mose und Aaron
Zu der Erzählung vom Aufstand der „Rotte“ → Korach
3.5. Der Neid Sauls auf David
Ungewöhnlich wird im Hebräischen der Neid Sauls auf David ausgedrückt, da nicht die sonst übliche Wurzel קנא qn’, sondern die Wurzel עין ‘jn (עַיִן ‘ajin „Auge“) verwendet wird: ויהי שׁאול עון wajjəhî šā’ûl ‘owen „und Saul sah (neidisch)“ (1Sam 18,9
4. Der Neid in ethischen Zusammenhängen
Vor allem in weisheitlichen Schriften wird vor dem Neid mit dem hebräischen Vetitiv אַל־תְּקַנֵּא al təqanne’ „sei nicht neidisch!“ gewarnt. Man soll demnach nicht neidisch auf den Übeltäter (Ps 37,1
Genauso soll man sich hüten, selbst Neid auf seinen Bruder zu empfinden (Dtn 15,9
Der Neid ist etwas, vor dem es sich zu hüten gilt. Im Umkehrschluss kann der Neid auch als Fluch in Dtn 28,54
5. Zusammenfassung
Vom Neid ist im Alten Testament relativ selten die Rede. Die Vorstellung eines „göttlichen Neides“ ist, wenn überhaupt, nur hinter Gen 3
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979 (ThWNT)
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff (ThWAT)
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004 (TRE)
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007 (RGG)
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001 (NBL)
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992 (ABD)
2. Weitere Literatur
- Böttrich, C., 2008, Die „Anatomie des Neides” im Spannungsfeld zwischen jüdischer und christlicher Paränese, BThZ 25, 52-74
- Fuhs, H.F., 2001, Sprichwörter (NEB.AT Lfg. 35), Würzburg
- Kim, A.Y., 2001, Cain and Abel in the light of envy: a study in the history of the interpretation of envy in Genesis 4.1-16, JSP 12, 65-84
- Lanzillotta, L.R., 2007, The Envy of God in the Paradise Story according to the Greek Life of Adam and Eve, in: A. Hilhorst / É. Puech / E. Tigchelaar (Hgg.), Flores Florentino. Dead Sea Scrolls and Other Early Jewish Studies in Honour of Florentino García Martínez, Leiden / Boston, 537-550
- Malherbe, A.J., 1986, Moral Exhortation, A Greco-Roman Sourcebook (LEC IV), Philadelphia
- Merk, O. / Meiser, M., 1998, Unterweisung in erzählender Form. Das Leben Adams und Evas (JSHRZ II), Gütersloh
- Rakoczy, T., 1996, Böser Blick, Macht des Auges und Neid der Götter. Eine Untersuchung zur Kraft des Blickes in der griechischen Literatur (Classica Monacensia 13), Tübingen
- Schmitt, R., 2004, Magie im Alten Testament (AOAT 313), Münster
- Ulmer, R., 1994, The Evil Eye in the Bible and in Rabbinic Literature, Hoboken / N.J.
- van Unnik, W.C., 1972, Der Neid in der Paradiesgeschichte nach einigen gnostischen Texten, in: M. Krause (Hg.), Essays on the Nag Hammadi Texts in Honour of Alexander Böhlig (Nag Hammadi Studies III), Leiden, 120-132
- Westermann, C., 3. Aufl. 1983, Genesis (BK I/1), Neukirchen
- Witte, M., 1998, Die biblische Urgeschichte. Redaktions- und theologiegeschichtliche Beobachtungen zu Genesis 1,1-11,26 (BZAW 265), Berlin / New York
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