Deutsche Bibelgesellschaft

Neujahrsfest (AT)

(erstellt: April 2008)

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1. Biblische Grundlagen

Im Alten Testament wird der Terminus Rosch ha-Schana, der wörtlich „Anfang des Jahres“ bedeutet, noch nicht für das Neujahrsfest verwendet, sondern erst in späterer Tradition (vgl. Midrasch Rosch ha-Schana). Dennoch ist nach den alttestamentlichen Texten ein Festtag zu begehen, der sich terminlich mit Rosch ha-Schana deckt und auf dessen Anfänge verweist. Die Grundlagen dafür sind in Lev 23,23-25; Num 29,1-6 zu finden. Num 10,1-10; Ez 45,20; Ps 81,4 und Neh 8,1-12 bieten zusätzliche Informationen.

Der „Tag des Lärmblasens“ (Num 29,1) als Neujahrfest ist nicht mit dem großen Herbst- bzw. Neujahrsfest gleichzusetzen, das u.a. in Babylon und Ugarit gefeiert wurde, dessen Verhältnis zum Laubhüttenfest forschungsgeschichtlich eine wichtige Rolle spielt und das zu zahlreichen Theoriebildungen angeregt hat (dazu siehe → Laubhüttenfest 3.3.).

2. Name und Datum des Festes

Das Alte Testament kennt zwei Bezeichnungen für das Neujahrsfest: šabbātôn zikhrôn tərû‘āh „Ruhetag mit Lärmblasen zur Erinnerung“ (Lev 23,24) und jôm tərû‘āh „Tag des Lärmblasens“ (Num 29,1). Der Festtag fällt auf den ersten Tag des siebten Monats, einen Neumondtag (→ Sabbat; dort auch zum Verhältnis Sabbat und Neumondtag).

3. Der Festcharakter

Die Hinweise der Festkalender fallen ausgesprochen kurz aus. Man erfährt den Namen des Festes sowie das Datum und findet Angaben zu den darzubringenden Opfern. Dennoch lässt sich über den Charakter des Festtages einiges entnehmen. Der Festkalender Lev 23 ist von einer Sabbatstruktur geprägt. Er setzt mit dem Sabbat als dem höchsten Feiertag ein. Damit ist eine Siebenerstruktur auf Wochenebene vorgegeben. Auch der Tag des Lärmblasens erhält in Lev 23,24 einen Zusatz, nämlich šabbātôn. Dieser ist nicht dem Sabbat gleichzusetzen, aber dennoch ein sabbatähnlicher Feiertag, zu dem Festversammlung und Arbeitsverbot gehören. Des Weiteren ist auch hier die Siebenerstruktur von Zeit von Bedeutung, denn es handelt sich um den ersten Tag des siebten Monats. Was der Sabbat für die Woche, ist der siebte Monat für das Jahr – ein besonders herausragender Festmonat, in dem auch der → Jom Kippur und das → Laubhüttenfest zu feiern sind. Dieser hohe Festmonat wird durch den Tag des Lärmblasens eingeleitet.

Das Lärmblasen, üblicherweise mit dem Schofar, einem gekrümmten Widderhorn, ausgeführt, dient dazu, Aufmerksamkeit zu erregen (vgl. im Kult: Jo 2,15; Ps 98,6; Ps 150,3; Überführung der Lade: 2Sam 6,15; Ps 47,6; 1Chr 15,28; im Krieg: Jer 6,17; Jer 42,14; Ez 33,3-6; Am 3,6). Num 10,1-10 verbindet das Lärmblasen, ausgeführt mit einer Trompete (→ Musik / Musikinstrumente), mit der „Erinnerung“. Wie in einem Gebet werden Töne zu Gott gesandt, damit er Israels gedenken möge. Doch auch an Israel ist der Ton gerichtet: Allen, die den Ton hören, wird bekannt gemacht, dass ein hoher Feiertag zu begehen ist, dass ein Gottesdienst stattfindet und Arbeitsruhe herrscht.

In späterer Zeit wird das Blasen des Schofar als symbolische Handlung gedeutet. Es soll die Gläubigen daran erinnern, dass Abraham dem Herrn anstelle seines Sohnes einen Widder geopfert hat (Gen 22).

Laut Neh 8 findet am ersten Tag des siebten Monats eine Toralesung durch Esra statt. Es handelt sich hier, der Erzählfolge nach, um die erste öffentliche Lesung in Jerusalem nach dem Exil, in deren Folge das Laubhüttenfest gefeiert wird. Damit fällt ein für die nachexilische Gemeinde einschneidendes Ereignis auf diesen Feiertag, den Tag der Ruhe, der Festversammlung und des In-Erinnerung-Bringens. Der Tag, der später den Jahresanfang markiert, markiert hier einen Neuanfang im Umgang mit der Tora für die nachexilische Gemeinde.

Ps 81 beleuchtet die Bedeutung dieses Festtages, eines Neumondtages. Ps 81,4 fordert auf, am Neumondtag den Schofar zu blasen und ebenso am Tag „unseres Festes“, dem ersten Tag des Laubhüttenfestes. Hier wird der Festmonat mit den beiden Feiertagen und dem Blasen des Schofar umrissen.

Neben der Siebenerstruktur von Zeit ist die Zweiteilung des Jahres durch die Äquinoktien im Frühjahr und im Herbst von Bedeutung. Sie wird in Ez 45,18-20 aufgegriffen. Dieser Text sieht eine zweimal im Jahr durchzuführende Reinigung des Tempels vor. Dafür sind der erste Tag des ersten und der erste Tag des siebten Monats vorgesehen.

Dass der Tag des Lärmblasens schließlich zum Rosch ha-Schana, und damit zum ersten Tag des Jahres wird, hängt damit zusammen, dass der Jahresbeginn in Israel traditionell in den Herbst fällt. Mit der konsequenten Einführung der Monatszählung ist der Tag des Lärmblasens auch der erste Tag des Monats, in dem es zur Tag- und Nachtgleiche des Herbstes und damit zum Jahreswechsel (bəṣe’t haššānāh „Hinausgehen / Herauskommen des Jahres“ Ex 23,16) kommt. Was das Alte Testament noch nicht ausführt, geschieht in der Mischna. Der Tag des Lärmblasens wird zum Neujahrsfest.

Die Priesterschrift führt in Ex 12,2 eine Monatszählung ein, die den ersten Monat im Frühling ansetzt, dem Monat, in dem auch Passa gefeiert wird. Zwei verschiedene Zählweisen sind so im Festkalender Israels miteinander kombiniert. Mehr dazu s. → Passa.

Literaturverzeichnis

  • Albani, M., 2006, Israels Feste im Herbst und das Problem des Kalenderwechsels in der Exilszeit, in: E. Blum / R. Lux (Hgg.), Festtraditionen in Israel und im Alten Orient, (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 28), Gütersloh, 111-156
  • Körting, C., 1999, Der Schall des Schofar. Israels Feste im Herbst (BZAW 285), Berlin u.a.
  • Milgrom, J., 2000, Leviticus 23-27 (AB 3B), New York u.a.
  • North, R., 1977, Art. ḥādāš, in: ThWAT, Bd. 2, Stuttgart, 759-780
  • Sendrey, A., 1970, Musik in Alt-Israel, Leipzig
  • Weyde, K.W., 2004, The Appointed Festivals of JHWH (FAT II 4), Tübingen

Abbildungsverzeichnis

  • Schofarhornbläser aus Mari (18. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Schofar- oder Widderhorn im alten Israel. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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