Numeri
(erstellt: Januar 2007)
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1. Name
Der vierte Teil des seit dem 1. Jh. n. Chr. auf die → Tora
Daneben wird in der jüdischen Tradition das Buch auch einfach nach dem ersten Wort wajjədabber „Und ER sprach“ oder bəmidbar „In der Wüste (Sinai)“ genannt (vgl. Num 1,1
2. Inhalt
Zum Inhalt s. Tabelle 1.
3. Entstehungsgeschichte
Die Überlieferungen des Numeribuches waren in allen Phasen ihrer Entstehung nie selbständig, sondern stets Teile von Erzählzyklen, welche die legendäre Wanderung der 12 Stämme Israels durch die Wüste beschrieben (→ Wüstenwanderung
Außerhalb des → Exodusbuches
Die Überlieferungen des Numeribuches waren in allen Phasen ihrer Entstehung nie selbständig, sondern stets Teile von Erzählzyklen, welche die legendäre Wanderung der 12 Stämme Israels durch die Wüste beschrieben (→ Wüstenwanderung
Enge, teilweise wörtliche Parallelen zum Numeribuch finden sich nur in der Erzählung von der gescheiterten Landnahme und in der Erzählung von der Landnahme im Ostjordanland. Der deuteronomistische Verfasser, dessen Wirken in der Regel nach dem Untergang des letzten jüdischen Königreichs 586 v. Chr. in der Zeit des babylonischen Exils und nach der Begnadigung des letzten Davididen Jojachin durch den babylonischen König Amelmarduk im Jahre 560 v. Chr., also in einer Zeit neu aufkeimender Hoffnung angesetzt wird, nutzt die Wüstenüberlieferung als Folie für eine Erzählung über die Bestrafung des Ungehorsams und Unglaubens Israels: Erst nachdem die ungläubige Generation ausgestorben ist, wird deren Kindern erneut die Chance gewährt, das Land der Verheißung aus der Hand Gottes entgegenzunehmen und wieder zu besiedeln.
Diese These prägt auch die Darstellung in Num 13-14. Ein genauer Textvergleich macht deutlich, dass der Deuteronomist auf eine ältere Form der Wüstenwanderungs- und Landnahmeerzählung zurückgegriffen hat, von der Teile in Num 13-14 noch erhalten geblieben sind. Dabei scheint er bewusst einzelne Elemente ausgelassen zu haben, wie z.B. die Überlieferung vom Einfluss der Midianiter auf Mose (Ex 18; Num 10,29-32
Seit jeher ist aufgefallen, dass der Deuteronomist keinerlei Bezüge zu dem Wüstenheiligtum und den kultischen Ordnungen in Num 1-10; 15-19; 26-31 und 33-36 kennt. Daraus hat man geschlossen, dass in diesen Texten eine eigene, von Priestern verfasste Quelle, die sog. „Priesterschrift“ zu Worte komme, die erst in der Zeit nach dem Exil nach dem Wiedererstehen des Tempels in Jerusalem durch priesterliche Redaktoren mit der älteren Wüstenerzählung verbunden worden sei. Einzelne Stücke der ältesten Wüstenwanderungserzählung dieser Priesterschrift, deren Kernbestand in den Büchern Genesis – Exodus mit Anhängen im Buch → Leviticus
Freilich ist diese auf der Quellen-Theorie beruhende Analyse in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr bestritten worden, weil der aus priesterlicher Sonderüberlieferung bestehende Erzählfaden Teil einer redaktionellen Verbindung von vorexilischem Erzählmaterial, deuteronomistischer Landnahmeerzählung (Dtn-Jos) und priesterlichen Überlieferungen ist. So stellt sich die Frage, ob die auf die kultischen und rituellen Ordnungen bezogenen Texte im Numeribuch ursprünglich in eine vom Kontext der von Gen – Jos reichenden Erzählung im Rahmen einer besonderen Rolle der Priesterschrift nach und nach hinzugefügt worden sind oder ob nicht große Teile, besonders Num 1-10; 15; 16-19; 26-31; 33-36, schon die Verbindung einer um die Anweisungen aus dem Leviticusbuch und das darin enthaltene Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26) ergänzten Priesterschrift mit dem übrigen Erzählmaterial voraussetzen.
In jedem Fall wird mit einem sukzessiven Prozess der erweiternden Fortschreibung der Texte in der Zeit nach dem Bau des zweiten Tempels zwischen 520 bis in die spätpersische Zeit (4. Jh. v. Chr.) hinein gerechnet. Dabei sind verschiedene Phasen anzunehmen:
■ eine Phase zwischen 520 und 450 (vor Nehemia), in der vorexilisches Material, deuteronomistische Landnahmeerzählung und wahrscheinlich auch eine frühe Form der Priestergrundschrift miteinander zu einer von der Väterzeit bis zur Landnahme reichenden Erzählung (Gen-Jos = Hexateuch) verbunden wurden.
■ Sodann eine Phase in der 2. Hälfte des 5. Jh.s bis zu Esra (ca. 398 v. Chr.), in der unter dem Einfluss priesterlicher Schulen das Heiligkeitsgesetz dieser Erzählung eingefügt wurde und die Mosezeit als Zeit der Offenbarung der Tora in den Vordergrund der religiösen Verkündigung trat. In dieser Zeit erhielten die Bücher Gen-Dtn durch eine besondere Pentateuchredaktion, die auch das Numeribuch geprägt hat, gegenüber dem → Josuabuch
■ Schließlich folgt eine Phase der priesterlichen Bearbeitungen, in der kultische und sakrale Rechtsordnungen besonders in Num 5-9; 15; 18; 19; 28-30; 34-36 und auch späte Legenden (Num 1-4; 10*; 11 (Ältesten-Erzählung); 16-17; 26-27; 31) sowie das eigentümliche Stationenverzeichnis der Wüstenwanderung Num 33 eingearbeitet wurden. In dieser Phase erhält das Numeribuch als eigenständiger Teil des Pentateuchs in einer eigenen Buchgestalt bzw. Schriftrolle seine endgültige Form. Einer der wichtigsten Texte aus diesem Zusammenhang ist der → „Aaronitische Segen
4. Der historische Hintergrund der Wüstenwanderungsüberlieferungen und deren theologische Verarbeitung
Der historische Kern der Exodus-Wüsten-Überlieferung geht vermutlich zurück auf Geschehnisse anlässlich der Flucht einer semitischen, proto-israelitischen, vielleicht den → Schasu-Beduinen
Nach Ex 13,17-22
Da ist die Rede vom „Bitterwasser“ → Mara
Die ältere → Wüstenwanderungsüberlieferung
Ein zweites grundlegendes Motiv, das mit der Wüstenwanderung verbunden ist, ist das der Bewährung des Volkes in der Anfechtung. Wohl unter dem Einfluss der deuteronomistischen Anschauungen erscheint die Wüstenwanderung von Anfang bis Ende (Ex 15-Num 25) als eine Geschichte der Rebellion gegen Gott, des Unglaubens und der Bundesbrüche. All dies bewirkt die Verzögerung der Landnahme und das Aussterben der Exodusgeneration in der Wüste. Erst der Generation der Nachkommen und wenigen im Glauben Bewährten wird es gewährt, das Verheißungsland zu betreten. Die Darstellung der Eroberung des Ostjordanlands noch zur Mosezeit erscheint als ein Angeld der Erfüllung der Landverheißung (Num 21; 32*). An ihrem Höhepunkt wird die → Bileam-Legende
Im Zuge der Pentateuchredaktion wurden die Murrgeschichten der Wüstenwanderungserzählung (Num 11-14.16; Num 21,4-9
Der Blick auf die bevorstehende Landnahme, der sich nach der älteren Schicht der Erzählungen am Ende von Schittim (s. Abel-Schittim → Abel in Ortsnamen
Der Topos der Wüstenwanderung blieb auch in der Gebets- und Lehrdichtung der Perserzeit Gegenstand stets neuer Reflexion (Ez 20; Am 5,25ff
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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2. Kommentare
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