Deutsche Bibelgesellschaft

(ca. 730-715 v. Chr.)

(erstellt: April 2010)

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1. Namen und Familie

Osorkon IV. (Geburtsname: Wsrkn mrjj-Jmn; Thronname: ‘3-chpr-R‘ stp.n-Jmn [?]) herrschte von etwa 730 bis um 715 v. Chr. nach Ausweis der Siegesstele des → Pije über Bubastis und die Region von → Tanis (Ra-nefer). Nach traditioneller Auffassung war Osorkon IV. als Nachfolger Scheschonqs V. der zehnte und letzte Herrscher der 22. Dynastie (Kitchen). Andere identifizieren ihn dagegen mit einem von Manetho der 23. Dynastie zugeordneten Osorkon, der der Nachfolger Petubastis’ II. gewesen ist (Priese, Lloyd, Aston, Beckerath). Demnach bestand die 23. Dynastie nicht parallel zur 22. Dynastie, sondern setzte diese fort. Während die Identität seines Vaters also nicht genau feststeht, war seine Mutter wohl die Gottesmutter und königliche Gemahlin Ta-di-bast.

Osorkon IV. ist sicher mit einem (U)shilkanni in den Annalen → Sargons II. von → Assyrien identisch. Sein Thronname wird auf der Pije-Stele nicht genannt. Daher ist es umstritten, ob der auf einem Relieffragment und einem Siegel aus Leiden belegte Thronname ‘3-chpr-R‘ stp.n-Jmn zu Osorkon IV. gehört (Schneider 1985; Kitchen 1996, 2009) oder einem Osochor (Osorkon der Ältere, 21. Dynastie) zuzuweisen ist (Payraudeau 2000).

2. Historischer Abriss

Als Osorkon IV. um 730 v. Chr. den Thron Ägyptens bestieg, war Ägypten in mehrere Fürstentümer geteilt. Die Pije-Stele nennt unter den unterworfenen Lokalfürsten neben Osorkon IV. auch Tefnacht von → Sais, Iuput II. von → Leontopolis, Paief-tjau-em-aui-bastet von Herakleopolis und Namert (Nimlot) (D) von → Hermopolis. Tatsächlich unterwarf sich Osorkon IV. kurz nach seiner Thronbesteigung, als Pije in seinem 21. Regierungsjahr → Memphis eroberte.

Ob Osorkon IV. mit einem → So, König von Ägypten, identisch ist, den → König Hosea von Israel um 726/725 v. Chr. um militärische Unterstützung gegen → Salmanassar V. bat (2Kön 17,4), ist wiederum umstritten. Während Kenneth A. Kitchen und Schipper diese These vertreten (Schipper 1999, 151-153), haben sich Hans Goedicke und Jean Yoyotte für die Lesung von So als Ortsnamen Sais ausgesprochen. Damit wäre nicht Osorkon IV., sondern Tefnacht von Sais der Adressat des Hilfsgesuchs gewesen. Der Feldherr Re‘e (R‘j3 oder R3j3), der um 720 v. Chr. vergeblich → Hanun von → Gaza bei Raphia zu Hilfe gegen → Sargon II. von Assyrien eilte, wurde wohl nicht, wie von Kitchen und Schipper angenommen, von Osorkon IV., sondern von → Schabaqo geschickt. Als Sargon II. schließlich um 716 v. Chr. und bis nach Wādī l-‘Arīš vordringt, unterwirft sich Osorkon IV., indem er ihm zwölf Pferde als Tribut übergibt.

Bis auf das Relieffragment aus Leiden gibt es keine Hinweise auf Bautätigkeiten unter Osorkon IV. Ebenso wenig bekannt ist, wo der König bestattet wurde.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Lexikon der Pharaonen, 2. Aufl. München 1994

2. Texteditionen

  • Jansen-Winkeln, K., 2007, Inschriften der Spätzeit Teil II. Die 22.-24. Dynastie, Wiesbaden
  • Ritner, R.K., 2009, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Writings from the Ancient World 21), Atlanta

3. Weitere Literatur

  • Beckerath, J.v., 1999, Chronologie des pharaonischen Ägypten. Die Zeitbestimmung der ägyptischen Geschichte von der Vorzeit bis 332 v. Chr. (Müchner Ägyptologische Studien 46), Mainz, 94-99
  • Goedicke, H., 1963, The End of „So, King of Egypt“, Bulletin of the American Schools of Oriental Research 171, 64-66
  • Jansen-Winkeln, K., 2006, Third Intermediate Period, in: E. Hornung / R. Krauss / D.A. Warburton (Hgg.), Ancient Egyptian Chronology (Handbuch der Orientalistik 83), Leiden / Boston, 234-263
  • Kitchen, K.A., 1996, The Third Intermediate Period in Egypt (1100-650 BC), 3. Auflage, Warminster, 88, 116-117, 355, 372-376, 551-552
  • Kitchen, K.A., 2009, The Third Intermediate Period in Egypt: An Overview of Fact & Fiction, in: G.P.F. Broekman / R.J. Demarée / O.E. Kaper (Hgg.), The Libyan Period in Egypt: Historical and Cultural Studies into the 21st - 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007 (Egyptologische uitgaven 23), Leiden, 161-202
  • Leahy, A., 1990, Abydos in the Libyan Period (with appendix: The Twenty-third Dynasty), in: ders. (Hg.), Libya and Egypt (c1300-750 BC), London 1990, 155-200
  • Payraudeau, F., 2000, Remarques sur l’identité du premier et du dernier Osorkon, Göttinger Miszellen 178, 75-80
  • Schipper, B.-U., 1998, Wer war „Sō’, König von Ägypten“ (2Kön 17,4)?, Biblische Notizen 92, 71-84
  • Schipper, B.U., 1999, Israel und Ägypten in der Königszeit: Die kulturellen Kontakte von Salomo bis zum Fall Jerusalems (Orbis Biblicus et Orientalis 170), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
  • Schneider, H.D., 1985, A Royal Epigone of the 22nd Dynasty: Two Documents of Osorkon IV in Leiden, in: P. Posener-Kriéger (Hg.), Mélanges Gamal Eddin Mokhtar (BdE 97.2), Kairo, 261-267

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