Deutsche Bibelgesellschaft

Otter / Viper

(erstellt: Juni 2008)

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1. Zoologie

Die giftigen Vipern oder Ottern („Röhrenzähner“) sind in Amerika, Afrika, Europa und Asien verbreitet. Die meist unauffällig erdbraun oder oliv gefärbten Schlangen erreichen je nach Art eine Länge zwischen 30cm und über zwei Metern, wobei der Schwanz kurz und der dreieckige Kopf deutlich vom Hals abgesetzt ist. Vipern sind normalerweise dämmerungs- bzw. nachtaktiv und verfügen daher über senkrecht stehende schmale Pupillen.

Die röhrenartigen Giftzähne der Vipern befinden sich bei geschlossenem Maul eingeklappt im Gaumen und richten sich beim Aufreißen des Mauls senkrecht zum Oberkiefer auf. Während ungiftige Schlangen alle ihre Zähne in das Opfer schlagen, wird das Gift der Viper nur durch die beiden Giftzähne in den Körper des Opfers injiziert. Das Gift der meisten Vipern wirkt, indem es Blutzellen zerstört und durch Proteine die Blutgerinnung verhindert, so dass das Opfertier an inneren Blutungen verendet. Einige Arten können auch das Nervensystem der Opfer lähmen.

2. Altes Testament

Die Viper wird im Alten Testament mit verschiedenen Lexemen bezeichnet. Die hebräischen Begriffe צֶפַע ṣæfa‘ / צִפְעוֹנִי ṣif‘ônî; שְׁפִיפוֹן šəfîfôn; אֶפְעֶה ’æf‘æh spielen onomatopoetisch auf das Zischen und Züngeln der Schlangen an.

Im Alten Testament werden Ottern bzw. Vipern vor allem wegen ihrer Giftigkeit genannt. Giftschlangen gehören zu den Repräsentanten der gegenmenschlichen Welt. Metaphorisch dienen sie dazu, die Zerstörungskraft frevelhaften Redens und Handelns zu unterstreichen.

2.1. Palästinaviper und Arabische Sandrasselotter

Hinter dem Begriff צֶפַע ṣæfa‘ / צִפְעוֹנִי ṣif‘ônî (Jes 14,29; Jes 59,5; Jes 11,8; Spr 23,32) verbirgt sich vermutlich die Palästinaviper (vipera palaestinae), eine Unterart der kleinasiatischen Bergotter (vipera xanthina). Die Palästinaviper lebt in Tälern in der Nähe von Siedlungen, nicht aber in den Hügelregionen. Sie wird bis zu 130 m lang und jagt in der Nacht. Menschen greift sie normalerweise nicht an, tritt man aber aus Versehen auf sie, ist ihr Biss für den Menschen tödlich.

Das Wort אֶפְעֶה ’æf‘æh (Jes 30,6; Jes 59,5; Hi 20,16) bezeichnet vielleicht die Arabische Sandrasselotter (echis coloratus). Sie lebt entfernt von menschlichen Siedlungen, ihr Biss ist auch für den Menschen tödlich. Während die Palästinaviper zischt, wenn sie sich angegriffen fühlt, gibt die Sandrasselotter einen Laut von sich, der an ein Weinen erinnert. Ihre Lebenszeit kann bis zu 20 Jahre betragen.

Nach Jes 30,6 suchen Löwen und die Giftschlagen Viper (אֶפְעֶה ’æf’æh) und → Saraf die unbewohnbare Gegenwelten zur geordneten Zivilisation heim (vgl. Dtn 8,15; Herodot, Historien II 75; III 107-109, Text gr. und lat. Autoren). Die Viper (צֶפַע ṣæfa‘ / צִפְעוֹנִי ṣif’ônî) wird im Zusammenhang mit der Unheilsprophezeiung gegen Philistäa in Jes 14,29 genannt. Sie steigert das Bild Gefährlichkeit der Schlange (נָחָשׁ nāchāš) und wird selbst wiederum von den fliegenden Sarafschlangen (→ Serafim) überboten (vgl. Am 5,19). Jer 8,17 droht mit dem Tod durch den Biss der Viper (אֶפְעֶה ’æf‘æh). Hier findet sich der Zusatz, dass die Viper nicht beschworen werden kann. Daraus lässt sich schließen, dass es wohl ein Beschwörungssystem gegen Schlangenbisse gegeben hat. Demgegenüber ist es nach Jes 11,8 ein Zeichen der Heilszeit, dass Kinder ohne Gefahr mit Giftschlangen (אֶפְעֶה ’æf‘æh) spielen.

Spr 23,32 spricht bildhaft davon, dass zuviel Wein wie eine Schlange (נָחָשׁ nāchāš) beißt und Gift spritzt wie eine Viper (צִפְעוֹנִי ṣif‘ônî). Nach Jes 59,5 brüten diejenigen, die unrecht handeln, ihr giftiges Tun wie Viperneier (צִפְעוֹנִי ṣif‘ônî) aus, aus denen kleine Giftschlangen (אֶפְעֶה ’æf‘æh) schlüpfen, die die Sünder töten. Ähnlich beschreibt Hi 20,16 (אֶפְעֶה ’æf‘æh), wie sich der reiche Gottlose selbst an seinem Reichtum und seiner Gottlosigkeit vergiftet.

2.2. Hornviper

Das hapax legomenon עַכְשׁוּב ‘akhšûv steht in Ps 140,4 parallel zu dem Wort „Schlange“ (נָחָשׁ nāchāš). Vermutlich handelt es sich daher ebenfalls um eine Schlangenbezeichnung (anders Bodenheimer, 1962, 289, im Anschluss an die These Tur-Sinais, dass eine Verschreibung für עַכָּבִישׁ ‘akkāvîš „Spinne“ vorliegt). Vielleicht ist wieder eine Hornvipernart gemeint (cerastes cornutus; Riede, 2000, 231), nämlich wohl entweder die Wüsten-Hornviper (cerastes cerastes) oder die ebenfalls in Israel-Palästina verbreitete Persische Trughornviper (pseudocerastes persicus fieldi). In Ps 140,4 dient das Bild der Beschreibung der Bosheit der Feinde, die wie eine Schlange (נָחָשׁ nāchāš) reden und unter ihren Lippen das Gift von Vipern haben.

Der Begriff שְׁפִיפוֹן šəfîfôn ist ein hapax legomenon, das sich in Gen 49,17 findet. Vielleicht handelt es sich hierbei ebenfalls um eine Hornviperart, möglicherweise um die 50cm lange cerastes hasselquistii (Riede, 2000, 231). Sie lauert vergraben im Sand, nur ihre Augen und die beiden Höcker auf dem Kopf sind sichtbar. Vögel halten die Höcker für Würmer und werden so angelockt. Das Gift der etwa 70 cm langen Hornviper ist nur für Mäuse und kleine Vögel tödlich. Gen 49,17 vergleicht den Stamm Dan mit der klugen Schlange (נָחָשׁ nāchāš) und der listigen Hornviper. Die Gefahr, die von dem kleinen Stamm ausgeht, liegt in dessen List und der unerwarteten Gefahr. Wie die Hornviper lauert er unerkannt auf dem Weg und greift plötzlich und tödlich an.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006

2. Weitere Literatur

  • Bodenheimer, F.S., 1962, Art. Serpent I. Names and Identifications, in: IDB IV, 289.
  • Feliks, J., 1962, The Animal World of the Bible, Tel Aviv
  • Janowski, B. u.a. (Hgg.), 1993, Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn
  • Keel, O., 2003, Schwache alttestamentliche Ansätze zur Konstruktion einer stark dualistisch getönten Welt, in: A. Lange / H. Lichtenberger / K.F.D. Römheld (Hgg.), Die Dämonen. Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen und frühchristlichen Literatur im Kontext ihrer Umwelt – Demons. The Demonology of Israelite-Jewish and Early Christian Literature in Context of their Environment, Tübingen, 211-236
  • Riede, P., 2000, Im Netz des Jägers. Studien zur Feindmetaphorik der Individualpsalmen (WMANT 85), Neukirchen-Vluyn
  • Riede, P., 2002, Im Spiegel der Tiere. Studien zum Verhältnis von Mensch und Tier im alten Israel (OBO 187), Freiburg (Schweiz) / Göttingen

Abbildungsverzeichnis

  • Otter. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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