Paränese (AT)
(erstellt: September 2006)
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1. Begriff
Der Begriff „Paränese“ kommt von griechisch παραίνεσις (paraínesis) „Empfehlung / Rat / Ermahnung“. In der Stoa kann der Begriff für den Teil der Philosophie verwendet werden, der aus der Lehre mahnend praktische Konsequenzen zieht (Seneca, Epistulae morales 95,1; Text lat. Autoren
Die alttestamentliche Wissenschaft verwendet den Begriff „Paränese“ nur selten und nicht klar definiert (anders Gammie). Etabliert hat er sich allein in der Deuteronomium-Forschung im Blick auf den mahnenden Charakter der Reden des Mose im Deuteronomium (vgl. schon → Philo
2. Paränetische Texte im Alten Testament
2.1. Paränetische Reden
In einem engeren Sinne kann man Texte als Paränesen bezeichnen, die als Anrede an den Leser oder eine Erzählfigur formuliert sind und dazu auffordern, Gutes zu tun oder Gottes Gesetze und Gebote zu beachten. Die Grundform einer solchen Paränese kann dementsprechend in einem auffordernden Verb des Beachtens oder Tuns mit einem Gesetzesterminus als Objekt bestehen. Heilsankündigungen können hinzutreten und der Paränese einen werbenden Ton geben: „Erfüllt das Gesetz, damit es euch gut geht“. Das → Bundesbuch
2.2. Weitere paränetische Texte
In einem weiteren Sinn können auch Texte als paränetisch gelten, die zwar keine mahnende Anrede enthalten, aber auf der Ebene der Textpragmatik zum rechten Verhalten auffordern. Diese Texte erhalten erst dadurch einen paränetischen Charakter, dass Leserinnen und Leser sie – ob vom Autor intendiert oder nicht, spielt keine Rolle – auf sich applizieren und als Mahnung verstehen.
1. Erzählungen von paränetischen Reden. Innerhalb von → Erzählungen
Sofern die unter 2.1. genannten paränetischen Rede in einen narrativen Kontext eingebetet sind, sich also formal gesehen nicht an Leserinnen und Leser, sondern an Erzählfiguren richten, sind sie unter Berücksichtigung dieses Kontexts zu den Erzählungen von paränetischen Reden zu rechnen. Auch die prophetischen Mahnworte richten sich formal gesehen nur an die Hörer des jeweiligen Propheten, spätestens im Kontext des Buches jedoch an einen viel weiteren Kreis, nämlich den der jeweiligen Leser.
2. Positive und negative Wertungen. Alle Texte, die Wertungen enthalten, animieren ihre Leserinnen und Leser implizit dazu, das positiv Bewertete zu tun, und haben insofern eine mahnende Funktion und eine paränetische Dimension.
Beispielsweise haben Erzählungen angesichts der Vorbildfunktion des Helden bzw. der positiven und negativen Wertungen, die der Erzähler in welcher Form auch immer einbringt, in der Regel auch eine paränetische Aussageebene. So kann die Josefserzählung angesichts der Vorbildfunktion der Identifikationsfigur Josef als Ermahnung zur Vergebung und die Jona-Erzählung angesichts der positiven Bewertung der Umkehr der Einwohner Ninives als Aufforderung zur Buße (vgl. die Verlesung des Buches an → Jom Kippur
a) in weisheitlichen Sprüchen und Psalmen mit ihren Aussagen über Gerechte und Frevler (z.B. Spr 10,7
b) in Geschichtsrückblicken, die den Untergang Israels mit der Schuld des Volkes erklären (→ deuteronomistisches Geschichtswerk
c) in prophetischen Gerichtsworten, die künftiges Unheil mit bereits begangenen Sünden begründen;
d) in bedingten Heils- und Unheilsankündigungen, nach denen die künftigen Taten der Menschen für ihr Ergehen ausschlaggebend sind (z.B. Lev 26
e) in Erzählungen, in denen der vorbildlich tugendhafte Held paradigmatisch gerettet (z.B. → Daniel
All diese in sich sehr verschiedenartigen Textgruppen sind von der Vorstellung geprägt, dass es einen Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen gibt und dass das Tun des Guten zu Erfolg und besserem Leben führt (→ Tun-Ergehen-Zusammenhang
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
2. Weitere Literatur
- Finsterbusch, K., Das gesetzesparänetische Schema im Deuteronomium, BN 103 (2000), 53-63
- Gammie, J.G., Paraenetic Literature: Toward the Morphology of a Secondary Genre, Semeia 50 (1990), 41-77
- Perdue, L.G., The Social Character of Paraenesis and Paraenetic Literature, Semeia 50 (1990), 5-39
- Perdue, L.G., The Death of the Sage and Moral Exhortation. From Ancient Near Eastern Instructions to Graeco-Roman Paraenesis, Semeia 50 (1990), 81-109
- Westermann, C., Mahnung, Warnung und Geschichte. Die Paränese Deuteronomium 1-11; in: H.M. Niemann / M. Augustin / W.H. Schmidt (Hgg.), Nachdenken über Israel, Bibel und Theologie (FS K.-D. Schunck; Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des antiken Judentums 37), Frankfurt/M. u.a. 1994, 51-67
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