Perikope
(erstellt: August 2018)
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1. Begriffsklärung
Als Perikope bezeichnet man einen Textabschnitt der Bibel, der für die Lesung im Gottesdienst oder einer entsprechenden gottesdienstlichen Form vorgesehen ist und im Normalfall der Predigt zugrunde liegt. Teilweise werden Bibelabschnitte – gerade in exegetischer Literatur – auch allgemein als Perikope benannt, die Verortung als Losung im liturgischen Kontext ist jedoch grundlegend, um von einer Perikope zu sprechen.
Der Begriff leitet sich ab von griechisch περικόπτειν perikóptein „rings umhauen / umschneiden“. Die Abgrenzung einer Perikope ist dabei grundsätzlich unabhängig von gängigen Textuntergliederungen wie beispielsweise Kapitel- oder Verseinteilungen und stimmt deshalb nicht immer mit den dort vorfindlichen Grenzen überein. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, wenn Perikopen über Kapitelgrenzen hinweggehen, verschiedene Textteile miteinander verbinden oder auch Textelemente auslassen (vgl. beispielhaft Perikopen aus der früheren Perikopenordnung der VELKD Jes 62,6-7.10-12
Einzelne Perikopen sind in Perikopenordnungen nach systematischen oder inhaltlichen Kriterien den Sonntagen, Feiertagen oder auch Werktagen im Kirchenjahr zugeordnet. In unterschiedlichen kirchlichen Gemeinschaften finden sich dabei je eigene Perikopenordnungen.
2. Historische Entwicklung
2.1. Antikes Judentum und Urchristentum
Vermutlich bereits seit dem 3. Jh. v. Chr. wurde am Sabbat ein vorgegebener Textabschnitt aus der → Tora
Diese Leseordnungen wurden im Laufe der Zeit erweitert. So weist z.B. Lk 4,17
Auch für die urchristliche Gemeinde waren Bibellesungen fester Bestandteil des Gottesdienstes. Inwieweit diese aus der synagogalen Lesetradition hervorgegangen sind, ist umstritten, wird jedoch häufig so vertreten. Mit Blick auf die ersten Gemeinden wird man von einer Vielzahl unterschiedlicher Lesepraktiken auszugehen haben, eine vereinheitlichende Lesetradition dürfte erst im Laufe der Zeit entstanden sein: Im Zuge einer Hierarchisierung und Sakralisierung scheinen sich mehrheitlich zwei Lesungen pro Gottesdienst durchgesetzt zu haben, von denen je eine aus den Evangelien stammte. Diese stand offenbar immer an letzter Stelle der Lesungen und war von Beginn an das wichtigste Element der Lesungen.
2.2. Entwicklung von Perikopenordnungen
Erste Leselisten finden sich im 5. Jh., Epistel- und Evangelienlisten ab dem 7. Jh. n. Chr. Besonders durch die fränkisch-karolingische Liturgiereform im 8. und 9. Jh. bildeten sich eine Epistel- und eine Evangelienreihe heraus, wobei alttestamentliche Lesungen nur vereinzelt und vor allem an Festtagen mit aufgenommen wurden.
Die reformatorische Betonung der Auslegung der verlesenen Schrift führte zu einer verstärkten Reflexion sowohl in der reformatorischen Bewegung als auch in der römisch-katholischen Kirche. So entwickelten sich Perikopenordnungen in der lutherischen und der römisch-katholischen Kirche. Die reformatorische Bewegung mit Zwingli und → Calvin
3. Wichtige aktuelle Perikopenordnungen im deutschsprachigen Raum
3.1. Römisch-katholische Kirche
Als Reaktion auf die Betonung der (gottesdienstlichen) Lesungen durch die Reformation beschloss die römisch-katholische Kirche 1570 ein Missale Romanum, das auch eine verbindliche Leseordnung enthielt. Diese Leseordnung war bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil gültig und wurde 1969 durch die Ordo lectionum missae ersetzt. Diese sieht in drei Lesejahren für jeden Sonntag drei Lesungen vor (Altes Testament, Epistel, Evangelium).
3.2. Protestantische Kirchen
Im Evangelischen Gottesdienstbuch ist die Leseordnung für die Evangelische Kirche der Union (EKU) und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) ausgeführt. Diese beinhaltet für die Lesungen einen jährlich wiederkehrenden Zyklus (Evangelium, Epistel) und für jeden Sonntag einen im sechsjährlichen Zyklus wechselnden Predigttext.
Die reformierte Kirche sieht weiterhin von einer Perikopenordnung ab und überlässt der Predigerin bzw. dem Prediger die Textwahl, die aber grundlegend orientiert sein soll an der lectio continua bzw. semicontinua.
3.3. Perikopenrevision im Auftrag von EKD, UEK und VELKD
Im Jahr 2018 wurde eine Überarbeitung der Perikopenordnung in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), UEK und VELKD abgeschlossen. Dabei ging es nicht um einen Systemwechsel, sondern um eine moderate Revision der bestehenden Ordnung. Unter anderem wurde ein sinnvolles Miteinander von alttestamentlichen Texten, Evangelien und Episteln in jeweils einer Predigtreihe angestrebt. Zudem wurden bewusst mehr alttestamentliche Texte aufgenommen und biblische Frauengestalten stärker in den Perikopentexten berücksichtigt. Die neue Perikopenordnung „Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder“ (OGTL) trat zum 1. Advent 2018 in Kraft.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004 (Art. Schriftlesung)
- Evangelisches Kirchenlexikon, 3. Aufl., Göttingen, 1986-1997
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. u.a. 1993-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
- Handbuch der Liturgik, 3. Aufl., Göttingen 2003
- Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, 3. Aufl. (Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte), Berlin / New York 2007 (Art. Perikope)
2. Weitere Literatur
- Schade, H.v. / Schulz, F. (Hgg.), 1978, Perikopen. Gestalt und Wandel des gottesdienstlichen Gebrauchs (reihe gottesdienst 11), Hamburg
- Lutherisch Liturgische Konferenz Deutschlands (Hg.), 3. Aufl. 1986, Perikopenbuch, Hannover
- Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Hg.), 3. Aufl. 2005, Evangelisches Gottesdienstbuch, Berlin
- Melzl, Th., 2011, Die Schriftlesung im Gottesdienst. Eine liturgiewissenschaftliche Betrachtung, Leipzig
- Grethlein, Chr., 2013, Was gilt in der Kirche?, ThLZ.F 27 (2013), Leipzig
- Geschäftsführung Perikopenrevision (EKD, UEK und VELKD) (Hg.), 2014, Neuordnung der gottesdienstlichen Lesungen und Predigttexte: Entwurf zur Erprobung, Hannover
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