Perisiter
Andere Schreibweise: Pheresiter, Perizzites
(erstellt: März 2019)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/30760/
Bei den Perisitern handelt es sich nach den biblischen Autoren um eine Volksgruppe, die vor der eigentlichen → Landnahme
1. Name
Die etymologische Ableitung des Völkernamens Perisiter, der stets mit dem Artikel determiniert ist und als Kollektivbegriff für die damit verbundene Bevölkerungsgruppe eintritt, ist schwierig. Auch wenn immer wieder versucht wird, diesen Namen mithilfe einer kleinasiatischen Etymologie zu erklären (s.u.), ist es dennoch wahrscheinlicher, dass der Name Perisiter innersemitisch abgeleitet werden kann. Meist wird an eine Ableitung von der hebräischen Wurzel פרז PRZ gedacht, die mit dem arabischen Lexem faraza „trennen / absondern“ verbunden werden kann (Niemann). Schon Hieronymus hat den Namen Ferezaei als „separantes sive disseminati“ gedeutet (Hier Nom 6:14f.)
Aufgrund dieser Etymologie bezeichnet der Begriff Perisiter vermutlich den nichturbanen Bevölkerungsteil, dem die Kanaanäer als Stadtbevölkerung gegenüberstehen (Groß). Das Gentiliz hat sich folglich aus der Bezeichnung für eine Bevölkerung entwickelt, die keinen Zugang zu befestigten Bereichen hatte (Sasson), sondern abgetrennt davon lebte. Die Perisiter sind folglich mit der Landbevölkerung gleichzusetzen (Na’aman 1988).
2. Biblische Überlieferung
Die Gruppe der Perisiter wird immer wieder auf unterschiedlich langen Völkerlisten genannt (Gen 15,20
Daraus, dass die Perisiter in der → Völkertafel
Auch im Buch Genesis werden die Perisiter mit den Kanaanäern zusammengestellt (Gen 13,7
Die Verbindung von Perisitern und Refaitern in Jos 17,15
Manchmal wurde sogar vermutet, dass die „Perisiter“ (przj) eine Anspielung auf die Perser (prsj) seien. Mit dem Doppelausdruck „Kanaanäer und Perisiter“ habe man folglich die Vorbewohner (Kanaanäer) und die realen Mitbewohner (Perisiter = Perser) im Blick (Jericke). Ob hier aufgrund der ähnlichen Konsonanten eine verdeckte Anspielung vorliegt, ist jedoch fraglich.
Selbst nach der biblischen Landnahme scheinen die Perisiter nicht endgültig vertrieben zu sein (Ri 3,5
Aus alledem folgt: Nach den biblischen Autoren sind die Perisiter im nördlichen Teil des zentralpalästinischen Gebirges beheimatet gewesen, bevor sie von den Israeliten vertrieben wurden. Allerdings sind die meisten Stellen literarisch erst relativ spät entstanden, sodass mit diesen Erwähnungen keine gesicherten Informationen für eine historische Topographie gegeben sind. So kann mit den biblischen Texten bestenfalls eine literarische Topographie entworfen werden.
3. Soziologische Verortung
Aufgrund der etymologischen Ableitung von einer Wurzel פרז PRZ könnte es sich bei den Perisitern um die Bevölkerung in den unbefestigten Weilern handeln. Hiervon wären dann die Kanaanäer zu unterscheiden, die in den befestigten Städten wohnen (Dozeman). Dementsprechend wäre der Begriff Perisiter zunächst kein wirklicher Volksname gewesen, sondern eine soziologische Bezeichnung für die Bewohner des Berglandes, die in unbefestigten Dörfern wohnten (Stager). Erst sekundär habe dann der Begriff Perisiter die Konnotation einer ethnischen Bezeichnung erhalten (Hostetter).
Eine Ableitung, die die Perisiter lediglich soziologisch als Bewohner einer bestimmten Art von Ortschaft deutet, ist allerdings nicht ohne Probleme. Denn es stellt sich die Frage, weshalb man diese Gruppe als feindliche, nichtstädtische „Draußen“-Bevölkerung bezeichnete, obschon → Israel
4. Lokalisierung
Da man den Namen Perisiter mit anatolischen Eigennamen verbinden kann, hat man bisweilen daran gedacht, dass diese Volksgruppe ursprünglich aus Kleinasien stammt. In der Amarnakorrespondenz (→ Amarnabriefe
Darüber hinaus werden die Perisiter in dem Gebiet mātupi-ri-in-du lokalisiert (Lemaire), das vermutlich in Kilikien zu suchen ist. Gegen eine Verbindung dieser Ortsangabe mit den biblischen Perisitern sprechen jedoch vor allem sprachliche Argumente (Niemann). Ein ägyptischer Beleg auf einer Liste Ramses’ II. auf der Ostwand des Vorhofs in Luxor ist leider zu fragmentarisch (Görg), als dass hier ein weiterer Beweis für die kleinasiatische Herkunft dieser Gruppe gegeben wäre.
Darüber hinaus ist fraglich, ob die Perisiter eine Untergruppe der Seevölkergruppe der → Philister
Welche Bevölkerungsgruppe somit ursprünglich mit den Perisitern gemeint ist und woher die Perisiter tatsächlich stammen, lässt sich nicht mehr sicher entscheiden. Ausweislich der biblischen Texte siedelten die Perisiter zumindest im mittelpalästinischen Gebirge.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- The Interpreter's Dictionary of the Bible, New York 1962.
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979.
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich 1991-2001.
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992.
- Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000.
- The New Interpreter's Dictionary of the Bible, Nashville 2006-2009.
2. Weitere Literatur
- Ballhorn, E., 2011, Israel am Jordan. Narrative Topographie im Buch Josua (BBB 162), Bonn.
- Böhl, F., 1911, Kanaanäer und Hebräer. Untersuchungen zur Vorgeschichte des Volkstums und der Religion Israels auf dem Boden Kanaans (BWAT 9), Leipzig.
- Boling, R.G., 1982, Joshua (Anchor Bible 6), Garden City.
- Butler, T.C, 2. Aufl. 2014, Joshua 13-24 (Word Biblical Commentary 7B), Grand Rapids.
- Dozeman, T.B., 2015, Joshua 1-12 (Anchor Yale Bible 6B), New Haven.
- Ederer, M., 2017, Das Buch Josua (Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testament 5/1), Stuttgart.
- Fritz, V., 1994, Das Buch Josua (HAT I/7), Tübingen.
- Gaß, E., 2005, Die Ortsnamen des Richterbuches in historischer und redaktioneller Perspektive (ADPV 35), Wiesbaden.
- Gaß, E., 2012, Perisiter – Hiwiter – Jebusiter. Gentilizia in Zentral- und Nordpalästina, in: E. Gaß / W. Groß (Hgg.), Studien zum Richterbuch und seinen Völkernamen (SBAB 53), Stuttgart, 323-362.
- Ginsberg, H.L. / Maisler, B., 1934, Semitised Ḫurrians in Syria and Palestine, JPOS 14, 243-267.
- Görg, M., 1976, Ḥiwwiter im 13. Jahrhundert v.Chr., UF 8, 53-55.
- Groß, W., 2009 Richter (HThKAT), Freiburg.
- Hess, R.S., 1993, Amarna Personal Names (ASOR Dissertation Series 9), Winona Lake.
- Hess, R.S., 1996, Joshua. An Introduction and Commentary (Tyndale Old Testament Commentaries 6), Nottingham.
- Hostetter, E.C., 1995, Nations Mightier and More Numerous. The Biblical View of Palestine’s Pre-Israelite Peoples (BIBAL Dissertation Series 3), Richland Hills.
- Jericke, D., 1997, Die Landnahme im Negev. Protoisraelitische Gruppen im Süden Palästinas. Eine archäologische und exegetische Studie (ADPV 20), Wiesbaden.
- Kallai, Z., 1990, The Land of the Perizzites and the Rephaim (Joshua 17,14-18), in: C. Brekelmans / J. Lust (Hgg.), Pentateuchal and Deuteronomistic Studies. Papers Read at the XIIIth IOSOT Congress Leuven 1989 (BEThL 94), Leuven, 197-205.
- Lemaire, A., 2006, Hiwwites, Perizzites et Girgashites. Essai d’Identification Ethnique, in: H.M. Niemann / M. Augustin (Hgg.), Stimulation from Leiden. Collected Communications to the XVIIIth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament, Leiden 2004 (BEAT 54), Frankfurt, 219-224.
- Lipiński, E., 2018, Toponymes et Gentilices Bibliques face à l’Histoire (OLA 267), Leuven.
- Margalith, O., 1988, The Hivites, ZAW 100, 60-70.
- Mittmann, S., 1970, Beiträge zur Siedlungs- und Territorialgeschichte des nördlichen Ostjordanlandes (ADPV), Wiesbaden.
- Moran, W.L., 1992, The Amarna Letters, Baltimore.
- Na’aman, N., 1988. Canaanites and Perizzites, BN 45, 42-47.
- Na’aman, N., 1991, Amarna ālāni pu-ru-zi (EA 137) and Biblical ‘ry hprzy / hprzwt („Rural Settlements“), ZAH 4, 72-75.
- Neef, H.-D., 1995, Ephraim. Studien zur Geschichte des Stammes Ephraim von der Landnahme bis zur frühen Königszeit (BZAW 238), Berlin.
- Niemann, H.M., 1993, Das Ende des Volkes der Perizziter. Über soziale Wandlungen Israels im Spiegel einer Begriffsgruppe, ZAW 105, 233-257.
- Rösel, H.N., 2011, Joshua (Historical Commentary on the Old Testament), Leuven.
- Sasson, J.M., 2014, Judges 1-12. A New Translation with Introduction and Commentary (The Anchor Yale Bible 6D), New Haven.
- Seebass, H., 1982, Das Haus Joseph in Jos. 17,14-18, ZDPV 98, 70-76.
- Simons, J., 1959, The Geographical and Topographical Texts of the Old Testament (SFSMD 2), Leiden.
- Stager, L.E., 1988, Archaeology, Ecology and Social History. Background Themes to the Song of Deborah, in: J.A. Emerton (Hg.), Congress Volume Jerusalem 1986 (VT.S 40), Leiden, 221-234.
- Strobel, A., 1976, Der spätbronzezeitliche Seevölkersturm. Ein Forschungsüberblick mit Folgerungen zur biblischen Exodusthematik (BZAW 145), Berlin.
- Webb, B.G., 2012, The Book of Judges (NICOT), Grand Rapids.
Abbildungsverzeichnis
- Rodung des Gebiets der Perisiter durch die Söhne Josefs (Oktateuch-Handschrift, Athos, 13. Jh.).
- Karte zum Siedlungsgebiet der Perisiter. © Erasmus Gaß
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)