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Pfählung

(erstellt: März 2013; letzte Änderung: September 2018)

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Bei einer Pfählung wurde entweder einem Menschen, um ihn zu töten, ein angespitzter Pfahl durch den Bauch in die Brust getrieben und der Pfahl dann mit dem Opfer aufgestellt oder man hat das Opfer zunächst getötet und dann die Leiche gepfählt. In beiden Fällen zielte die Pfählung – wie in anderen Kulturen die Exekution am Galgen – darauf, das Opfer, das zudem nackt war, an einem exponierten Ort öffentlich zur Schau zu stellen und so zu demütigen sowie andere Menschen abzuschrecken. In Gesetzestexten stellt die Pfählung eine besondere Form der → Todesstrafe dar, in Kriegsberichten zeugt sie von der Brutalität, mit der Feinde behandelt werden konnten. Gepfählte wurden vermutlich nicht bestattet und kamen damit nicht in ihr Familiengrab.

1. Im Alten Orient

1.1. Assyrien

Die Pfählung ist zunächst bildlich belegt, und zwar als assyrische Kriegspraxis. So stellt das Bronzerelief des Tors Salmanassers III. (858-824 v. Chr.) aus Balawāt, das sich im British Museum befindet, mehrfach eine Szene dar, in der eine Stadt erobert wird und Menschen – vielleicht die Fürsten – gepfählt werden (Abb. z.B. in Hrouda, 133; Näheres s. Radner, 109-112).

Pfaehlung 2

Dieselbe Szene findet sich auch auf einem Relief Tiglathpilesars III. (745-727 v. Chr.) aus dem Zentralpalast in → Kalchu (Abb. z.B. in Keel, Abb. 132). Auf dem Relief aus dem Palast Sanheribs (705-680 v. Chr.) in → Ninive, das die assyrische Eroberung der judäischen Stadt → Lachisch 701 v. Chr. zeigt, werden drei Judäer, die möglicherweise die Häupter der Stadt repräsentieren (Ussishkin), auf Pfähle gespießt. Die Bilder lassen nicht erkennen, ob die Feinde durch die Pfählung getötet oder nach der Tötung gepfählt worden sind.

Auch in altorientalischen Texten ist die Pfählung belegt. Nach Codex → Hammurabi § 153 soll eine Frau, die ihren Mann wegen eines anderen Mannes getötet hat, gepfählt werden (TUAT I, 61). Das mittelassyrische Recht sieht diese Strafe für eine Frau vor, die abgetrieben hat (§ 53; TUAT I, 91). Als Kriegspraxis ist die Pfählung erstmals im 11. Jh. belegt (Richardson, 197). Der assyrische König Assurnasirpal II. (859-824 v. Chr.) rühmt sich in seinen Annalen, die Städte von Luchutu erobert und dabei Feinde gepfählt zu haben (TUAT I, 360); ganz ähnlich Tiglatpileser III. (745-727 v. Chr.) in seinen Annalen im Blick auf die Anführer seiner Feinde (TUAT I, 372). Eine Fülle weiterer Belege in Text und Bild bietet Radner, 105-121.

1.2. Persien und Medien

In der Behistun-Inschrift erklärt der persische König Darius I. (522-486 v. Chr.) immer wieder, dass er Feinde pfählen ließ (§ 20.32.33.43.50; TUAT I, 429.434.435.439.442).

Bei Herodot sind zwei unterschiedliche Weisen der Pfählung belegt: a) In der brutaleren Variante wurden Menschen durch die Pfählung getötet. In diesem Sinne dürfte ἀνασκολοπίζω angesichts des Nomens σκόλοψ „Pfahl“ zu verstehen und bei Herodot als medische und persische Praxis bezeugt sein. So soll der medische König Astyages (585-550 v. Chr.) seine eigenen Traumdeuter gepfählt haben (Historien I 128; Text gr. und lat. Autoren), ebenso Darius I. bei der Eroberung Babylons 3000 Oberhäupter der Besiegten (Historien III 159) und Xerxes (486-465 v. Chr.) einen Vergewaltiger (Historien IV 43). Die Ärzte des Darius sind der Pfählung nach Herodot einmal nur knapp entkommen (Historien III 132). b) Das Verb kann aber auch eine Form der Pfählung meinen, bei der das Opfer so an einen Pfahl genagelt wurde, dass es nicht sofort tot war. Herodot erzählt von Darius nämlich, dass er einen Gepfählten einmal begnadigt habe, so dass er überlebte (Historien VII 194).

2. Im Alten Testament

Das hebräische Verb תלה tlh wird vielfach mit „aufhängen“ wiedergegeben (vgl. Mulder), doch gibt es aus der damaligen Welt keine eindeutigen Belege für die Exekution am Galgen und den Tod durch den Strang (Codex → Hammurabi § 21 und 227 sind unsicher; s. TUAT I, 47.70).

In 2Sam 17,23 bezieht sich חנק Nif. „sich erwürgen / aufhängen“ auf einen → Suizid (→ Ahitofel). Der Kopf einer Prunkkeule des prädynastischen Herrschers Skorpion II. (um 3000 v. Chr.) aus dem oberägyptischen Hierakonpolis zeigt eine Reihe von Kiebitzen als Symbol von Untertanen, die an Standarten gehängt worden sind (s. Schroer / Keel, Abb. 133).

Da für Persien bei Herodot die Pfählung belegt ist, dürfte תלה tlh in der → Estererzählung (Est 2,23 u.ö.), die in Persien spielt, eher „pfählen“ als „aufhängen“ bedeuten. Das kann dann auch für andere Stellen gelten, z.B. die Belege in der → Josefserzählung, die in Ägypten spielt (Gen 40,19.22; Gen 41,13). In Israel diente die Pfählung unseres Wissens nicht der Tötung, sondern man hat nur die Leichen von Getöteten auf Pfähle gespießt (תלה עַל־עֵץ Dtn 21,22f.; Jos 8,29; Jos 10,26; vgl. 2Sam 4,12; 2Sam 21,12), um sie zu schänden (vgl. jedoch Esr 6,11). Dtn 21,22 bietet nämlich vermutlich eine Abfolge (waw-consecutivum, nicht explicativum; allerdings wird die Stelle in der Tempelrolle von → Qumran auf die Pfählung lebender Menschen bezogen [LXIV,6-13]).

Viel später gebraucht 4QpNah 1,1-8 תלה tlh im Bezug auf ein Ereignis, von dem Josephus in Antiquitates (13,380; Text gr. und lat. Autoren) erzählt, nämlich der Pfählung / Kreuzigung von 800 Gefangenen durch Alexander Jannäus (ἀνασταυρόω).

Pfaehlung 5
Klgl 5,12 meint kaum, dass die Fürsten Jerusalems noch während der Exilszeit „durch ihre Hände“ („ihre“ bliebe ohne Bezug, müsste sich aber auf Feinde beziehen) gepfählt worden sind, sondern dass sie „an ihren Händen“ aufgehängt worden sind, wie es ikonographisch belegt ist (s. Koenen, 399-401).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001 (Todesstrafe)
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992 (Punishments and crimes)

2. Weitere Literatur

  • Berlejung, A., Bilder von Toten – Bilder für die Lebenden. Sterben und Tod in der Ikonographie des Alten Orients, Ägyptens und Palästinas, in: dies. / B. Janowski (Hgg.), Tod und Jenseits im alten Israel und in seiner Umwelt. Theologische, religionsgeschichtliche, archäologische und ikonographische Aspekte (FAT 64), Tübingen 2009, 199-253
  • Crouch, C.L., War and Ethics in the Ancient Near East: Military Violence in Light of Cosmology and History (BZAW 407), Berlin / New York 2009
  • Hrouda, B., Der Alte Orient. Geschichte und Kultur des alten Vorderasien, München 1991
  • Keel, O., Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament, 3. Aufl. Zürich u.a. 1980
  • Koenen, K., Klagelieder (BK), Neukirchen-Vluyn 2015
  • Mulder, M.J., Art. תלה tlh, in: ThWAT VIII, Stuttgart u.a. 1995, 657-662
  • Radner, K., High Visibility Punishment and Deterrent: Impalement in Assyrian Warfare and Legal Practice, ZABR 21 (2015), 103-128
  • Richardson, S., Death and Dismemberment in Mesopotamia: Discorporation between the Body and the Body Politic, in: N. Laneri (Hg.), Performing Death. Social Analyses of Funerary Traditions in the Ancient Near East and Mediterranean, Chicago 2007, 189-208
  • Schroer, S. / Keel, O., Die Ikonographie Palästinas / Israels und der Alte Orient. Eine Religionsgeschichte in Bildern, Bd. 1, Freiburg (Schweiz) 2005
  • Ussishkin, D., Symbols of Conquest in Sennacherib’s Reliefs of Lachish: Impaled Prisoners and Booty, in: T.F. Potts u.a. (Hgg.), Culture Through Objects (FS P.R.S. Moorey), Oxford 2003, 207-217

Abbildungsverzeichnis

  • Pfählung von Feinden (Bronzerelief des Tors von Balawāt; 9. Jh. v. Chr.). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; BM 124656
  • Eine Kriegsszene zeigt, wie Feinde auf Pfählen aufgespießt wurden (Relief aus dem Palast Tiglat-Pilesers III. [745-727 v. Chr.] in Nimrud). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Die Pfählung von drei Einwohnern Lachischs (Relief aus Ninive; um 700 v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 27.2.2013
  • Kiebitze als Symbol von Untertanen, die an Standarten hängen (Keulenkopf; Hierakonpolis; um 3000 v. Chr.). Aus: J.E. Quibell, Hierakonpolis I (BSAE 4), London 1900, Pl. XXVIc
  • Gefangener, der mit den Händen im Rücken an einen Pfahl gebunden ist (phönizische Silberschale, um 700 v. Chr.). Aus: G. Hölbl, Beziehungen der ägyptischen Kultur zu Altitalien, EPRO 62 (1979), Bd. 1, 295 Abb. 3

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