Pfand / pfänden
(erstellt: Januar 2018)
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1. Der ökonomische Vorgang
Als Pfand im ökonomischen Sinn bezeichnet man die Sicherheit, die ein Schuldner einem Gläubiger bis zu dem Zeitpunkt stellen muss, an dem er die Schuld zurückbezahlt. Das in alttestamentlichen Texten am häufigsten genannte Pfand sind Kleidungsstücke, vor allem das ungenähte deckenartige Obergewand, das oft missverständlich als „Mantel“ eingedeutscht wird (so Luther 2017; Ex 22,25-26
Nicht immer ist eindeutig auszumachen, ob ein Pfand bereits zum Zeitpunkt der Vergabe des Darlehens in die Hand des Gläubigers kommt oder ob dies erst dann der Fall ist, wenn der Kredit nicht zurückbezahlt werden kann. Die wiederholte Forderung, das Obergewand noch am selben Tag zurückzugeben (Ex 22,25-26
Die Hebräische Bibel gebraucht hauptsächlich zwei Wurzeln für „pfänden“, nämlich חבל ḥbl I mit dem zugehörigen Nomen חֲבֹל ḥăvol „Pfand“ sowie das vom Nomen עֲבוֹט ‘ăvôṭ, ebenfalls „Pfand“, abgeleitete Verb עבט ‛bṭ „pfänden“. Beide Vokabeln sind wohl bedeutungsgleich (de Vaux, 276). Interessant ist, dass die Wurzel עבט ‛bṭ, die eigentlich „pfänden“ heißt, in Dtn 15,6.8
Eine dritte Wurzel, die in Neh 5,3
2. Soziale Folgen
Das Stellen von Pfändern ist nur ein Teil, wenn auch ein wesentlicher, des Kreditwesens. Dieses ist in allen antiken Gesellschaften und so auch in Israel die entscheidende Triebkraft zur Spaltung der Gesellschaft. Propheten kritisieren immer wieder, dass sich die Häuser der Reichen mit Schätzen füllen (→ Sozialkritik
Aus dem 7. Jh. v. Chr. ist eine Tonscherbe mit der Petition eines Erntearbeiters erhalten, der die in seinen Augen unrechtmäßige Pfändung seines Kleides beklagt und vom Kommandanten der Festung, bei der er eingesetzt war, die Herausgabe erbittet. Hintergrund ist hier keine Kreditschuld, sondern der Verdacht, er sei seine Arbeitsleistung schuldig geblieben, was der Mann heftig bestreitet (Handbuch der Althebräischen Epigraphik, hg. v. J. Renz / W. Röllig, Band I, Darmstadt 1998, 315-330).
Noch dramatischer als das Einbehalten von Sachpfändern ist die Pfändung der Lebens- und Produktionsgrundlagen, also von Häusern, Feldern, Weinbergen, Ölbaumpflanzungen usw. Direkt erwähnt wird sie nur in Neh 5,3
Wie schon erwähnt, werden auch Menschen gepfändet. Sie geraten dann in Schuldsklaverei (→ Sklaverei
Die Pfandnahme als Teil des Kreditsystems ist ein wesentliches Mittel, die Bereicherung der Reichen auf Kosten der Armen voranzutreiben und die Gesellschaft sozial zu spalten.
3. Gesetzliche Regelungen
Um die vom Pfandrecht ausgehende Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung zu vermindern, sind früh in die Gesetze Israels Bestimmungen aufgenommen worden, die die Folgen von Pfändungen abmildern sollen. Schon das → Bundesbuch
Theologisch werden diese Bestimmungen mit einer starken Begründung versehen. Im Bundesbuch wird die Aufforderung, das gepfändete Obergewand dem Bedürftigen vor Sonnenuntergang zurückzugeben, mit einem Satz in Gottesrede abgeschlossen: „Wenn er zu mir schreit, höre ich ihn; denn ich bin gnädig“ (Ex 22,26
Diese starke theologische Begründung legt dann auch der Text von Ez 18 zugrunde. Er definiert durch Aufzählung exemplarischer Taten, wer als gerecht vor Jhwh gelten kann. Dazu zählt die Rückgabe von Pfändern (Ez 18,7.12.16
4. Erweitertes Verständnis
Ein Artikel zum Stichwort „Pfand/Pfänden“ wäre nicht vollständig, würde nicht darauf hingewiesen, dass die Vorstellung vom Pfand auch über den rein ökonomisch-rechtlichen Bereich hinaus Verwendung findet. Im Deutschen spricht man dann (laut Duden: „veraltet“) gerne von „Unterpfand“. So heißt es in der deutschen Nationalhymne: „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand.“ Im Hebräischen wird für diesen erweiterten Gebrauch ausschließlich die Wurzel ערב ‛rb I verwendet. Von ihr leitet sich das Nomen עֵרָבוֹן ‘erāvôn ab, das in der Erzählung von → Juda
Geht es an den beiden genannten Stellen noch um materielle „Pfänder“ – im Fall von Tamar und Juda um Siegel, Schnur und Stab (Gen 38,18.25
Wie andere Begriffe aus dem Bereich der Ökonomie – vergleiche Schulden und Schuld, Freikauf und Erlösung, das Bild vom Haushalter u.a. – kann auch der Vorgang des Pfändens Vorstellungsinhalte und Sprache für religiöse Gegebenheiten bereitstellen.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015 (Art. חָבַל ḥāḇal II; עָבַט ‛āḇaṭ; עָרַב ‛āraḇ I)
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
2. Weitere Literatur
- Beyse, Karl-Martin, Art. עָבַט ‛āḇaṭ, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. V, Stuttgart u.a. 1986, 1013-1015
- Delekat, Lienhard, Art. Pfand, in: Biblisch-historisches Handwörterbuch, Bd. 3, Göttingen 1969, 1436.
- Dietrich, Walter, Samuel. Teilband 2. 1Sam 13-26 (BK VIII/2), Neukirchen-Vluyn 2015.
- Fischer, Georg, Jeremia 26-52 (HThKAT), Freiburg u.a. 2005.
- Hoffner, Harry A., Art. חָבַל ḥāḇal II, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. II, Stuttgart u.a. 1977, 707-712
- Horst, Friedrich, Das Privilegrecht Jahwes. Rechtsgeschichtliche Untersuchungen zum Deuteronomium, in: ders., Gottes Recht. Gesammelte Studien zum Recht im Alten Testament (ThB 12), München 1961, 17-154.
- Kessler, Rainer, Die angeblichen Kornhändler von Amos 8,4-7, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels (SBAB 46), Stuttgart 2009, 267-275.
- Lipiński, Edward, Art. עָרַב ‛āraḇ I, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. VI, Stuttgart u.a. 1989, 349-355
- Otto, Eckart, Theologische Ethik des Alten Testaments (Theologische Wissenschaft 3,2), Stuttgart u.a. 1994.
- Seeligmann, Isac Leo, Darlehen, Bürgschaft und Zins in Recht und Gedankenwelt der Hebräischen Bibel; in: ders., Gesammelte Studien zur Hebräischen Bibel, hg. v. E. Blum (FAT 41), Tübingen 2004, 319-348.
- de Vaux O.P., Roland, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen I. Fortleben des Nomadentums – Gestalt des Familienlebens – Einrichtungen und Gesetze des Volkes, übers. Hollerbach, Freiburg u.a. 2. Aufl. 1964, 276-278.
Abbildungsverzeichnis
- Ostrakon aus Meṣad Hāšavjāhu (Koordinaten: 1207.1461; N 31° 54' 27'', E 34° 41' 20''
) mit der Petition eines Erntearbeiters (7. Jh.). Aus: Wikimedia Commons; © Hanny, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0 unported; Zugriff 22.1.2018
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