Prophetenbücher / Kanonteil Nebiim
(erstellt: April 2016)
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Die Hebräische Bibel wird traditionell in drei Kanonteile unterteilt: die Tora (תּוֹרָה tôrāh, Bedeutung: „Gesetz“; griechische Bezeichnung: Pentateuch, nach Lutherbibel: Fünf Bücher Mose [→ Pentateuch
1. Der Kanonteil Propheten / Nebiim
1.1. Bezeichnung des Kanonteils
Die Existenz des Kanonteils Propheten / Nebiim wird erstmals zusammen mit der Dreiteiligkeit des Kanons in Sir 39,1-3
„Vieles und Großes ist uns durch das Gesetz, die Propheten und die anderen Schriften, die ihnen folgen, geschenkt worden. Dafür ist Israel zu loben wegen seiner Bildung und Weisheit […]. So befasste sich mein Großvater Jesus sorgfältig mit dem Gesetz, mit den Propheten und mit den anderen von den Vätern überkommenen Schriften […]. Nicht nur dieses Buch, sondern auch das Gesetz, die Propheten und die übrigen Schriften weisen keinen geringeren Unterschied auf, wenn man sie in der Grundsprache liest.“
Diese Dreiteilung wird auch in der Qumran-Schrift 4QMMT bezeugt („Buch des Mose [und] die Büch[er der Pr]opheten und von Davi[d…]“; → Qumran
1.2. Umfang des Kanonteils
Eine erste Umfangsbeschreibung der drei Teile findet sich bei → Josephus
„Bei uns gibt es nicht Myriaden von Büchern, die nicht zusammenstimmen und (einander) widerstreiten, sondern nur zweiundzwanzig Bücher, welche die Niederschrift der (gesamten) vergangenen Zeit enthalten und mit Recht vertrauenswürdig sind. Und fünf davon sind die des Mose, welche die Gesetze des Mose enthalten und die Tradition von der Menschenschöpfung bis zum Ende dessen; diese Zeitspanne erstreckt sich über 3000 Jahre. – Vom Ende des Mose bis zu Artaxerxes, dem auf Xerxes folgenden König der Perser, haben die Propheten nach Mose die Geschehnisse gemäß (dem von) ihnen (Erlebten) in dreizehn Büchern niedergeschrieben. – Die restlichen vier (Bücher) enthalten Hymnen auf Gott und Lebensregeln für die Menschen. – Von Artaxerxes bis hin zu unserer Zeit ist zwar alles aufgeschrieben worden, aber (das) wird nicht des gleichen Vertrauens gewürdigt wie die (Bücher) vor ihnen, weil nicht die genaue Aufeinanderfolge der Propheten gegeben war.“ Bei den dreizehn Büchern handelt es sich um: Jos, Ri, Rut, 1/2Sam + 1/2Kön, 1/2Chr, Esr, Neh, Est, Jes, Jer + Klgl, Ez, Dan und 12Proph.
1.3. Vordere und Hintere Propheten
Der Kanonteil Propheten / Nebiim umfasst zwei Teile, und zwar die „Vorderen (oder: Früheren) Propheten“ (Josua bis 2Könige) und die „Hinteren (oder: Späteren) Propheten“ (Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Zwölfprophetenbuch). Bei diesen beiden Teilen handelt es sich um völlig verschiedene Gattungen: Die Vorderen Propheten stellen eine zusammenhängende Geschichtserzählung dar, und zwar von der Berufung → Josuas
1.4. Umgestaltung in der Septuaginta
Der Kanonteil Propheten / Nebiim wurde im Rahmen der sukzessiven Übersetzung der einzelnen Bücher in das Griechische (→ Septuaginta
2. Mose als Urbild des Propheten: Jos 1,7-8 und Mal 3,22-24 als Rahmung der Propheten / Nebiim
Mit der Kanonisierung der Propheten / Nebiim wurde ein redaktioneller Prozess abgeschlossen, dessen Verlauf erst allmählich erkennen lässt, dass Redaktoren buchübergreifende Zusammenhänge herstellen wollten. Und erst auf den allerletzten Stufen wurden Nachträge hinzugefügt, die bewusst ganze Kanonteile gestalten und diese wiederum miteinander in Beziehung setzen wollten (Sheppard 1982: „canon conscious redaction“). Solche Passagen, deren vorrangige Intention die Gestaltung einer kanonischen Schriftsammlung ist, sind schwierig zu identifizieren.
Der Abschlusstext Mal 3,22-24
Mit der Anspielung auf das → Mose
Mal 3,22-24
In der Schlussbemerkung der Tora (Dtn 34,10-12
Auf diese Weise erhalten die beiden Teile Tora und Propheten / Nebiim ihren jeweils spezifischen Ort in der alttestamentlichen Heilsgeschichte.
3. Bezüge zwischen den Vorderen und Hinteren Propheten
Grundsätzlich überwiegt der Eindruck, dass es sich bei den Vorderen (= Deuteronomistisches Geschichtswerk) und den Hinteren Propheten (= corpus propheticum) um ganz verschiedene Literaturwerke handelt. Es gibt jedoch auch eine Reihe von Bezügen, die die beiden Teile des Kanonteils Propheten / Nebiim verbinden. Diese Bezüge sind unterschiedlicher Art: 1. Identität von Propheten, 2. Bezug auf dieselbe geschichtliche Situation, 3. Doppelüberlieferungen, 4. Deuteronomistische Prägung, 5. redaktionelle Verbindungen.
3.1. Identität von Propheten
Die Vorderen Propheten enthalten Geschichtserzählungen, in die gelegentlich einmal Berichte von Auftritten von Propheten eingeflochten sind, wohingegen das corpus propheticum aus Büchern besteht, in denen die Reden der Propheten gesammelt sind und nur gelegentlich Erzählungen über Propheten erscheinen. Es fällt auf, dass nur drei der im corpus propheticum genannten Propheten auch im Deuteronomistischen Geschichtswerk erwähnt werden, nämlich → Jesaja
In 1Kön 22,28
3.2. Bezug auf dieselbe geschichtliche Situation
Für das Verständnis des Nebeneinanders von Vorderen Propheten und Hinteren Propheten sind die Datierungen der Propheten grundlegend. Die Auftrittszeit der Propheten, deren Sprüche im corpus propheticum gesammelt sind, sind nach den Königen datiert. In der Regel wird die Datierung gleich in den ersten Versen der jeweiligen Schrift vorgenommen (z.B. Jes 1,1
Insgesamt entsteht so der Eindruck, dass das corpus propheticum diejenigen prophetischen Gestalten samt ihren Sprüchen ergänzt, auf die innerhalb der Geschichtsbücher nicht eingegangen wurde. Am deutlichsten wird das im Falle Jesajas, dessen Auftreten in 2Kön 19-20 geschildert wird. Selbstverständlich hätte es den Rahmen gesprengt, hätte man alle 66 Kapitel an Sprüchen, die ihm das Jesajabuch zuschreibt, dort eingefügt. Das corpus propheticum überliefert also die Sicht der wichtigsten Propheten Israels auf die in den Vorderen Propheten narrativ entfaltete Geschichte. Dabei ist zu beachten, dass die Reihe der Propheten des Zwölfprophetenbuchs über das babylonische → Exil
3.3. Doppelüberlieferungen
Zwei Textabschnitte aus 2Kön werden in den Hinteren Propheten, nämlich in Jer 52 und Jes 36-39, wiederholt.
3.3.1. Jer 52
Der Bericht über die zweite Eroberung Jerusalems in Jer 52 ist nahezu textidentisch mit Passagen aus 2Kön (Jer 52,1-27
3.3.2. Jes 36-39
Jes 36-39 bietet neben 2Kön 18,13-20,21
In der Tat bildet Jes 36-39 den kompositionellen Abschluss der Texte der assyrischen Phase, mit Jes 40 setzt die Botschaft über die Rückkehr aus dem Exil zum Ende der babylonischen Oberherrschaft ein (→ Deuterojesaja
Seit der Behandlung der Erzählungen durch Gesenius (1821), der den Gedanken einer Übernahme von Jes 36-39 aus 2Kön und eine spätere Überarbeitung und Erweiterung postulierte, wurde zunächst das mehrstufige Wachstum von 2Kön 18f. untersucht. Stade (1886) wies einen dreistufigen Entstehungsprozess von 2Kön 18f. auf. Seiner These zufolge stellen 2Kön 18,14-16
Eine Vermittlung zwischen diesen beiden Positionen wird in der aktuellen Forschung auf unterschiedliche Weise gesucht. Es werden vor allem drei Entstehungsmodelle diskutiert:
1. Die neueren redaktionsgeschichtlichen Studien gehen von einem sukzessiven Textwachstum auf verschiedenen Stufen des Jesajabuchs und der Königsbücher aus (Seitz 1991; Sweeney 1996; Becker 1997; Beuken 2001; Young 2013). Grundlage ist eine eigenständige Überlieferung über die Belagerung Jerusalems (Jes 36f.), die aufgrund des Motivs „Bedrohung des Zion“ in das Jesajabuch integriert und in einem längeren Redaktionsprozess um Jes 38 und Jes 39 erweitert wurde. Die Übernahme in die Königsbücher geschah noch vor der Integration des Gebetes Hiskias in Jes 38.
2. Eine traditionsgeschichtliche Deutung, wie sie von Höffken (2004) vorgetragen wurde, versteht die Jesaja-Legenden als Teil der altorientalischen und hellenistischen Sanherib-Überlieferung. S.E. ist die Entstehung der Texte nicht im Kontext eines der beiden biblischen Bücher zu erklären.
3. Textgeschichtliche Studien weisen unterschiedliche Textentstehungen auf, basieren aber durchgehend auf der Annahme, Jes 36-39 wäre en bloc aus den Königsbüchern übernommen und dann in beiden Buchkontexten jeweils unterschiedlich überarbeitet worden. Person (1999) stellt in seinem Beitrag die Rekonstruktion eines Urtextes vor, dem die LXX-Version von Jes 36-39 am nächsten steht und damit die älteste Textform bietet. Dieser kommt 1QJesa sehr nahe, während Jes 36-39MT sowie 2Kön 18-20MT und 4Kgt18-20LXX spätere Textformen bezeugen, die sich auf unterschiedliche Weise aus dem hebräischen Urtext entwickelten.
Trotz derselben Quellenauswahl kommt Konkel (1993) in seiner Untersuchung zu einem anderen Ergebnis. Er legt dar, dass die älteste Textgestalt diejenige ist, die sich aus dem Text der Königtümer des Codex Vaticanus als Vorlage rekonstruieren lasse. Dieser prämasoretische Königetext sei in das Jesajabuch übernommen und dabei verändert worden, insbesondere habe man die Person Hiskias profiliert. Da die Königsbücher und das Jesajabuch nach der Textübernahme getrennt voneinander überliefert worden seien, hätten sich die Differenzen zwischen beiden Fassungen verstärkt.
Kratz (2015) nimmt neben 2Kön 18-20 // Jes 36-39 auch 2Chr 32, Josephus, Ant. X,1f. §§1-35, und Sir 48,17-25
3.4. Deuteronomistische Prägung
Die vier Prophetenrollen weisen unterschiedliche Bezüge zum Deuteronomismus auf, der die Vorderen Propheten insgesamt prägt. Verschiedene Studien seit dem Ende der 1950er Jahre zeigten deuteronomistischen Einfluss auch außerhalb des → Deuteronomistischen Geschichtswerks
Eine deuteronomistische Fassung des Jesajabuchs sucht Vermeylen (1977/78) zu erweisen. S.E. wurde die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegende jesajanische Sammlung, die unter → Josia
Abgeschwächter sieht Kaiser (1973 / 1981) den Einfluss des Deuteronomismus auf das Jesajabuch. Während er bei seiner zeitlich früheren Auslegung von Jes 13-39 (1973) auch bei dem in 2Kön 18-20 parallel dargebotenen Jesaja-Hiskia-Legende zwar die Priorität des Königetextes postuliert, daraus aber nicht die Folgerung zieht, ein deuteronomistisch orientierter Redaktor habe die Erzählung in das Jesajabuch eingefügt (Kaiser 1973, 291), sieht Kaiser (1981, 20f.) vor allem bei der Organisation des zuvor wohl eigenständig überlieferten Textbestandes, der auf den historischen Jesaja zurückzuführen ist (Jes 6,1-8,18
Für das → Jeremiabuch
Die ersten Studien, die eine deuteronomistische Redaktion des Jeremiabuchs annahmen, standen noch unter dem Einfluss der von → Mowinckel
Die von Thiel (1973 / 1981) und Hyatt (1984) vertretene These wurde in der Forschung mehrfach kritisiert; dabei wurden neben dem Rückbezug auf einen Mehrquellenansatz vor allem die Zuweisung an einen deuteronomistischen Redaktor in Frage gestellt. Die Vorstellung einer deuteronomistischen Bearbeitung des Buches nahm in neuerer Zeit Albertz (2001) wieder auf, der jedoch anders als Hyatt und Thiel nicht von einer, sondern von drei deuteronomistischen Schichten ausgeht. Diese entstanden in unterschiedlichen Phasen des Exils und führten zu einer sukzessiven Erweiterung des Buches.
Auch für das Buch → Ezechiel
Für das → Zwölfprophetenbuch
Neben der redaktionellen Überarbeitung vor-deuteronomistischer prophetischer Texte kann Wöhrle (2006) zeigen, dass die Struktur des Deuteronomistischen Geschichtswerks und die Struktur des Vierprophetenbuchs parallel gehen. 2Kön 17f.22-25 fungiere als Vorlage für das D-Korpus. Er weist Parallelen und Stichwortübereinstimmungen zwischen 2Kön 17 und zum Vierprophetenbuch gehörenden Abschnitten der Bücher Amos und Hosea, zwischen 2Kön 18 und dem exilischen Umfang des Michabuchs sowie von 2Kön 22-25 und dem Buch Zefanja auf. Die Reihenfolge der Bücher ist von der Vorlage in 2Könige abhängig. Dies erklärt wiederum die Voranstellung des Buches Hosea vor das Buch Amos, obwohl dieses geschichtlich früher einzuordnen ist.
Die verschiedenen Studien zeigen also, dass deuteronomistische Formulierungen und Gedanken einerseits die Geschichtsdarstellung der Vorderen Propheten prägen, sich aber andererseits auch in den Hinteren Propheten finden. Dies ist ein starkes verbindendes Element der beiden Teile des Kanonteils Propheten / Nebiim. Einzig bei Kaiser klingt die Vorstellung an, dass die Redaktoren des Jesajabuchs und die Autoren des deuteronomistischen Geschichtswerkes unabhängig voneinander ähnliche Gedanken entwickelten. Mehrheitlich dagegen werden die Passagen, in denen typisch deuteronomistischer Sprachgebrauch erscheint, als sekundäre literarische Aufnahme von Gedanken aus dem → Deuteronomium
3.5. Redaktionelle Verbindungen
Innerhalb der einzelnen prophetischen Bücher finden sich Aufnahmen von Worten und Themen aus anderen Schriften der Hinteren Propheten. Am engsten sind das Jesajabuch und das Zwölfprophetenbuch aufeinander bezogen, was schon daran deutlich wird, dass beide dasselbe Wort über die Völkerwallfahrt zum Zion enthalten (Jes 2,2-4
3.5.1. Jeremia- und Ezechielbuch
Die Verbindung von Jeremia- und Ezechielbuch zeigt Pohlmann in seinen Studien zu den beiden Büchern auf. Ausgehend von einer Analyse des Jeremiabuchs erhob er redaktionsgeschichtlich Texte einer sog. Golaredaktion, deren Spuren er anschließend auch im Buch Ezechiel aufwies. Ziel der Golaredaktion sei es, „vorgegebene Texte dahingehend zu überarbeiten, daß allein und ausschließlich die babylonische Gola (unter → Jojachin
Das Ergehen der unter Jojachin Deportierten ist zugleich Thema des Ezechielbuchs. In diesem weist Pohlmann ebenfalls die Tätigkeit einer auf die Gola bezogenen Redaktion nach, die die Auffassungen der im Jeremiabuch zu beobachtenden Überarbeitung überkommener Texte bezogen auf die Vorrangstellung der aus der babylonischen Diaspora zurückkehrenden Judäer begründet (Pohlmann 1996, 27). Im Buch Ezechiel lässt sich über die golaorientierte Redaktion des Jeremiabuchs hinaus feststellen, dass zwischen der ersten Gola (unter Jojachin) und der (weiter gefassten) Diaspora getrennt wird. Mit dem Buch Ezechiel kommt neben dem Ergehen der ersten Deportiertengruppe also auch das Ergehen des Diasporajudentums in späteren Zeiten in den Blick. Hier ist anders als im Jeremiabuch zwischen einer gola- und einer diasporaorientierten Redaktion zu unterscheiden. Die golaorientierten Redaktionsschichten verbindet Pohlmann mit der Durchsetzung des aus Babylon nach Jerusalem zurückkehrenden Judentums in der Zeit zwischen dem Wirken → Nehemias
Auch wenn Pohlmanns redaktionsgeschichtlicher Ansatz in der Prophetenforschung bei der Analyse der Einzeltexte aufgrund ihres teilweise tendenzkritischen Vorgehens, teilweise aufgrund seiner schnellen Übertragungen der am Jeremiabuch aufgezeigten Beobachtungen auf das Ezechielbuch wiederholt kritisiert wurde, so wird aus seinen Studien deutlich, dass die sozialen Spannungen im nachexilischen Juda in späteren Redaktionsstufen der Bücher durchaus zu einer thematischen Annäherung von Jeremia- und Ezechielbuch führten. Diese band die beiden Bücher aneinander, so dass sie als eine aus zwei unterschiedlichen Positionen heraus gesprochene Botschaft erscheinen.
3.5.2. Jesaja- und Zwölfprophetenbuch
Der enge Zusammenhang von Jesaja- und Zwölfprophetenbuch wurde von Bosshard-Nepustil (1997) eingehend untersucht. Seiner Meinung nach diente den verschiedenen Redaktoren des späteren Zwölfprophetenbuchs die zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegende Fassung des späteren Jesajabuchs als Vorlage, nach der sie das jeweilige Mehrprophetenbuch gestalteten.
Eine erste Stufe erkennt er zu Beginn des 7. Jh.s v. Chr., in dem nach 701 v. Chr. die Bücherreihe Hosea, Amos, Micha an den aus der Zeit des → syrisch-ephraimitischen Kriegs
In persischer Zeit wurde schließlich die Position der außerhalb Jehuds lebenden jüdischen Bevölkerung stärker, so dass bis zur Mitte des 5. Jh.s v. Chr. golaorientierte Redaktionen der prophetischen Bücher durchgeführt wurden, die dem → Chronistischen Geschichtswerk
Protojesaja <=> Hos – Joel – Am – Ob – Jon – Mi – Nah
Jeremia + Klagelieder + Deuterojesaja <=> Hab – Zef – Hag
Ezechiel <=> Sach 1-8; 9 – Mal.
4. Die Entstehung des Kanonteils Propheten / Nebiim
Eine erste Hypothese, wie der Kanonteil Propheten / Nebiim als Ganzer gewachsen sein könnte, legte O.H. Steck (1991) vor. Ausgangspunkt seiner Analyse sind Fortschreibungen des Jesaja- und des Zwölfprophetenbuchs seit den Feldzügen Alexanders d.Gr. auf der Levante. Anders als Bosshard-Nepustil nimmt er in den späteren Redaktionsstufen keine durchgehende Abhängigkeit der Fortschreibungen des Zwölfprophetenbuchs von den Bearbeitungsschichten des Jesajabuchs an. Stattdessen identifiziert er in der Zeit nach dem Auftreten Alexanders d.Gr. sieben Bearbeitungen (Steck 1991, 71.105).
Einen ersten Reflex auf die Ausbreitung griechischer Herrschaft findet sich zunächst in Sach 9,1-10,2
Das so gebildete Corpus propheticum (mit Einschluss von Jeremia und Ezechiel zwischen den beiden rahmenden Büchern Jes und 12Proph) besitzt die Funktion, die Geschichte der Prophetie seit ihren Anfängen bis in die Gegenwart zu bewahren. „Den Überschriften ist zu entnehmen, daß seit den ‚Tagen der judäischen Könige Usia, Jotam, Ahas und Hiskia‘ (Jes 1,1
Mit der Zusammenführung dieser beiden ursprünglich getrennten Corpora wird die dem Corpus propheticum eigene Perspektive auf Juda / Jerusalem geweitet und auf Gesamtisrael bezogen. Dies erfolgt zunächst in einer weiteren Redaktion des Corpus propheticum, in der Mal 2,10-12
Erst auf der Stufe der redaktionellen Zusammenführung von Jos-2Kön und Corpus propheticum werden die das neu gestaltete Maleachibuch, das den Abschluss der prophetischen Verkündigung darstellt, beendenden Verse Mal 3,22-24
Die von Steck (1991) und in seiner Folge von Bosshard-Nepustil (1997) geäußerten Thesen sind für die alttestamentliche Forschung dahingehend von Interesse, als dass sie eine bis dahin nicht beachtete Fragestellung aufnehmen und erste Konzepte vorlegen. Beide Studien sind methodisch jedoch problematisch, da die angezeigten Textschichtungen häufig auf Stichwortassoziationen basieren, inhaltlich aber nur geringe Anklänge aufweisen.
Die Ausbildung des Kanonteils Propheten / Nebiim erfolgte nach Steck in mehreren Phasen und ist das Ergebnis eines längeren Redaktionsprozesses, der sowohl die Abtrennung des Deuteronomiums von den weiteren deuteronomistischen Schriften sowie die Konstituierung der Tora voraussetzt. Darauf deutet der direkte Bezug in Jos 1,7
Ein an der Relation von Tora und Propheten ausgerichtetes Konzept der Formung des alttestamentlichen Kanons legt Chapman (2000) vor. Er geht zunächst auf Dtn 34,10-12
Ein die Relation Tora – Propheten / Nebiim und ihre Bedeutung für die Ausbildung des zweiten Kanonteils bestärkendes Argument bringt schließlich Christensen (1993) in die Diskussion ein. Er sieht die Komposition der Propheten / Nebiim als von der Tora abhängig.
Christensen geht von einem mehrstufigen redaktionellen Prozess innerhalb der Tora aus, der sich auf die Reihung der Prophetenbücher auswirkte. Er nimmt zunächst einen Grundbestand der Tora mit den Büchern Exodus bis Numeri an, der in einem ersten Schritt um das Deuteronomium ergänzt wurde. Nach der Zusammenführung dieses Werkes bildete sich aus den Büchern Josua, Richter, Samuel und Könige ein Werk, das sich in Form eines Chiasmus auf die ersten vier Bücher bezog. Auf der nächsten Stufe wurden anschließend die Erzvätererzählungen und die Propheten ergänzt. „The Torah and the Former Prophets were subsequently framed by two new blocks of material, which ultimately become the book of Genesis and the Latter Prophets of the Masoretic tradition“ (Christensen 1993, 49). Die neu geformten Anteile stehen in einem Entsprechungsverhältnis. Die Väter bestehen aus Abraham, Isaak, Jakob und seinen 12 Söhnen, die Propheten aus Jesaja, Jeremia, Ezechiel und den zwölf kleinen Propheten. Innerhalb dieses Werkes gewinnt das Deuteronomium zunehmend an Bedeutung, da es die älteren Traditionen abschließt und seine Gedanken aufgrund der Anteile deuteronomistischer Redaktion in den weiteren Büchern prägend sind. Von dieser Stufe aus entwickelte sich der Kanon sukzessive weiter (→ Kanon
5. Die Reihenfolge der Bücher des Kanonteils Propheten / Nebiim in den Codices
Nachrichten über die Reihenfolge der Bücher innerhalb des Kanonteils Propheten / Nebiim enthält in der jüdischen Tradition erstmals der Traktat Baba Batra des Babylonischen Talmud (bBB 14b): „Die Reihenfolge der Propheten: Josua, Richter, Samuel, Könige, Jeremia, Ezechiel, Jesaja und die zwölf Propheten.“ Da die Abfolge, die Jeremia vor Jesaja stellt, sonst nicht belegt ist, soll vielleicht nur der Umfang, aber nicht die genaue Reihenfolge innerhalb des Corpus festgelegt werden.
Ende des 4. Jh.s n. Chr. bietet Hieronymus im Prologus galeatus, dem Vorwort zur Vulgata-Edition der Samuel- und Königsbücher, die im Judentum gebräuchliche Reihung der Bücher. Als zweiten Abschnitt „secundum Prophetarum ordinem“ bietet er die Liste Josua, Richter (mit → Rut
Die Reihung Josua bis 2Könige und der Anschluss der weiteren Schriftprophetenbücher etablierte sich weitgehend, auch wenn einige wenige Handschriften davon abweichen.
Die von Hieronymus vorgegebene Reihenfolge der Hinteren Propheten ist mehrheitlich bezeugt, wie ein von Brandt (2001, 143f.) dargebotener Überblick über Handschriften zeigt (Tabelle 3).
Die bereits im „Lob der Väter“ (Sir 48,20-49,10
Anders als in der hebräischen bildete sich in der griechischen (christlichen) Tradition eine abweichende Reihenfolge des Prophetencorpus aus.
Dies ist bereits in den von Melito von Sardes um 170 n. Chr. (in → Eusebius
Der sich in der Tradierung der LXX ausprägende Oktateuch, der neben dem Pentateuch die Schriften Jos – Ri – Rut umfasst, und die Anhängung der geschichtlichen Bücher an diesen, führt dazu, dass der Prophetenteil nur aus den „Schriftpropheten“ bestand. Zwischen dem 8. und dem 15. Jh. n. Chr. sind eine höhere Anzahl reiner Propheten-Handschriften entstanden, die durchweg die Reihung 12 + 4, also Dodekapropheton (Hos – Am – Mi – Joel – Obd – Jona – Nah – Hab – Zef – Hag – Sach – Mal) – Jes – Jer (mit Bar – Klgl – EpJer) – Ez – Dan (mit Sus – Bel) aufweisen. Sie greifen auf ältere Traditionen zurück. Diese Reihung ist bereits im Codex Vaticanus (4. Jh. n. Chr.) und im Codex Alexandrinus (5. Jh. n. Chr.) bezeugt. Spätere, übergreifende Manuskripte entsprechen der Reihung des Codex Sinaiticus (4. Jh. n. Chr). In ihnen wird das Dodekapropheton an das Ende des Prophetenteils gestellt. Innerhalb des Kanons findet sich der Prophetenteil meist entweder vor oder nach den Weisheitsschriften. Abweichungen innerhalb der Reihung des Dodekapropheton finden sich nur in zwei Minuskeln. Der Codex Basiliano-Venetus (8./9. Jh.) bezeugt die Reihenfolge Hos – Am – Joel – Obd – Jona – Mi – Nah – Hab – Zef – Hag – Sach – Mal, der Codex Tauriniensis (9. Jh.) die Reihung der hebräischen Tradition.
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