Rätsel
(erstellt: Dezember 2005)
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1. Allgemein
Rätsel scheinen in nahezu allen Kulturen vorzukommen und ein gemeinmenschliches Phänomen zu sein. Obwohl ein Rätsel einen Gegenstand bezeichnet, verbirgt es ihn zugleich. Je besser, desto vollkommener ist das Rätsel. Diese Doppelnatur des Enthüllens und Verbergens teilt es mit dem Phänomen der Sprache. In ihr mag das Rätsel bereits angelegt sein. Während Sprache aber im Allgemeinen die Codierung zur Informationsweitergabe nutzt, steht beim Rätsel die Kunst der Verschleierung im Vordergrund.
Die Rätselwissenschaft hat eine Vielzahl an Kriterien zur Klassifizierung von Rätseln entwickelt. Am geeignetsten dürfte eine Einteilung nach dem Zweck der Rätsel sein: Entweder möchte der Rätselsteller vornehmlich eine Aussage über seine eigene Person treffen, etwa sein intellektuelles Geschick unter Beweis stellen. Oder das Rätsel soll eine Information transportieren. Oder aber es soll zuallererst eine Aussage über die Ratenden machen, z.B. ob sie zur Lösung des Rätsels im Stande sind und sich so dem Rätselsteller als ebenbürtig erweisen.
2. Im Umfeld der Bibel
Rätsel sind im Zweistromland bereits seit sumerischer Zeit belegt. Gerne wurden sie zu Sammlungen zusammengetragen. Eine Rätselsammlung aus dem 24. Jahrhundert v. Chr. mit insgesamt 31 erhaltenen Rätseln stammt aus Lagasch. Sie nennen einen Kanal, eine Stadtgottheit, eine Fisch- und eine Schlangenspezies, die jeweils mit einer bestimmten Stadt assoziiert wurden. Die damit bezeichnete Stadt galt es zu erraten. In zwei weiteren Rätselsammlungen aus dem 18. Jh. v. Chr. folgt auf die rätselhafte Umschreibung die Lösung. Ähnlich bietet ein Rätsel in der Sprüchesammlung des syrischen Achiqar-Romans aus dem 1. Jt. v. Chr. die Auflösung: „Was ist stärker als schäumender Wein? – Das Mädchen!“.
In der altorientalischen Überlieferung stehen Rätsel in weisheitlichem Zusammenhang und dienen erstrangig der Belehrung. Auch die Griechen verbanden Rätsel zu gelehrten Sammlungen (Kleobulos und Kleobuline, Athenaios). Daneben hatten Rätsel bei den Griechen die Funktion, im Geisteswettstreit den Status von Rätselsteller und Ratenden zu bestimmen: In der Literatur entscheidet die Lösung bzw. das Nichterraten eines Rätsels über Leben und Tod beider Parteien (so Ödipus und die Sphinx, Kalchas und Mopsos, Homer und die Fischerjungen). Zudem liebten Griechen und Römer Rätsel bei Symposien zum Zweck des intellektuellen Kräftemessens.
So erscheint das Rätsel im Altertum oft in hochgeistigem Kontext; doch dürften Rätsel im Alten Orient und in der Antike auch bei anderen Gelegenheiten beliebt gewesen sein, ohne dass sie literarischen Niederschlag fanden. Die Vorlieben der jeweiligen Bildungsschicht (gleichzeitig cum grano salis ja auch die Schriftkundigen) dürfte die Auswahl an überlieferten Rätseln bestimmt haben.
3. In der Bibel
Exegetisch kann man sich dem Phänomen Rätsel auf zweierlei Wegen nähern: Einerseits durch die in der Bibel vorkommenden Rätsel selbst oder andererseits über den hebräischen und aramäischen Äquivalenzbegriff zu „Rätsel“.
3.1. Biblische Rätsel
Im Alten Testament begegnen Rätsel in erzählenden Zusammenhängen (1); sie demonstrieren demnach, wie Rätsel im Alltagsleben vorkamen. Andere Rätsel haben lediglich einen Ort in der Literatur (2). Beide Arten von Rätseln unterscheiden sich sowohl durch ihre Form als auch durch ihre Funktion.
1) Rein literarische Rätsel sind im Alten Testament ausschließlich in Frageform belegt. Die Frage wird im folgenden Vers unmittelbar beantwortet. Die Form dient der Funktion der Rätselfrage: Sie bezieht durch die direkte Frage den Rezipienten in den Diskurs aktiv mit ein; sie weckt durch die überraschende Antwort die Aufmerksamkeit von Leser und Leserin; doch stellt sie das Thema des Rätsels selbst nicht in Frage, sondern unterstellt es als gegeben: Spr 23,29-30
2) Anders möchte das volkstümliche Rätsel seinen Gegenstand verschleiern. Die Lösung des Rätsels von Ri 14,12
3.2. חִידָה – „Rätselhaftes“
Einerseits wird Chîdāh generell mit „Rätsel“ übersetzt, doch ist das Bedeutungsspektrum des hebräischen Ausdrucks (und seines aramäischen Äquivalents ’achîdāh Dan 5,12
Allem Anschein nach hat Chîdāh (und seine aramäische Entsprechung) die Bedeutung von etwas Hintersinnigem, Erklärungsbedürftigem oder Rätselhaftem und umfasst demnach mehr als das deutsche Wort „Rätsel“ im engeren Sinne. Entsprechend wählen Septuaginta und Vulgata jeweils fünf verschiedene Ausdrücke für Chîdāh. Übrigens sprengt auch die griechische Bibel ähnlich wie das hebräische Alte Testament einen engen Rätselbegriff. Hier kommen als Belegstellen für „Rätsel“ noch Sir 39,3
4. Theologische Konsequenzen
Der Rätselbegriff hat in der Theologie zumeist hinter demjenigen des „Geheimnisses“ zurückstehen müssen. Die christliche Theologie ist damit mehr der Rätselvorstellung von Num 12,8
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
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- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
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2. Weitere Literatur
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- Yadin, A., 2002, Samson’s ḥîdâ, VT 52, 407-42
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