Deutsche Bibelgesellschaft

(1040/41-1105)

(erstellt: Mai 2009)

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1. Leben

Raschi ist die aus den Anfangsbuchstaben bestehende Abkürzung für Rabbi Schelomo Jizchaqi (andere Schreibweise: Salomo ben Isaak). Er wurde 1040/41 im französischen Troyes geboren und gilt als der berühmteste jüdische Bibel- und Talmudkommentator des nordeuropäisch-jüdischen Mittelalters. Mit 20 Jahren ging er ins Rheinland, um an den Akademien in Mainz und Worms zu lernen und kehrte ca. 1070 nach Troyes zurück, um dort Weinbau und Landwirtschaft zu betreiben und ein eigenes Lehrhaus zu gründen. Raschi starb am 29. Tammus 4865 (= 20.07.1105) in Troyes.

2. Werk

In Troyes verfasste Raschi Kommentare zur Bibel und zum Talmud (nach 1070) sowie Responsen (rabbinische Entscheide), Briefe und liturgische Dichtungen. Von seinen Bibelkommentaren haben sich der Tora-Kommentar (Perusch ha-Tora) sowie die Kommentare zu den Vorderen und Hinteren Prophetenbüchern und den Schriften erhalten (→ Kanon; die Kommentare zu Esra, Nehemia, Chronikbüchern und Hi 40,25ff sind von späterer Hand). Raschi glossierte beinahe alle Traktate des babylonischen Talmuds. Die Besonderheit seiner Kommentare besteht in seinem konzisen und präzisen Auslegungsstil, in der straffen Adaptation traditioneller Überlieferungen sowie in seinen Erklärungen nach dem peschat („Literalsinn“; → peschat-Auslegung). Die Kommentare enthalten altfranzösische Glossen (ca. 1300 zum Bibeltext und ca. 3500 zum Talmud), die noch heute als wertvolle Quelle für die französische Sprachgeschichte gelten.

Berühmt wurde Raschi durch seinen Tora-Kommentar, der nach 1070 in Troyes verfasst wurde. Er ist der Erste im nordfranzösischen und deutschen Raum, der auf einer gründlichen Analyse des hebräischen Textes basierte und dabei ein Wort sowohl in seinem Kontext als auch seinem sprachlichen Ausdruck nach erklärt. Raschi schöpfte dabei auch aus den (hebräischen) Arbeiten der spanischen Hebraisten. Weil er kein Arabisch konnte, blieben ihm die arabischen Werke der jüdischen Sprachwissenschaftler aus Spanien und Nordafrika verschlossen. In großem Umfang verwendet er auch zeitgenössische französische Glossariensammlungen. Dabei erklärt er nicht nur den hebräischen Begriff, sondern auch die Wortwahl der Glossatoren und verbindet somit Lexikologie und Kontextanalyse. Umstritten ist bis heute der Anteil antichristlicher Polemik in seiner Auslegung.

Die Besonderheit seiner Kommentare liegt in dem Verhältnis von Auslegung nach dem Literalsinn einerseits und traditionellen Auslegungen andererseits. Der locus classicus, in dem Raschi seine Kommentiertechnik darlegt, findet sich zu Gen 3,8 (ähnlich auch in seiner Vorrede zum Hohenlied): „(Zu dieser Textstelle) gibt es viele MidRaschim (…). Ich aber komme (jetzt nur), den einfachen Sinn des Verses (darzulegen) und um jene aggadischen Auslegungen zu bringen, die die Worte des Verses (befriedigend) erklärt (und) jedes Wort in den Zusammenhang einfügt.“ Heute wird zumeist Raschis Anspruch der Auslegung nach dem einfachen Wortsinn betont. Wahrscheinlich ist aber diese Ausführung viel formaler zu lesen. Es geht nicht um eine neue Methode der Bibelauslegung, sondern um die literarische Neuformierung der traditionellen Quellen (→ Midrasch) als dem „klassischen jüdischen Bildungsgut“. Raschi gestaltet also ein erweitertes Lehrprogramm: Die von ihm getroffene Auswahl an Midraschtexten wird in einer Weise präsentiert, die dem Schüler die Relationierung von Bibel und Traditionsliteratur ermöglicht. Damit geht es um die Frage nach der Auslegung auf der Basis rabbinischer auctorita und ihrer Relation zur eigenen ratio. Raschi bewegt sich damit ganz im Schema der mittelalterlichen lateinischen Kompilatoren: In der Kollektion und Neuzusammenstellung (compilatio) liegt das innovative Moment des Perusch ha-Tora.

3. Wirkung

Raschis Tora-Kommentar liegt heute in über 100 Manuskripten vor und übte einen großen Einfluss auf die nachfolgende jüdische wie christliche Exegese aus. Er war Quelle einer Vielzahl von Superkommentaren. Der Kommentar war das erste gedruckte hebräische Buch (1475) und ist bis heute fester Bestandteil der jüdischen Drucke der Hebräischen Bibel (→ Rabbinerbibel). Bis heute gibt es keine kritische Ausgabe.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996

2. Weitere Literatur

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  • Dahan, G. / Nahon, G. / Nicolas, E. (Hg.), 1997, Rashi et la Culture Juive en France du Nord au Moyen Âge, Paris / Louvain
  • Gelles, B. J., 1981, Peshat and Derash in the Exegesis of Rashi, Leiden
  • Golb, N., 1989, The Jews in Medieval Normandy. A social and intellectual history, Cambridge / Mass.
  • Grossman, A., 2. Aufl. 1997, The Early Sages of France. Their Lives, Leadership and Works, Jerusalem (heb.)
  • Kamin, S., 1991, Jews and Christians Interpret the Bible, Jerusalem (hebr. / engl.)
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  • Smalley, B., 1952, The Study of the Bible in the Middle Ages, Oxford
  • Touitou, E., 2003, Exegesis in Perpetual Motion. Studies in the Pentateuchal Commentary of Rabbi Samuel ben Meir, Ramat Gan (hebr.)

Abbildungsverzeichnis

  • Raschi (Holzschnitt 1539). © public domain

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