Ratschluss Gottes
(erstellt: Dezember 2010)
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1. Ratschluss Gottes
JHWH, der Gott Israels, ist zugleich der Herr der Welt und ihrer Geschichte. Diese in vielen biblischen Textbereichen begegnende Grundüberzeugung findet ihre Ausgestaltung unter anderem in der Vorstellung eines göttlichen Ratschlusses, der bei Gott konzipiert worden ist und sich in der Geschichte der Welt und der in ihr lebenden Menschen erfüllt. Er leitet und bestimmt das Leben des Einzelnen und der Menschengemeinschaft. In vielen prophetischen Belegen gilt der Ratschluss Gottes als ein Instrument göttlicher Weltpolitik, das die Absichten Gottes in der Völkerwelt durchsetzen will.
1.1. Zum Begriff „Ratschluss“
Das deutsche Wort „Ratschluss“ meint einen „Beschluss nach Überlegung“ (Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm 14, Sp. 194) und gibt in den deutschen Übersetzungen der hebräischen alttestamentlichen Bücher zumeist das hebräische Substantiv עֵצָה ‘eṣāh wieder, das seinerseits mit dem Verbum יעץ j‘ṣ zusammenhängt. יעץ j‘ṣ meint im Qal „(be)raten / planen / beschließen“, im Nif. „sich beraten lassen / sich beraten / nach Besprechung anraten / beschließen“, im Hitp. „sich beraten“. Dem entsprechend kann das Substantiv עֵצָה ‘eṣāh sowohl die Bedeutung „Rat(schlag)“ als auch „Plan“ und „Beschluss“ annehmen.
Nach H.-P. Stähli (749) ergibt sich aus der Bedeutung „raten“ für יעץ j‘ṣ „auch die daraus resultierende von ‚beschließen, planen‘, wobei nach dem Zusammenhang dieses Planen bzw. Beschließen dies sowohl einen positiven … als auch einen negativen Sinn beinhaltet“. L. Ruppert (720) gibt dagegen zu bedenken, dass der etymologische Befund für יעץ j‘ṣ „nur die Bedeutung ‚raten, ermahnen‘ bzw. ‚Vorhaben, Plan‘“ erlaube. Nach ihm meint יעץ j‘ṣ ursprünglich „ein Orakel erteilen“ (vgl. Num 24,14
Ein Vergleich mehrerer deutscher Bibelübersetzungen macht deutlich, dass hebr. עֵצָה ‘eṣāh nicht ausschließlich mit „Ratschluss“ übersetzt wird. Die Lutherbibel von 1545 (L 1545) verwendet das Wort „Ratschluss“ überhaupt nicht. Auch die Ausgabe von 1912 (L 1912) hat es außer in Jes 25,1
1.2. Belege
Die Stellen, die עֵצָה ‘eṣāh „Rat / Plan“ mit Gott verbinden, sind bereits in 1.1 aufgeführt worden. Das Verbum יעץ j‘ṣ „raten / planen“ findet sich mit JHWH bzw. Gott als Subjekt in 2Chr 25,16
Noch weitere Substantive und Verben stehen für göttliches Beschließen und Planen bzw. für die Bedeutung „Ratschluss / Plan“:
1.2.1. In Jes 55,8
1.2.2. Jer 23,20
1.2.3. Am 3,7
Die Septuaginta übersetzt עֵצָה ‘eṣāh zumeist mit βουλή boulé „Wille“, die Vulgata überwiegend mit consilium „Beratung / Rat / Plan / Ratsversammlung“.
1.3. Gottes Ratschluss: göttliches und menschliches Planen
Gottes Ratschluss und Plan setzen sich gegen menschlichen Rat und Plan durch. Das gilt für das Leben des Einzelnen, für das einer Gemeinschaft und eines Volkes. Spr 19,21
Die wahrscheinlich nachexilisch überarbeitete → Josefsgeschichte
Vergleichbar sieht die deuteronomistisch (→ Deuteronomismus
Die Psalmverse Ps 106,13
Für die Hiobdichtung bleiben die göttlichen Absichten dem Menschen unzugänglich. Gott nimmt in Hi 38,2
1.4. Gottes Ratschluss: Instrument göttlicher Weltpolitik
1.4.1. Jesaja 40-48
Für die in die Exilszeit zu datierende Schicht von Jes 40-48
1.4.2. Jesaja 1-39
In der Gesamtkonzeption von Jes 1-12
Der Gotteseid in Jes 14,24-27
Jes 19,1-15
Die aus der späteren nachexilischen Zeit stammende Dichtung über Phönizien Jes 23,1-14
Das Lehrgedicht Jes 28,23-29
Der Verfasser des Weherufs Jes 30,1-5
Das eschatologische Danklied Jes 25,1-5
1.4.3. Weitere Texte aus Prophetenbüchern und Psalmen
Das Gebet → Jeremias
Die → Edom
Nach Am 3,7
In dem eschatologischen Spruch Mi 4,11-13
Ähnlich spricht Ps 33,10f
2. Prädestination
2.1. Grundsätzliches
Prädestination, „‚Vorherbestimmung‘ als Beschreibung einer religiösen Wirklichkeit meint die zeitlich vorgängige, endgültige Festlegung a) von Menschen in einer entscheidenden Hinsicht, b) von (geschichtlichen) Ereignissen oder c) von anderen Sachverhalten durch (jetzt oder später) wirksames Handeln von seiten Gottes (z.B. seinen ‚Ratschluß‘) bzw. der Götter oder durch sonstige ‚höhere Mächte‘.“ (Röhser, 9).
Zwar kennt das Alte Testament keine systematisch ausgearbeitete Lehre von der Prädestination, doch lassen sich Traditionen und Vorstellungen benennen, die vorherbestimmende Züge aufweisen und somit „als ‚Vorläufer‘ und ‚Begleiter‘ oder auch als erste Vertreter eines strikten Determinationsgedankens im biblisch-jüdischen Raum angesprochen werden können (Röhser, 10).
2.2. Determinierende Vorstellungen
Nach Röhser hat sich der Prädestinationsgedanke im Judentum relativ spät aus anderen Vorstellungen heraus entwickelt, mit der Konsequenz, dass er „sich bleibend mit ihnen überschneidet“ (Röhser, 11). Dazu gehören die wichtigen theologischen Aussagen zu → Erwählung
Gelegentlich begegnet die Vorstellung eines bei Gott geführten → Buchs des Lebens
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., München / Zürich 2004
2. Weitere Literatur
- Berges, U., Jesaja 40-48 (HThKAT), Freiburg / Basel / Wien 2008
- Beuken, W.A.M., Jesaja 1-12 (HThKAT), Freiburg / Basel / Wien 2003
- Beuken, W.A.M., Jesaja 13-27 (HThKAT), Freiburg / Basel / Wien 2007
- Elliger, K., Deuterojesaja. 1. Teilband (BK XI/1), Neukirchen-Vluyn 1978
- Kaiser, O., Leid und Gott. Ein Beitrag zur Theologie des Buches Hiob, in: ders. (Hg.), Der Mensch unter dem Schicksal. Studien zur Geschichte, Theologie und Gegenwartsbedeutung der Weisheit (BZAW 161), Berlin / New York 1985, 54-62
- Kaiser, O., Das Buch des Propheten Jesaja. Kapitel 1-12 (ATD 17), Göttingen 1981
- Plöger, O., Sprüche Salomos (Proverbia) (BK XVII), Neukirchen-Vluyn 1984
- Röhser, G., Prädestination und Verstockung. Untersuchungen zur frühjüdischen, paulinischen und johanneischen Theologie (TANZ 14), Tübingen / Basel 1994
- Ruppert, L., Art. יעץ, in: ThWAT III, Stuttgart u.a. 1982, 718-751
- Schmitt, H.-C., Die nichtpriesterliche Josefsgeschichte. Ein Beitrag zur neuesten Pentateuchkritik (BZAW 154), Berlin / New York 1980
- Stähli, H.-P., Art. יעץ raten, THAT I, 6. Aufl., München / Zürich, 748-753
- Werner, W., Das Buch Jeremia. Kapitel 25-52 (NSKAT 16/2), Stuttgart 2003
- Werner, W., Studien zur alttestamentlichen Vorstellung vom Plan Jahwes (BZAW 173), Berlin / New York 1988
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