Raub / Räuber
(erstellt: August 2014)
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1. Begriff und Wortfeld
Unter Raub versteht man die unrechtmäßige Entwendung einer Sache, normalerweise eines materiellen Gutes, unter Einsatz von Gewalt gegen die Person des Besitzers (→ Besitz
Ist der Raub, z.B. im Rahmen des Kriegsrechts, von einer dazu legitimierten Instanz befohlen oder zumindest zugelassen, so handelt es sich um legales Beutemachen (בזז bzz „erbeuten“). Geschieht die widerrechtliche Aneignung von Gütern anderer Völker ohne Legitimation durch das Kriegsrecht, so handelt es sich um Plünderung (שׁסה šsh „plündern“). Typischerweise werden solche Plünderungen durch Gruppen vorgenommen (שֹׁסִים šosîm „Plünderer“ Ri 2,14
Verschafft sich jemand Unbefugtes mit Gewalt Zugang in ein Gebäude, so handelt es sich um einen Einbrecher פָרִיץ pārîṣ (was auch als „Räuber“ oder „violent man“, so Harland, übersetzt wird).
In deutschen Übersetzungen wird oft auch das Wort טרף ṭrp „zerreißen / Beute machen“ mit „Raub“ übersetzt (z.B. Lutherbibel 1984 in Am 3,4
Auch בגד bgd „betrügen“ wird gelegentlich mit „rauben“ übersetzt. Ferner wird für נצל nṣl Piel in Ex 3,22
2. Bedeutungsebenen von גזל
2.1. Physisches „Abreißen“
Die Grundbedeutung von גזל gzl ist „abreißen“, d.h. etwas, das mit etwas anderem fest verbunden ist, unter Einsatz von Kraft von diesem entfernen. Am deutlichsten ist diese Bedeutung in Mi 3,2
2.2. „Wegreißen“ von Besitz
Auch wenn zwischen dem weggerissenen Teil und dem Objekt, zu dem es ursprünglich gehörte, keine physische Verbindung bestand, sondern er nur zum Besitz gehörte, kann die Handlung als „wegreißen“ verstanden werden. So befürchtet → Jakob
2.3. Metaphorisches „rauben“
Rein metaphorisch wird die Verwendung, wenn auch keine Besitzrelation mehr gegeben ist: In Hi 24,19
3. Rechtskontext
In den meisten Fällen, wird גזל gzl in rechtlichen Zusammenhängen verwendet und bezeichnet den Raub.
3.1. Verbot von Raub
Der Raub ist in Lev 19,13
3.2. Ahndung von Raub
In Lev 5,21-26
3.3. Verschärfte Formen von Raub
Besonders schlimm ist es, wenn Leute ausgeraubt werden, die gar nichts Wertvolles mehr haben, denen man aber das Letzte auch noch nimmt, einfach deshalb, weil sie wehrlos sind (nach Ps 35,10
3.4. Räuberbanden
Raub wurde auch gemeinschaftlich begangen. Nach Ri 9,25
Tun sich Leute zusammen und bilden eine stabile, auf Dauer angelegte geschlossene Gruppe, ohne dazu im Sinne der Gemeinschaft legitimiert oder gar beauftragt zu sein, so bilden sie eine Bande (גְּדוּד gədûd, auch mit „Schar“ oder „Streifschar“ übersetzt). Ihr Anführer heißt שַׂר־גְּדוּד śar gədûd „Bandenführer“ (1Kön 11,24
3.5. Kriegsbeute
Vom Raub deutlich zu unterscheiden ist die Kriegsbeute (→ Krieg
Da die Propheten die Strafe JHWHs oft als kriegerischen Akt gegen Israel erwartet haben, haben sie im Zusammenhang der Niederlage auch davon gesprochen, dass Israel ausgeplündert würde (z.B. Jes 10,6
In manchen Heilsschilderungen wird dann vor Augen gestellt, dass Israel seinerseits seine Plünderer ausplündern wird (Jer 30,16
4. Prophetische Verwendung
4.1. Anwachsen von Kriminalität
In der prophetischen Literatur werden unter den Verbrechen, die zeigen sollen, dass die Beziehung Israels zu JHWH nicht mehr in Ordnung ist, unter anderem Diebstahl und Raub genannt (z.B. Hos 4,2
In der Schilderung des exemplarischen Gerechten kommt unter anderem auch vor, dass „er nicht raubt“ (Ez 18,7
4.2. Ausweitung der Rechtsnormen
Nach Mi 2,1-2
4.3. Mahnung zur Rettung der Opfer und Raub
In den prophetischen Mahnungen, die regelmäßig eine Rechtspflege einfordern, die dem Rechtswillen JHWHs entspricht, wird neben anderen Verbrechen gelegentlich auch der Raub erwähnt. Speziell wird dazu aufgerufen, sich für die Opfer von Raub und Unterdrückung einzusetzen (Jer 21,12
4.4. Raub und Kult
Besonders schlimm ist es in den Augen der Propheten, wenn am Tempel in Jerusalem, dem organisatorischen und spirituellen Zentrum des JHWH-Glaubens, die Verbrechen im wirtschaftlichen Alltag auch noch verschleiert anstatt offen zur Sprache gebracht werden und die Täter im Rahmen des Kultes keinerlei Sanktionen hinnehmen müssen. Scharf und pointiert bringt das die Tempelrede Jeremias zum Ausdruck. In Jer 7,11
Im Neuen Testament ist der griechische Ausdruck in Mt 21,13
Innerhalb einer kultkritischen Passage wird Priestern in Mal 1,13
5. Das Verhältnis JHWHs zum Raub
Das auf dem Boden des JHWH-Glaubens formulierte Recht verbietet den Raub sowie andere Maßnahmen, das Eigentum anderer ohne deren freie Zustimmung an sich zu bringen (Diebstahl, Erpressung, Einbehaltung anvertrauten oder gefundenen Gutes). Für den Raub sind keine drastischen Strafen vorgesehen. Im Wesentlichen geht es um die Rückgabe des Geraubten und einen gewissen Aufpreis für den Ausgleich des erlittenen Schadens und den Aufwand der Wiederbeschaffung. Wo das Eigentumsrecht verletzt wird, ist aber JHWH tangiert. Insbesondere wenn ein Raub, wie auch manch anderes Verbrechen, unentdeckt oder ungeahndet bleibt, schaltet sich JHWH ein und straft den Übeltäter.
In Jes 61,8
Die Propheten betrachteten (s.o.) den Raub, oft zusammen mit der Erpressung, insbesondere wenn er gemeinschaftlich und systematisch begangen wurde, und selbst wenn er unter dem Schein des Rechts geschah, als Indikator für den Verfall der religiösen Grundlagen der Gemeinschaft und kündigten solchen Räubern die Bestrafung durch JHWH an (Mi 2,3
In dem Kapitel Dtn 28
In den Zukunftsaussagen des Alten Testaments nimmt die vollkommene Verwirklichung von Recht und Gerechtigkeit einen zentralen Platz ein: Dass es, wenn Gottes Herrschaft vollkommen realisiert werden wird (→ Eschatologie
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
2. Weitere Literatur
- Harland, P.J., 1996, Robber or violent man? A note on the word parîṣ, VT 46, 530-534
- Kessler, R., 2006, Sozialgeschichte des alten Israel. Eine Einführung, Darmstadt
- Stoebe, H.J., 1967, Raub und Beute, in: B. Hartmann (Hg.), Hebräische Wortforschung (VT.S 16; FS W. Baumgartner), Leiden, 340-354
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