Reinheit / Unreinheit / Reinigung (AT)
(erstellt: April 2007)
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1. Zur Terminologie und Allgemeines
Die dem modernen Denken eher fremden Vorstellungen, die mit den Begriffen „rein“ (hebr. טהר) und „unrein“ (טמא) in Verbindung stehen, sind für das Alte Testament und das frühe Judentum zentrale Ordnungskategorien. Wenn der Begriff „rein“ auch gelegentlich als ein Synonym für „heilig“ erscheinen kann (z.B. Ex 30,35
2. Rein / unrein bzw. Reinigung als priesterliche Konzeption
2.1. Grundlegendes
Das Konzept der Reinheit im Alten Testament ist vornehmlich durch Belege in der priesterlichen Literatur belegt; zahlreiche andere Überlieferungen ergänzen und erweitern diesen Bestand. Versucht man die komplexen Zusammenhänge zunächst einmal vereinfachend darzustellen, so lässt sich generell sagen: Ausgangspunkt für die Vorstellung von rein und unrein ist die Heiligkeit des Tempels. Um dieser Heiligkeit des Tempels zu entsprechen, müssen alle Menschen und Dinge, die in Kontakt mit dem Heiligtum stehen, im Zustand der Reinheit sein. Nur wer rein ist, darf Opferfleisch essen (Lev 7,19
Normalerweise befinden sich Menschen, Tiere und auch alle anderen Dinge im Zustand der Reinheit. Abweichungen von der Regel werden in den priesterlichen Reinheitstorot explizit genannt. Solche wesensmäßigen unreinen Tiere und Dinge können ihre Unreinheit – je nach Quelle durch Verzehr, Berührung oder „Bezeltung“ (d.h. durch Anwesenheit in ein und demselben Raum) – auf andere Menschen und Gegenstände übertragen. Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass diese dadurch für den Kontakt mit dem Kult untauglich werden bzw. in Einzelfällen generell aus dem Bereich der Gemeinschaft zu entfernen sind. Reinigungsriten wie Waschungen, Blutriten u.ä. stellen – häufig in Verbindung mit dem Zeitfaktor – den Zustand der Reinheit wieder her. Dabei kommt es zu einer Verbindung von archaischen Blutriten, Reinigungsmitteln (Ysop, Karmesinfäden, Zedernholz u.ä.) und Applikationsriten (Bestreichen oder Besprengen von Kultgeräten oder Probanden). Häufig spielt auch das deklaratorische Element, wonach die Reinheit einer Person oder Sache vom Priester erklärt werden muss, eine Rolle.
Wenn eine Gesundung ausbleibt (wie im Falle von Aussatz), können Reinigungsriten auch eliminatorische Funktion haben, indem sie dafür sorgen, dass das unreine Element dauerhaft aus der Gemeinschaft entfernt wird. Nach Lev 16 müssen der Altar und die Stiftshütte am Großen Versöhnungstag durch ein spezifisches Blutbesprengungsritual von den Verunreinigungen und den Sünden der Israeliten entsündigt (כפר) werden; modernes Denken ist geneigt, hier von der Vorstellung materiell anhaftender Sünde auszugehen oder bereits von einer Sublimierung der Reinheitsvorstellungen. In jedem Fall bildet dieses Konzept den Ausgangspunkt für moralisch-ethische Reinheitsvorstellungen, wie sie dann in der Weisheit eine bedeutende Rolle spielen sollen.
Für die Feststellung von Rein- bzw. Unreinheit (Ez 22,26
2.2. Unreine Speisen
In den priesterlichen Texten werden verschiedene Tiere und Sachen genannt, die wesensmäßig als unrein klassifiziert werden: So gelten zunächst – nach Ausweis von Lev 11,1-23
Die Verunreinigung durch all diese Tiere erfolgt nach dem vorliegenden Zusammenhang durch den Verzehr. Konsequenzen, die sich aus der Verunreinigung ergeben, werden nicht genannt. Deutlich aber wird, dass eine solche Verunreinigung dem Anspruch Gottes auf Israels Heiligkeit gegenübersteht (Lev 11,44f
Geschichtswirksam wurden die Speisegebote vor allem in der hellenistischen Zeit, als auf Beachtung des jüdischen Gesetzes die Todesstrafe stand (1Makk 1,56f
2.3. Aussatz
Eine weitere wichtige Quelle der Unreinheit ist auch Aussatz (hebr. צָרַעַת ṣāra‘at). Wie aus den einschlägigen Quellen deutlich hervorgeht, versteht das Alte Testament unter diesem Phänomen nicht nur verschiedene Hautkrankheiten (vermutet wird u.a. Lepra, aber auch Ekzeme u.ä.), sondern auch auffallende Veränderungen an der Materialität von Stoffen und Lederwaren (Lev 13,47-59
2.4. Geschlechtliche Unreinheit
Des Weiteren stehen verschiedene die Geschlechtsorgane betreffenden sowie die mit Zeugung und Geburt zusammenhängenden Erscheinungen im Fokus der Vorstellungen von rein und unrein. Eine Wöchnerin ist nach der Geburt eines Jungen sieben und nach der Geburt eines Mädchens vierzehn Tage unrein; nach einer weiteren Frist von 33 (bei einem männlichen Kind) bzw. 66 (bei einem weiblichen Kind) Tagen, in der sie sich zu Hause aufzuhalten hat, muss sie vom Priester ein Brand- und ein Sündopfer darbringen lassen, um ihre Reinheit definitiv wieder herzustellen (Lev 12,6-8
Im Status der Unreinheit befindet sich eine Frau auch, wenn sie ihre Regel (Lev 15,19
Aber auch sexuelles Missverhalten kann die Quelle für Unreinheit bilden; hier wird der Umgang mit der Frau eines Stammesgenossen sowie der Umgang mit einem Tier ausdrücklich genannt (grundlegend Lev 18,20
2.5. Tote
Eine weitere Quelle der Unreinheit stellt eine → Leiche
Des Weiteren ist in diesem Kontext auch auf die Regelungen zu verweisen, die für den Umgang mit tierischem Aas dargelegt werden. Hier gilt, dass sowohl die Berührung als auch der Verzehr verunreinigt. Dabei sind sowohl die unreinen (Lev 11,24-38
3. Reinheit / Unreinheit und die Auseinandersetzung mit dem Götzendienst
Vor allem in der prophetischen Gerichtsbotschaft bei → Hosea
In den nachexilischen prophetischen Überlieferungen erhält der Begriff „rein“ dann immer deutlicher einen eschatologischen Akzent; als Gegenstück zum Schuldaufweis mit dem Vorwurf der Verunreinigung entwerfen die Propheten das Hoffnungsbild, dass Gott selbst die Reinheit seines Volkes wieder herstellen wird (Jes 35,8
4. „Rein“ und „unrein“ in den weisheitlichen Überlieferungen
In der weisheitlichen Literatur findet eine Weiterbildung des Vorstellungskomplexes von „rein“ und „unrein“ in den ethischen Bereich hinein statt. Reinheit erscheint als Reinheit im Sinne von Sündlosigkeit (Spr 20,9
5. Reinheit als religiöses Symbolsystem – Bedeutungsdimensionen und Funktionen
Die Frage nach dem Grund, bestimmte Phänomene als „unrein“ zu klassifizieren, ist Gegenstand intensiver ethnologischer und anthropologischer Forschungen. Der Vorschlag, man habe Tiere, die anderen Religionen als heilig galten, gleichsam aus dem Motiv der Abgrenzung als unrein erklärt, scheitert daran, dass keines der in Lev 11,4-8
Neben solchen grundsätzlichen Vorstellungen ist auch der funktionale Aspekt von Rein- bzw. Unrein-Klassifikationen zu bedenken. Die Beachtung der Reinheitsgebote schafft soziale Abgrenzungen nach außen und Kohäsion nach innen und impliziert somit eine identitätsstiftende Komponente. Gerade dieser Aspekt wird in frühjüdischer Zeit im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit dem Hellenismus offensichtlich. Aber auch die unterschiedlichen frühjüdischen Religionsgruppierungen wie die Essener oder Pharisäer entwickeln verschiedene Reinheitstorot (vgl. z.B. 4QMMT; 1QS 3,3-9; 5,14-20). Im Bereich des Umgangs mit Sexualität und fremden Kulten werden zudem bestimmte Handlungsnormen bestärkt, indem sie in den Kontext eines ontologischen → Weltbildes
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
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2. Weitere Literatur
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- Wilhelm, G., 1999, Reinheit und Heiligkeit, in: Fabry, H.-J. / Jüngling, H.-W. (Hgg.), Leviticus als Buch (BBB 119), 197-217.
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