Religionsgeschichtliche Methode
(erstellt: Mai 2012)
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Die traditionsgeschichtliche Methode untersucht im Rahmen der Bibelauslegung religiöse Motive, Vorstellungen und Konzepte. In diesem Kontext zieht die religionsgeschichtliche Methode für das Verstehen des Alten Testaments vor allem ägyptische und altorientalische sowie für das Verstehen des Neuen Testaments hellenistische und römische Quellen – Bilder und Texte – zum Vergleich heran. Dabei zielt der Vergleich heute anders als früher nicht mehr darauf, die Besonderheit oder sogar den höheren Wert des Alten und Neuen Testaments herauszustellen. Vielmehr sollen die Übereinstimmungen und Besonderheiten aller Quellen vergleichend untersucht werden, um festzustellen, in welchem Maße und mit welcher Intention religiöse Motive und Vorstellungen im Austausch der Kulturen aufgenommen und verändert worden sind. Damit bietet die religionsgeschichtliche Methode auch für die Rekonstruktion der Religionsgeschichte Israels eine Grundlage.
1. Begriffsbestimmung
Die religionsgeschichtliche Methode zählt zum Methodenkanon der → historisch-kritischen Bibelauslegung
Sie unterscheidet sich vom religionsphänomenologischen Vergleich, dem es „um den Aufweis struktureller Gemeinsamkeiten formaler oder sachlich-inhaltlicher Natur [geht], die dazu berechtigen, historisch einzigartige Phänomene aus verschiedenen Religionen zu Gruppen zusammenzufassen und somit um das Auffinden bzw. die Entwicklung einer Systematik, nach der sich die Einzelphänomene ordnen lassen“ (Seelig, 2001, 276). Eng verwandt sind hingegen die Bezeichnungen religionsgeschichtliche oder traditionsgeschichtliche Methode. Es geht also im Zuge dieser Methode um die diachron ausgerichtete Rekonstruktion von antiken Vorstellungen, Denkmodellen oder „Theologien“ (s.u. 3), die in ihrem jeweiligen kulturellen Umfeld ausgebildet wurden und wirksam waren, für die heutige Wahrnehmung aber jeweils neu zu erschließen sind. Durch die breite Sammlung von Vergleichsmaterial aus unterschiedlichen kulturellen und literarischen Kontexten wird versucht, die Traditionsgeschichte eines Motivs oder Erzählkomplexes (= Text) historisch zu rekonstruieren und den Prozess der Differenzierung oder auch Verschmelzung mit anderen Motiven zu analysieren.
Der Neutestamentler Henning Paulsen hat auf ein grundsätzliches Problem in der Begriffsbildung hingewiesen: Seit der bahnbrechenden Schrift → Hermann Gunkels
2. Etappen der Forschung
2.1. Die Anfänge religionsgeschichtlicher Forschung
In Absetzung der These → Julius Wellhausens
„Babylonischen Einfluß dürfen wir im allgemeinen für die Ursagen annehmen …; die Schöpfungsgeschichte stimmt mit der babylonischen in einem, aber einem sehr bedeutsamen Zuge, der Zerteilung des Urmeeres in zwei Teile, die Wasser oben und unten, überein“ (1917, LVIII) … „Über die Zeit und Art des Eindringens dieser Sagen in Israel sind die Meinungen der Forscher geteilt: uns erscheint es aus inneren Gründen als wahrscheinlich, daß sie bereits im zweiten Jahrtausend, von Volk zu Volk ziehend, auch nach Kanaan gekommen waren und von Israel übernommen wurden, als es in die kanaanäische Kultur hineinwuchs; auch zeigt sich im Stoff von Gen 1
Angeregt durch die fortschreitende Entzifferung der Keilschriftliteratur im 19. Jh. markierte Gunkel den Ausgangspunkt der in Gen 1
Einerseits wehrte Gunkel sich wie auch die anderen Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule gegen den Historismus, der in der Literarkritik der Wellhausen-Schule seine elaborierteste Form erhielt, andererseits geriet „gerade die Traditionsgeschichte der religionsgeschichtlichen Schule häufig zu einer losgelösten Bewegung im Reich der Ideen“ (Paulsen 451), die aber auf eine konsequente Historisierung der kirchlichen Überlieferung zielte. Es ging den Vertretern nämlich darum, den Ursprung einer Idee bzw. Tradition auszumachen und darauf basierend die Entwicklungsgeschichte zu rekonstruieren. Die Methode diente zugleich dazu, in negativer Weise das spezifisch Israelitische bzw. Christliche einer Tradition in Abgrenzung der zeitlich vorgelagerten Traditionen zu erheben (→ Babel-Bibel-Streit
„Wir haben bei der Erforschung der Mythen und Sagen nicht nur mit Schriften und Schriftstellern, sondern bei weitem mehr mit mündlicher Tradition zu rechnen. Und aufs sorgsamste ist überall zwischen der Zeit des ältesten, uns erreichbaren Beleges für einen Gedanken und dem Alter der Idee selbst zu unterscheiden“ (1895, 135).
So plausibel der Gedanke auch scheint, so wenig ist mündliche Überlieferungsgeschichte rekonstruierbar oder gar an ihren Eckpunkten fixierbar (Carr, 2011; Bauks, 2012). Die in Gunkels Genesiskommentar vorgelegte literargeschichtliche Methode berücksichtigt als neues „hartes“ Kriterium form- und gattungsgeschichtliche Beobachtungen, mit deren Hilfe er die Literatur Israels gliedert. Andeutungsweise bereits im Genesiskommentar vorhanden (1917, 119.124.305) wird in den späteren Schriften zu Prophetie und Psalmen das methodische Vorgehen um die Bestimmung des „Sitzes im Leben“ von Gattungen erweitert, d.h. die typische Kommunikationssituation einer Gattung wird erhoben und auf die mündliche Überlieferung angewendet (→ Historisch-kritische Bibelauslegung
2.2. Die religionsgeschichtliche Methode im Schatten der dialektischen Theologie
Spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg erlitt die religionsgeschichtliche Methode in Deutschland einen tiefen Einbruch (s. bereits den früheren → Babel-Bibel-Streit
Ähnliche Prämissen prägten auch die Arbeiten einiger Biblischer Archäologen, indem versucht wurde, die Befunde unter Berücksichtigung der biblischen Überlieferungen als einer vermeintlichen historischen Quelle auszuwerten (→ Archäologie Palästinas
Ein etwas anderes Profil verfolgten → A. Alt
2.3. Die Entdeckung der Religionsgeschichte Israels als Teildisziplin der Altorientalistik und der Antikenwissenschaft
Lange hatten auch die Verfechter der religionsgeschichtlichen Methode dem theologischen Anspruch gehorcht, dass jeglicher Vergleich letztlich dazu dienen müsse, die Eigenart sowie den Exklusivitätsanspruch biblischer Traditionen vor den altorientalischen Parallelen herauszuarbeiten. Doch widerrät in vielen Fällen schon die Chronologie einer solchen Anschauung, da die israelitischen Belege in der Regel weitaus jünger sind als die ältesten altorientalischen (→ Babel-Bibel-Streit
Geschlossener gestaltet sich der Vergleich mit der neutestamentlichen Literatur, in der Parallelen zum hellenistisch-römischen Kulturkreis chronologisch und vor allem sprachlich erst einmal viel näher zu liegen scheinen (vgl. bereits das Kommentarwerk J.J. Wettsteins zum Novum Testamentum Graecum, 18. Jh., oder G. Heinricis Corpus Hellenisticum, 19. Jh.; zum Ganzen Seelig, 2001).
Es setzte sich nachhaltig das Verständnis durch, dass die Religionsgeschichte Palästinas als Teildisziplin der Altorientalistik und der Antikenwissenschaft zu sehen ist, weil sich die Religion Israels / Judas erst im Laufe der jüdisch-christlichen Rezeption von den derweil längst vergangenen Nachbarkulturen gelöst und einen eigenständigen Weg beschritten hat. Anhand von zwei Entwürfen sei der erfolgte Paradigmenwechsel beispielhaft dargelegt.
2.3.1. Ikonographische Rekonstruktion der Religionsgeschichte Israels
Einige Titel von Studien der sogenannten Freiburger Schule wie „Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener Quellen“ (1. Aufl. 1992) und „Die Ikonographie Palästinas / Israels und der Alte Orient. Eine Religionsgeschichte in Bildern“ (2005ff) lassen erkennen, wie sehr sich im Laufe des religionsgeschichtlichen Forschens die Einstellung zur Religionsgeschichte verändert hat und wie sehr die religionsgeschichtliche Methode – wenn auch in veränderter Form – auf die heutige Exegese Einfluss nimmt. Auf der anderen Seite lassen die ikonographischen Befunde vermuten, dass auch die Literatur- und Kulturgeschichte des alten Israel / Juda nicht mehr unabhängig von den Einflüssen der benachbarten Kulturen rekonstruiert und beschrieben werden kann. Der biblische Exklusivitätsanspruch bezieht sich auf den theologischen Anspruch der Einzigkeit des Gottes Israels, der aber seinerseits ein historisches Produkt ist und ein sehr spätes Ergebnis der religiösen Entwicklung darstellt (→ Monotheismus
2.3.2. Literarische Rekonstruktion der Religionsgeschichte Israels
Um der Gefahr eines methodisch unzulänglichen Vergleichs und einer allzu vagen ideengeschichtlichen Rekonstruktion zu entgehen, sind zum einen die Texte zunächst je für sich auszulegen und zum anderen die Kontexte der jeweilige Texte im anschließenden religionsgeschichtliche Vergleich sorgfältig zu berücksichtigen. So ist z.B. ist zu beachten, in welchem formgeschichtlichen Kontext eine Aussage gemacht wird (vgl. z.B. Berger, 1976, 151f. in Reaktion auf die ersten Vergleichsstudien der Religionsgeschichtlichen Schule).
Gunkels Rückführung von gattungsmäßig sehr unterschiedlichen Texten wie Gen 1
2.3.2.1. Beispiel: Heilsorakel. Manfred Weippert hat eine Detailanalyse der Heilsorakel → Deuterojesajas
Doch auch in diesem Fall tritt eine Frage deutlich zu Tage, die die religionsgeschichtliche Methode stets begleitet hat: Wie konnte der anonyme Exilsprophet [bzw. die Prophetenschule], dem [/der] diese Orakel zugeschrieben werden, Kontakt mit neuassyrischen Archivtexten haben, die nach der Zerstörung → Ninives
2.3.2.2. Beispiel: Apodiktisches Recht. Ein zweites gattungsgeschichtlich gut rekonstruiertes Beispiel entstammt der Rechtsliteratur. Bereits → Albrecht Alt
Inzwischen ist sowohl die Aufteilung in apodiktische und kasuistische Rechtstexte also auch die Einschätzung von genuin israelitisch bzw. von der Umwelt geerbt revidiert worden. Zum einen ist deutlich geworden, dass die traditionellen altorientalischen Rechtssammlungen keine präskriptiven Rechtsbestimmungen enthalten, anhand derer Jurisdiktion durchgeführt wurde, sondern deskriptiv in Musterfälle einführen, die der (mündlichen) Rechtspraxis dienlich sind (vgl. Schmid, 2008, 102f. mit weiterer Literatur). Zum anderen ergibt der Vergleich mit den jüngst erschlossenen altorientalischen Rechtstexten das Bild, dass die in Dtn 13
2.4. Aufgaben für die religionsgeschichtliche Methode der Zukunft
Die veränderte Perspektive auf das religionsgeschichtliche Arbeiten, welche die Religionsgeschichte Israels als Teil einer syrisch-palästinischen Religionsgeschichte versteht (Koch, 1999), verdankt sich zum einen der Selbstverständlichkeit, mit der historisch-kritische Forschung etabliert ist und biblische Literatur unabhängig von ihrem theologischen Wert für die heutige Rezeption betrachtet werden kann. In praktischer Hinsicht verdankt sie sich aber auch der ständig anwachsenden Publikation altorientalischen Bild- und Textmaterials, das auch der Exegese zugänglich wird und in verschiedenartigen Bildbänden, Datenbanken (z.B. BODO
2.4.1. Lückenhafte Quellenlage. Ein dringliches Problem ist das der höchstens bruchstückhaft rekonstruierbaren Überlieferungswege (missing link) von mündlichen wie schriftlichen Traditionen. Für weite Teile des 1. Jahrtausends fehlen Spuren eines Archivs in Palästina, wie es für syrische (→ Ebla
2.4.2. Das Gewicht mündlicher Überlieferung. Einzelne Epochen (→ Exilszeit
2.4.3. Notwendigkeit von Analogieschlüssen. Sofern der religionsgeschichtliche Vergleich die Rekonstruktion literarischer Zusammenhänge oder Abhängigkeiten nicht zulässt, ist die religionsgeschichtliche Methode wieder auf ihre ersten Anfänge rückverwiesen: Mangels präzise rekonstruierbarer Überlieferungswege („Genealogie“) ist sie auf „Analogie“ angewiesen (Seelig, 2001, 318 mit Verweis auf A. Deißmann). Dabei muss die Analyse von Motiven unter besonderer Berücksichtigung form- bzw. gattungsgeschichtlicher Merkmale methodisch abgesichert werden.
Dem methodisch schwierigen Unterfangen stellten sich zuletzt die Herausgeber sehr umfangreicher Textsammlungen wie J.P. Pritchard, O. Kaiser und W.W. Hallo mit ihren jeweiligen Mitherausgebern (s. Literaturverzeichnis 2). W.W. Hallo hat seine Vorgehensweise recht ausführlich dargelegt (2003, 1-27) und eine horizontale – d.h. an geographischen, historischen, religiösen, politischen und literarischen Settings gemessene – Gliederungsebene und eine vertikale, an der diachronen Zeitachse orientierte zum Maßstab genommen. Diese, den drei Anthologien gemeinsame Struktur gehorcht folgenden, für den Vergleich wichtigen Grundsätzen (Longman, 2003, 194; vgl. auch Seelig 2011, 312f.328f.):
- Die Gattung eines jeden Texts ist in dem ursprünglichen kulturellen und literarischen Kontext zu betrachten, bevor es zum Textvergleich kommen kann.
- Im religionsgeschichtlichen Vergleich sind Parallelen und Unterschiede zwischen allen Texten gleichermaßen zu berücksichtigen.
- Je größer die zeitliche Nähe von zwei Texten ist, desto bedeutsamer ist der Vergleich.
- Je größer die geographische Nähe von zwei Kulturen ist, desto bedeutsamer ist der Vergleich.
- Je näher die den Texten zugrunde liegenden Sprachen verwandt sind, desto bedeutsamer ist der Vergleich.
- Übernahme, d.h. Motiv / Text sind aus der anderen Kultur / Religion ohne sachliche Veränderung überführt worden.
- Adaptation, d.h. Motiv / Text sind an den neuen Vorstellungsrahmen angepasst worden ohne gravierende Veränderungen.
- Umbildung, d.h. Motiv / Text wurden in den neuen Vorstellungsrahmen unter gravierenden Veränderungen eingefügt.
3. Religionsgeschichte Israels versus Theologie des Alten Testaments
Die religionsgeschichtliche Methode widmet sich erstens der hermeneutischen Frage, wie biblische Einzeltexte in ihrem besonderen kulturellen Rahmen im Vergleich mit außerbiblischen Texten kontextualisiert und für den modernen Betrachter in ihrer historischen Intention erhellt werden können. Zweitens bemüht sie sich, aus den Ergebnissen dieses Vergleichs Schlüsse für die Rekonstruktion der Religionsgeschichte Palästinas zu ziehen. Drittens zeigt sie aber auch ein systematisches Anliegen, wenn sie sich die notwendige Verhältnisbestimmung von biblischen Traditionen innerhalb der ägyptisch-altorientalischen bzw. griechisch-römischen Welt zur Aufgabe macht, ohne den theologischen Anspruch der Texte aufzugeben. In den Anfängen der Methode hatte der grundsätzliche theologische Anspruch den Blick auf eine Eigenwertigkeit der außerbiblischen Texte verstellt, was dazu geführt hat, dass diese im Sinne der Apologetik instrumentalisiert und mitunter sogar polemisch verzeichnet wurden (z.B. Babel-Bibel-Streit). Mit einer rein historisch ausgerichteten Komparatistik droht aber die Adressatenschaft christlicher Theologinnen und Theologen aus dem Blick zu geraten.
R. Albertz legte 1992 eine zweibändige „Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit“ vor, die „bewußt als Lehrbuch für Studenten, Pfarrer, Religionslehrer und interessierte Laien geschrieben [ist] … [und] ihnen eine Gesamtschau der geschichtlichen Entwicklung in allen ihren Aspekten vorführen [soll], die ihnen das Verstehen erleichtert, Orientierung ermöglicht und zur eigenen Weiterarbeit anregt“ (1992, 6). Es geht ihm neben der historischen Rekonstruktion zugleich um die theologische Ausdeutung des Erzählmaterials auf der ausschließlichen Grundlage historisch-kritischer Methodik. Er fragt, ob die „Religionsgeschichte Israels“ eine mögliche und vielleicht sogar zeitgemäßere Alternative für die klassisch eingeführte Gattung der „Theologie des Alten Testaments“ darstelle (so Albertz, 1995; vgl. zu der sehr kontrovers geführten Diskussion Janowski / Lohfink, 1995). Der Alternativsetzung beider Disziplinen ist indes vehement widersprochen worden. Denn sie könnte angesichts von grundlegenden Unterschieden bezüglich Intention und methodischem Regelwerk einen gravierenden Verlust für die Theologie bedeuten. „Wer biblische Hermeneutik mit dem Ziel betreibt, die Schrift gewordene Aktualisierung der Gottesgeschichte zu verstehen, um daraus ihr theologisches Gegenwarts- und Zukunftspotential zu erschließen, wird nicht primär auf die Religionsgeschichte setzen dürfen“ (so Spieckermann, 2008, 279). Theologie will also nicht nur die Genese der Überlieferung rekonstruieren, sondern auch ihre Geltung – und dazu bedarf es anderer hermeneutischer Zugangsweisen (Janowski, 2005, 110-113).
Umgekehrt fand die Rede von „Theologie(n)“ aber auch Eingang in der Beschreibung nicht-christlicher Symbolsysteme. So hat z.B. B. Meissner in seiner Studie „Babylonien und Assyrien“, (Bd. 2, 1924) das 15. Kapitel „Kosmologie und Theologie“ überschrieben. Seit der Entzifferung durch K. Sethe trägt der Schabaka-Stein den Titel „Denkmal memphitischer Theologie“. Und Jan Assmann führt in seiner Religionsgeschichte (1984) die Unterscheidung in explizite und implizite Theologie ein, von denen beide Formen in ägyptischen Texten durchaus vertreten sind.
Theologiebildung ist ein typisches Merkmal sekundärer Religionserfahrung (Wagner, 2006), in der es um die Differenzierung in Wahrheit und Lüge, richtige und falsche Religion geht. Nach Assmann ist es ein Merkmal aller sekundären Religionen, „im Widerspruch und in der produktiven Spannung zwischen einer synkretistischen Religion bzw. Praxis und einer mehr oder weniger orthodoxen Theologie bzw. Theorie“ zu stehen, wenn auch die ägyptische Religion z.B. keine eigene Apologetik ausgebildet hat (Assmann, 2005, 66f.).
Bei der Bezeichnung Theologie sind nach Janowski drei Ebenen zu unterscheiden: 1) die Deutungsebene: hier geht es um das Verhältnis von Weltbild und religiöser Praxis; 2) die Reflexionsebene: im Falle komplizierter organisierter „sekundärer“ Religionen geht es um religiöse Systematik bis hin zu „Dogmenbildung“ sowie 3) die Überlieferungsebene: hier geht es um Überlieferungswege, Kodifizierung und Kanonisierung religiöser Texte. Die Beschäftigung mit antiken Theologien unterscheidet sich zwar durch den Standpunkt des unbeteiligten Beobachters, der die untersuchten religiösen Systeme als der Vergangenheit zugehörig wahrnimmt. Nichtsdestotrotz lassen sich auch aus dieser Perspektive interne theologische Strömungen erkennen und religionsgeschichtliche Prozesse rekonstruieren.
Literaturverzeichnis
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