Ruben
Andere Schreibweise: Reuben (engl.)
(erstellt: September 2019)
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1. Name und alttestamentliche Belege
Ruben (רְאוּבֵן rə’ûven) ist der erstgeborene Sohn → Jakobs
Als Einzelperson ist Ruben einerseits derjenige, der seiner Mutter Liebesäpfel gibt und ihr so eine Liebesnacht mit Jakob und damit die Geburt ihres fünften Sohnes Issachar ermöglicht (Gen 30,14-18
Andererseits wird auch geschildert, dass Ruben nach Rahels Tod eine sexuelle Beziehung mit → Bilha
Dem Stamm Ruben wird einerseits wie allen anderen Stämmen sein Territorium zugeteilt (Num 32,1-37
In den verschiedenen Texten ist zwar in unterschiedlicher Weise von Ruben und den Rubeniten die Rede, die Unterschiede lassen aber nicht auf eine Trennung zwischen Einzelperson und Stamm schließen, sondern entsprechen jeweils dem Kontext:
Dabei können die negativen Nachrichten über den Eponymen Ruben bzw. über den Stamm Ruben, anders als früher in der Forschung vertreten, nicht als Beleg für einen frühen Untergang des Stammes in vorstaatlicher Zeit gedeutet werden. Nicht die Frage nach der Geschichte des Stammes, sondern eine redaktionsgeschichtliche Einordnung der alttestamentlichen Belege und eine theologische Beurteilung Rubens sind hier weiterführend.
2. Ruben als Erstgeborener im Stämmesystem
2.1. Das System der zwölf Stämme Israels
Sozialgeschichtlich grundlegend ist die Einordnung Israels als → Stammesgesellschaft
Angesichts einer von segmentären Sozialstrukturen geprägten Gesellschaft stellt eine solche Genealogie das geeignete Mittel dar, um Einheit und Solidarität, aber auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern zum Ausdruck zu bringen. Deswegen wird in dieser Gesellschaftsform das Verhältnis der Mitglieder zueinander charakteristischerweise in Genealogien beschrieben. Gerade in einer Situation, in der die Zentralgewalt (des zerbrochenen Nordreichs) keine entscheidende Funktion mehr hat, wird somit die Form der → Genealogie
2.2. Literarische Einordnung
Ausgangspunkt für die literarische Einordnung der Genealogie von Gen 29f* ist eine mündliche Tradition des Jakobszyklus im 8. Jh. v. Chr., die dann nach dem Untergang des Nordreiches und der Umsiedlung einer großen Zahl von Israeliten von Nord nach Süd im Zuge einer panisraelitischen Ideologie im Süden verschriftlicht wurde. Dies deckt sich mit den durch die neuesten Ausgrabungsergebnisse begründeten Aussagen Finkelsteins zu Jakobszyklus und Exodus als „Gründungsmythen“ des Nordreichs (Finkelstein, 173; vgl. Hoffman). Dieser literarische Übergang vom Nord- ins Südreich ist auch am → Hoseabuch
Die Geburtsgeschichte der Söhne → Jakobs
Ähnlich diesem Denkmodell sind vielleicht die früher der elohistischen Schicht zugeordneten Texte den, wenn auch nur sehr bruchstückhaft erhaltenen, Erzählstücken eines ebenfalls redaktionell arbeitenden „elohistischen“ Kompositors zuzuordnen. Dieser könnte als Sammler und Redaktor von Nordreichtraditionen in der Zeit des Übergangs nach dem Zerfall des Nordreichs zu verstehen sein. Seine Texte wären dann mit den anderen Stücken der Jakobtradition in eine vorpriesterliche Schicht eingearbeitet worden. Zu seinen Texten sind die ursprüngliche Gestalt der Geburtsgeschichte der Jakobsöhne ebenso zu rechnen wie die „Bethel-Schicht“ / Gen 28 und dann auch Gen 32f* (Schorn 1997, 73-77; weitere Texte wären Gen 20-22* aus dem Bereich der Abraham-Tradition).
An dieser Stelle mag gefragt werden, ob Ruben mit seinem Gebiet möglicherweise eine geographische Verbindung zwischen den beiden zunächst unabhängigen Ursprungstraditionen Israels, Vätertradition und Exodus, darstellt. Welche kompositorische oder redaktionelle Ebene im Rahmen der Pentateuch-Komposition hier zu sehen wäre, bedarf freilich weiterer Diskussion.
Die Bedeutung des in Gen 29f* geschaffenen genealogischen Eponymensystems ist nicht auf die Zeit seiner Entstehung beschränkt. Anders als früher vermutet (v.a. Noth), greift es weder auf geschichtliche Realität noch auf eine alte Tradition zurück, sondern ist als literarische Fiktion zu beurteilen. Gerade dadurch bietet es einen so gelungenen Ausdruck der Identität Gesamtisraels, dass es geradezu zur „Mutter“ aller weiteren im Alten Testament begegnenden Listen der zwölf Söhne Jakobs bzw. der zwölf Stämme Israels wird. Alle weiteren Stämme-Listen der → Chronik
2.3. Ruben als Erstgeborener
In dieses Stämmesystem werden die einzelnen Jakobsöhne als Stammväter / Eponymen aufgenommen, weil sie für die mit ihnen verbundenen Territorien stehen und nicht, weil sie als Stämme im politischen Sinn verstanden werden.
Durch die Anordnung der Eponyme und ihre Zuweisung zu den verschiedenen Müttern werden vor allem die religiösen Traditionen in den Vordergrund gerückt, die mit den verlorenen Gebieten und mit dem Nordreich verbunden sind. Neben dem Kernbereich des Nordreichs (Josef und Benjamin), den Erzvätertraditionen mit ihrem Haftpunkt in → Beerscheba
Obwohl der Stamm Ruben, anders als Gad, nicht auf der Mescha-Stele erwähnt wird, sollte daraus nicht der frühe Untergang des Stammes bzw. seine Nicht-Existenz gefolgert werden. Vielmehr muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass auch im Schatten der moabitischen und ammonitischen Herrschaft im Ostjordanland israelitische Bevölkerungsanteile wohnten (Schorn 1997, 202; vgl. LaBianca, 39; → Gilead
3. Bedeutung Rubens
Die Frage nach der Bedeutung / Beurteilung Rubens im Alten Testament ist nicht von der nach der Bedeutung des Ostjordanlandes zu trennen.
3.1. Gen 37-50
In den als „Ruben-Schicht“ bezeichneten Erzählstücken der Josefsgeschichte (Schmitt 1980) wird Ruben eine positive Rolle zugeschrieben: Der Erstgeborene Ruben ist hier Sprecher der Brüder und ethisches Vorbild und bildet ein Gegenüber zu Juda. Dadurch wird die positive Rolle des Eponymen, der die östlich des Toten Meeres und des Jordans lokalisierten religiösen Traditionen repräsentiert, für das ganze Volk Israel verdeutlicht. Dass in der Josefsgeschichte Ruben, Simeon, Josef und Benjamin gegenüber Juda die einzigen namentlich genannten Brüder sind, ist ein erzählerischer Hinweis auf die oben beschriebene dezentrale Orientierung des Stämmesystems.
3.2. Num 32 / Jos 13 / Jos 22
Eine differenzierte Position zu Ruben und dem Ostjordanland nimmt die in den siedlungsgeographischen Texten zu Ruben und Gad (Num 32,1-37
3.3. Gen 49
Im Jakobssegen von Gen 49
3.4. Dtn 33 / Ri 5
Sowohl in der Spruchreihe des Mosesegens in Dtn 33
3.5. 1 Chr 5
Die „Genealogische Vorhalle“ der → Chronikbücher
4. Rezeptionsgeschichte
4.1. Grabtradition
Während die Grabtraditionen Jakobs und Josefs erzählerisch im Alten Testament belegt sind, handelt es sich bei den Erzähltraditionen über die Gräber der weiteren Kinder Jakobs um viel später entstandene volkstümliche Überlieferungen, deren Hintergrund die Rückkehr der ganzen Familie und ihre Ansiedlung, also auch ihre Bestattung, im verheißenen Land bildet.
4.2. Armenisches Fürstengeschlecht der Rubeniden
„Überblickt man die Entwicklung bis zum Ende des 12. Jh.s, kann man feststellen, dass sich das Rubenidenfürstentum in Kilikien … zu einem gewichtigen Machtfaktor entwickelt hatte. Die Rubeniden beherrschten als ‚Herren der Berge’ die Gebirgspässe im Taurus- und Amanusgebirge und nunmehr auch die Städte in der Ebene“ (Conrad, 158).
Mit Leon II. erhielten die Rubeniden schließlich die Königswürde, die danach aber dynastisch bedingt an die Hethumiden überging.
4.3 Ikonographie
Die gleiche Szene ohne typologischen Bezug zeigt eine Rembrandt zugeschriebene Zeichnung „Ruben am Brunnen“ aus dem Bestand des Städel Museums.
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- Genealogie der zwölf Stämme in Gen 29f. Die Ahnväter der Stämme verteilen sich auf vier Mütter, die Nummerierung zeigt die Reihenfolge der Geburt an.
- Ruben sucht Josef (Biblia Pauperum, 14. Jh.). Aus: Bayerische Staatsbibliothek, München, Bild
(Ausschnitt), lizenziert unter Creative Commons -Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International ; Zugriff 26.10.2019 - Prozession der zwölf Unterweltgötter (Yazılıkaya, Kammer B). Aus: Wikimedia Commons; © Klaus-Peter Simon, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 3.0 unported ; Zugriff 22.10.2019 - Grab Rubens in Nabi Rubin. Aus: Wikimedia Commons; © משתמש
:מיכאל , Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative Commons -Lizenz, Attribution-Share Alike 3.0 unported ; Zugriff 22.10.2019 - Ruben sucht Josef und findet einen leeren Brunnen, die Frauen suchen Jesus und finden das leere Grab (Biblia Pauperum, Holzschnitt um 1465). Aus: Victoria and Albert Museum, London, Nr. E.715-1918, http://collections.vam.ac.uk/item/O130416/biblia-pauperum-print-unknown/
; Zugriff: 23.10.2019 - Ruben sucht Josef am Brunnen (Zeichnung, Rembrandt van Rijn, ca. 1650/51). Aus: Städel Museum, Frankfurt, Inventarnummer 13380
- Ruben verlangt von seinem Vater Jakob, dass Benjamin mit nach Ägypten reist (Miniatur, Wiener Genesis, 6. Jh.). Aus: Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. Theol. gr. 31
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