Sand
(erstellt: Dezember 2008)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/26029/
1. Die Wurzel חוֹל „Sand“
Die Wurzel חוֹל chôl „Sand“ ist auch in anderen semitischen Sprachen belegt (arabisch ḥāl „schwarzer Schlamm“; reichsaramäisch chl, jüdisch-aramäisch chôlā’, syrisch chālā und mandäisch hala jeweils „Sand“; Gesenius 18. Aufl.; Schwarzenbach, 130). Sie fehlt jedoch im Akkadischen und Ugaritischen (Kapelrud, Sp. 803), kann dort aber nicht ausgeschlossen werden (Kühne, 167). In Targum, Midrasch und Babylonischem Talmud wird der Singular gebraucht, wenn Sand verarbeitet wird, und der Plural, wenn es um eine Wüste oder die Sandküste geht (Jastrow).
2. Sand am Meer
Chôl „Sand“ bezieht sich im Alten Testament nie auf eine Wüste, sondern durchweg auf den Sand am Meer. Die Annahme Kapelruds, die alttestamentlichen Autoren hätten die arabische und syrische Wüste nicht gekannt (Kapelrud, Sp. 804), ist jedoch unwahrscheinlich. Geht man von der West-Ost-Gliederung Palästinas in Küstenebene, Zentralgebirge, Jordangraben und Transjordanisches Hochland sowie die östlichen Wüsten aus, so findet man Sand vor allem in der Küstenebene (Dalman VII, 2). Die wüstenähnlichen Gebiete Palästinas sind nämlich vor allem Salzwüsten (um das Tote Meer) bzw. Kalksteinwüsten (Noth, 28), jedoch fast nirgends Sandwüsten (Noth, 42; vgl. Zwickel, 76). Dementsprechend beschreibt das hebräische Wort midbār unkultivierte trockene, z.T. salzige Regionen, vor allem aber Felsböden (Schwarzenbach, 93), während chôl in Jer 5,22
Für die Küstenebene ist ein Boden mit rotem fetten Sand typisch (Reifenberg, 14; vgl. Zwickel, 75). Der eigentliche Küstenstreifen, der im Süden recht breit ist und ansonsten in seiner Breite variiert, besteht aus Sand und wird von Sanddünen begrenzt. Dieser Sand wurde nicht von Wind oder Flüssen angetrieben (Rim, 36), sondern ist an der Küste entstanden, indem er wohl vom Sinai nach Norden wanderte (Rim, 40). An der sandigen Küste Palästinas bieten sich nur wenige Stellen als Häfen an (Mazar, 8; Lawrence, 50).
3. Vergleiche mit Sand
Von Sand ist im Alten Testament vor allem in Vergleichen und Bildern die Rede.
3.1. Zahlreich wie Sand
In Gen 22,17
Auch in den Apokryphen (Jdt 2,20
Die umstrittene Stelle Hi 29,18: Das Problem von Hi 29,18
1) Änderung von chôl „Sand“ zu chûl „Phönix“. Einige Übersetzungen und Kommentare ändern chôl „Sand“ unter Verweis auf LXX (phoinikos „Palme“) und einem Hinweis des babylonischen Talmuds (Babylonischer Talmud, Traktat Sanhedrin, 108b; Text Talmud
2) Änderung von qen „Nest“. Andere Ausleger rekonstruieren v18a in Anlehnung an die Septuaginta „Ich werde in hohem Alter sterben“ (vgl. Pope, 213; Rowley, 188). Allerdings folgt keiner dieser Ausleger der Septuaginta in der zweiten Hälfte des Verses.
3) Änderung von jāmîm „Tage“. Tur-Sinai setzt voraus, dass jede Erwähnung von Sand eine Verkürzung des vollen Ausdrucks „Sand des Meeres“ darstellt (Tur-Sinai, 415) und emendiert deswegen jāmîm „Tage“ zu jammîm „Meere“. Dagegen spricht jedoch die Wortstellung.
4) Beibehaltung des masoretischen Textes. Angesichts der Schwierigkeiten der vorgeschlagenen Änderungen sollte der masoretische Text beibehalten werden (Smith, 337). Man kann beide Vershälften als Fragen verstehen „Then I thought to myself, ‚Shall I perish like my nest? Or shall I multiply my days like the sand?‘“ (Michel, 420) oder die zweite Vershälfte als Erläuterung der ersten „And I thought: ‚I will die in the midst of my nest, with days as uncountable as the sand‘“ (Smith, 45; vgl. Alonso-Schökel / Diaz, 409). „Nest“ kann dann im Sinne von Familie (mit Kindern) verstanden werden (vgl. Dtn 32,11
3.2. Schwer wie Sand
Seltener als von der Fülle ist vom Gewicht des Sandes die Rede. Dabei kann eine große Sandmenge im Blick sein, aber auch nasser Sand – zumal die Küstenebene große Niederschläge verzeichnet (Zwickel, 84; Vieweger, 226) und der Grundwasserspiegel dort z.T. recht hoch ist. Eher ist jedoch die Verwendung von Sand beim Bau im Blick, wo er mit Kalk und Hächsel zu Mörtel (Dalman VII, 27-28) bzw. Putz verarbeitet wurde (vgl. Sir 22,17
3.3. Sand als Hinweis auf Reichtum
Die verborgenen Schätze des Sandes in Dtn 33,19
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
2. Weitere Literatur
- Aharoni, Y., 1979, The Land of the Bible. A Historical Geography, 2. Aufl., London
- Alonso-Schökel, L. / Diaz, J.L.S., 1983, Job: Commentario teologico y literario (Nueva Biblica Española), Madrid
- Christensen, D.L., 2002, Deuteronomy 21:10-34:12 (WBC 6A), Nashville
- Clines, D.J.A., 2006, Job 21-37 (WBC 18A), Nashville
- Craigie, P.C., 1976, The Book of Deuteronomy (NIC), Grand Rapids
- Dahood, M., 1974, Hôl ‚Phoenix‘ in Job 29:18 and in Ugaritic, CBQ 36, 85-88
- Dahood, M., 1967, Nest and Phoenix in Job 29:18, Bib. 48, 542-544
- Dalman, G., 1987, Arbeit und Sitte in Palästina. Band VII. Das Haus, Hühnerzucht, Taubenzucht, Bienenzucht, Hildesheim
- Driver, S.R., 1902, A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Deuteronomy (ICC), Edinburgh
- Driver, S.R. / Gray, G.B., 1921, A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Job (ICC), Edinburgh
- Duhm, B., 1897, Das Buch Hiob (KHC 16), Freiburg
- Fohrer, G., 1967, Das Buch Hiob (KAT 16), Berlin
- Habel, N.C., 1985, The Book of Job (OTL), Philadelphia
- Hölscher, G., 1952, Das Buch Hiob (HK 17), 2. Aufl., Tübingen
- Jastrow, M., 2004, Dictionary of the Targumim, Talmud Bavli, Talmud Yerushalmi and Midrashic Literature, New York
- Keel, O., / Küchler, M. / Pritchard, H. (Hgg.), 1996, Herders grosser Bibel-Atlas, 3. Aufl., Freiburg
- Keil, C.F., 1987, Leviticus, Numeri, Deuteronomium, 3. Aufl., Giessen
- Kühne, C., 1974, Mit Glossenkeilen markierte fremde Wörter in akkadischen Ugarittexten, UF 6, 157-167
- Lawrence, P., 2006, The IVP Atlas of Bible History, Downers Grove
- Mayes, A.D.H., 1981, Deuteronomy (NCeBC), Grand Rapids
- Mazar, A., 1990, Archaeology of the Land of the Bible. 10,000-586 B.C.E., New York
- Michel, W.L., 1970, The Ugaritic Texts and the Mythological Expressions in the Book of Job (Including a New Translation of and Philological Notes on the Book of Job), Wisconsin
- Nelson, R.D., 2002, Deuteronomy: a Commentary (OTL), Louisville
- Noth, M., 1962, Die Welt des Alten Testaments. Einführung in die Grenzgebiete der alttestamentlichen Wissenschaft, 4. Aufl., Berlin
- Pope, M.H., 1965, Job (AncB 15), New York
- Rad, G. von, 1964, Das fünfte Buch Mose. Deuteronomium (ATD 8), Göttingen
- Reifenberg, A., 1955, The Struggle between the Desert and the Sown: Rise and Fall of Agriculture in the Levant, Jerusalem
- Rim, M., 1950/51, Sand and Soil in the Coastal Plain of Israel. A Study of the Rate of Accumulation, IEJ 1, 33-48
- Rowley, H.H., 1976, The Book of Job (NCeBC), 2. Aufl., London
- Schwarzenbach, A.W., 1954, Die geographische Terminologie im Hebräischen des Alten Testamentes, Leiden
- Schweizer, F., 2003, Glas des 2. Jahrtausends v. Chr. im Ostmittelmeerraum, Remshalden
- Smith, W.C., 1992, The Function of Chapters 29-31 in the Book of Job, Southern Baptist Theological Seminary (Diss.), Ann Arbor Mich.
- Stern, E.M. / Schlick-Nolte, B., 1994, Frühes Glas der alten Welt: 1600 v. Chr. - 50 n. Chr., Sammlung Ernesto Wolf, Stuttgart
- Tigay, J.H., 1996, Deuteronomy (JPS Torah Commentary), Philadelphia
- Tur-Sinai, N.H., 1967, The Book of Job. A New Commentary, 2. Aufl., Jerusalem
- Vieweger, D., 2003, Archäologie der biblischen Welt (UTB 2394), Göttingen
- Weiser, A., 1968, Das Buch Hiob (ATD 13), 5. Aufl., Göttingen
- Zwickel, W., 2002, Einführung in die biblische Landes- und Altertumskunde, Darmstadt
Abbildungsverzeichnis
- Die Küste bei Dor. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2001)
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)