Satan (AT)
(erstellt: Mai 2007; letzte Änderung: November 2009)
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1. Der Begriff „Satan“
Im Alten Testament kommt das Nomen שָׂטָן śāṭān insgesamt 27-mal vor: Num 22,22
Die → Septuaginta
Die Etymologie des Nomens שָׂטָן śāṭān ist umstritten:
1) Die Volksetymologie möchte aufgrund von Hi 1,7
2) Wird das hebr. Nomen von einem Verb abgeleitet, kommen hierfür u.a. folgende Wurzeln in Frage, die in den semitischen Sprachen allerdings unterschiedlich gebildet werden:
- hebr. śṭh, akk. šâṭu I, syr. sṭ’, arab. šṭṭ, äth. šṭy „umherschweifen“;
- hebr., aram., mand. swṭ „ungerecht sein / aufbegehren / revoltieren“;
- arab. šṭṭ „ungerecht sein“;
- syr. swṭ, arab. šjṭ „brennen“;
- hebr. śṭh, äth. šṭy „verfolgen“.
Gegen die Annahme eines (beschreibenden) Primärnomens mit der Wurzel śjṭ oder śwṭ (*śajṭ / śawṭ + -ān) spricht die Tatsache, dass die Abstrakta, Adjektive oder Diminutive bezeichnende Nominalendung im Hebräischen nicht -ān, sondern -ôn lauten müsste, so dass wohl eher eine Nominalbildung nach *qātāl vorliegt. Meist wird śāṭān mit dem Verb śṭn / śṭm „anfeinden / verführen / beschuldigen / verhindern“ zusammengebracht, wobei sich die Wurzel zwar in den jüngeren südsemitischen Sprachen (Targum, Mittelhebräisch, Syrisch, Mandäisch, Äthiopisch, Arabisch) nachweisen lässt, nicht jedoch im Akkadischen.
3) Görg (1996, 9-12) trennt das Verb שׂטם śṭm bzw. שׂטן śṭn etymologisch vom Nomen שָׂטָן śāṭān und leitet es aus ägypt. śdnj (Kausativ von dnj „jemanden zurückhalten“ oder „in die Schranken weisen“, aus ägypt. d wird hebr. ṭ) her (s.u.).
Letztlich muss die Frage der Etymologie wohl offen bleiben.
2. Satan im Alten Testament
Im Alten Testament kommt (der) Satan als personifiziertes himmlisches Wesen an vier Stellen vor (Hi 1,6-12
Zwar wurde immer wieder versucht, besonders Hi 1f und Sach 3 auf einer einzigen Linie zu deuten, wohingegen den Stellen 1Chr 21,1
2.1. Der Satan im Himmel
Als numinoses Wesen in der Umgebung Gottes wird הַשָּׂטָן haśśāṭān (mit Artikel) in Hi 1f und Sach 3 genannt. Aufgrund einer Verknüpfung der Rollen, die der שָׂטָן śāṭān in Sach 3,1
2.1.1. Sach 3,1-7
Sach 3
2.1.2. Hi 1,6-12; 2,1-7
In Hi 1,6-12
Die fast identisch zur ersten Szene aufgebaute zweite Himmelszene (Hi 2,1-7
Der Satan steht in Hi 1 und 2 also einerseits für das personifizierte Wissen JHWHs über Hiob und andererseits wie in Sach 3 für die Überzeugung des sog. → Tun-Ergehen-Zusammenhangs
Demgegenüber repräsentiert JHWH ein Denken, das Tun und Ergehen radikal voneinander trennen will. Er erlaubt die Sprengung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs in Bezug auf Hiob, weil er von dessen uneigennütziger Gottesfurcht überzeugt ist. Dabei steht sein Handeln gegenüber Hiob dem gegenüber Jeschua diametral entgegen: Während für den schuldigen Jeschua der Tun-Ergehen-Zusammenhang positiv aufgehoben wird, wird der Tun-Ergehen-Zusammenhang für den unschuldigen Hiob in negativer Weise außer Kraft gesetzt und damit das Handeln JHWHs ambivalent.
Der Versuch, JHWH durch die Einführung des Satans von negativen Aspekten zu entlasten, gelingt im Zusammenhang von Hiob 1-2 also kaum: Erzähltechnisch gesehen steht der Satan zwar einerseits im Vordergrund der Himmelsszene, aber andererseits wird seine Rolle in theologischer Hinsicht marginalisiert und JHWH allein als Urheber von Hiobs Unglück angesehen.
2.2. Der Satan auf der Erde
In Num 22
2.2.1. Num 22,22.32
Auf dem Weg zu König → Balak
2.2.2. 2Sam 24,1 par. 1Chr 21,1
In 2Sam 24,1
2.3. Zusammenfassendes zur theologischen Bedeutung des Satans im Alten Testament
Die Konzepte der Satansgestalt weisen im Alten Testament keine einheitliche Linie auf. Gemeinsamkeiten zwischen Hi 1f
Auf der Erde kann der Satan dazu dienen, das Verhältnis zwischen JHWH und David zu entlasten (1Chr 21). Während die Satansgestalt in Hi 1f und Sach 3 vor allem eine erzähltechnische Funktion als Gegenspieler JHWHs besitzt, ist ihre Einfügung in 1Chr 21,1
Als Verführer und göttlicher Widersacher tritt der Satan an keiner Stelle als ebenso mächtige Kraft wie JHWH selbst auf, lediglich 1Chr 21,1
3. Wirkungsgeschichte
3.1. Qumran
In Qumran ist die Wurzel שׂטן śṭn nur fünf Mal in fragmentarischen Texten erhalten (→ Qumranhandschriften
3.2. Apokryphen und zwischentestamentliche Literatur
In Weish 2,24
3.3. Talmud
Der Palästinische Talmud geht mit der Gestalt des Satans deutlich zurückhaltender um als der Babylonische Talmud (→ Talmud
3.4. Christentum
Im Neuen Testament erscheint der Satan u.a. in der Geschichte der Versuchung Jesu, in der er als eigenständige widergöttliche Macht agiert (Mt 4 par., vgl. 1Kor 7,5
Er gilt als Oberster der Dämonen (Mt 12,26
Als oberster Widersacher Gottes erhält der Teufel / Satan in der christlichen Kunst und Literatur eine reiche ikonographische und legendarische Ausgestaltung. Er wird traditionell als männliches Wesen mit Hörnern, Schwanz und Pferdefuß dargestellt und kann wie die Hexen auf einem Besen oder auf Fabeltieren reiten. Als seine Großmutter wird u.a. → Lilit
Das Spottlied über den König von Babel in Jes 14,12-15
Als Herr der Dämonen, die als Incubi (männliche Teufel, die sich der Frauen sexuell bemächtigen) und Succubi (weibliche Teufel, die sich dem Hexenmeister sexuell nähern) fungieren, stellt der Teufel vor allem Frauen nach. Der „Hexenhammer“ (1486) bietet für den Vorwurf der Buhlschaft mit dem Teufel wohl den eindrücklichsten Beleg.
Die Filme „Rosemaries Baby“ (1968) von Roman Polański oder „Im Auftrag des Teufels“ (1997) von Taylor Hackford verarbeiten das Thema der das Kind des Teufels austragenden Frau in moderner Form.
3.5. Islam
Auf Arabisch heißt der Teufel Iblīs (vgl. griech. διάβολος diabolos; wird auch mit „der Enttäuschte“ übersetzt) oder Šaiṭān (dt. Satan; wird mit „er war entfernt“ übersetzt). Als ursprünglich frommer Ǧinn (Geist) hat er hohe Privilegien. Der Legende nach bewacht er – noch unter seinem ersten Namen Azazīl (→ Asasel
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
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2. Weitere Literatur
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- Spieckermann, Hermann, 1982, Juda unter Assur in der Sargonidenzeit (FRLANT 129), Göttingen
Abbildungsverzeichnis
- Satan vor dem Herrn (Corrado Giaquinto; um 1750).
- Drei Versuchungen Christi (Detail; Sandro Boticelli; 1481-1482).
- Hölle (Hans Memling; ca. 1485).
- Der Höllensturz: Erzengel Michael im Kampf mit Luzifer (Apk 12; Hans Leu d. Ä.; um 1500).
- Die Verdammten (Detail; Luca Signorelli; 1499-1502).
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