Schaf / Schafzucht
(erstellt: Januar 2010)
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→ Hirte
1. Zoologisch
Das Schaf (Ovis ammon aries) ist Säugetier, Paarhufer und Pflanzenfresser. Die Lebensdauer beträgt durchschnittlich zehn Jahre, beim Leitwidder 15 Jahre. Spätestens seit dem Neolithikum (8500-4500 v. Chr.) wurde es in mehreren Gebieten der Erde aus verschiedenen Wildformen gezüchtet, dem asiatischen Argali-Schaf, dem südeuropäischen-mediterranen Mufflon und dem nordafrikanischen Halbschaf. Die Schafrassen des Nahen Ostens stammen vermutlich von asiatischen Mufflons ab. Vier Unterarten werden unterschieden: (1.) Die führende antike Rasse ist das Merino-Schaf (Ovis areal hispanica), (2.) das Zakkel-Schaf (Ovis arcal strepsiceros) mit spiralförmigen Hörnern bes. auf Kreta und anderen griechischen Inseln. (3.) In Persien, Mesopotamien und Vorderasien ist das Fettschwanz-Schaf (Ovis arcal platyra) vorherrschend und (4.) in Asien sowie Ostafrika das Fettsteiß-Schaf (Ovis arcal staetopyga).
Zum Vorkommen von Wildschafen gehören ca. 30kg kleine Mufflons bis zu großen Hochgebirgsschafen, die bis zu 200kg wiegen. Schafe sind fast lebenslänglich fortpflanzungsfähig. Die Zeit der Trächtigkeit beträgt 5 Monate. Bei einem Wurf werden meist zwei, selten weniger oder mehr Lämmer geboren.
2. Wirtschaftliche Bedeutung
Zusammen mit → Ziege
In Griechenland gab es seit dem 7. Jt. v. Chr. Viehwirtschaft neben dem Ackerbau. Für die mykenische Zeit gibt es Textbelege von großen Schafherden, die Eigentum der Paläste waren. Nach Homer beruht der Reichtum des Adels vornehmlich auf dem Besitz von Viehherden, außerdem besitzt beispielsweise Odysseus 12 Rinder- und Schafherden, sowie eine große Zahl Schweine und Ziegen. Eher kleinere Tierbestände von 50 Schafen einer Herde sind für die klassische Epoche (550-336 v. Chr.) bezeugt. Viehhirten verrichteten eine schwierige Arbeit mit geringem Sozialprestige, so dass besonders Sklaven dafür herangezogen worden sind. In der griechischen Antike war das Schaf das häufigste Opfertier, da es für Einzelne und Gruppen erschwinglicher war als das für öffentliche Opfergaben bevorzugte Rind. Anders als Ziegen waren Schafe nicht negativ konnotiert.
In Ägypten sind domestizierte Schafe seit Beginn des 4. Jt.s bekannt. Für das normale Wirtschaftsleben spielten sie im Ägyptischen aber eine geringere Rolle. Aufgrund eines nicht benennbaren Tabus wurde dort zwar die Haut für Leder, aber die Wolle nicht für Kleidung benutzt (stattdessen Leinen).
Für das Zweistromland ist bereits in altbabylonischer Zeit (19.-16. Jh. v. Chr.) unter Rim-Sin Larsa und → Hammurabi
3. Schafzucht und -haltung
Als wichtigster Fundort früher Schafzucht (9. Jt.) gilt die nördliche Region des heutigen Iraks. Vorteilhaft gegenüber der Rinderhaltung ist, dass Schafe wie Ziegen auch in unwirtlichen Gebieten gut leben können.
Ergebnis gezielter Züchtungen ist das im Nahen Osten weit verbreitete sog. Syrische Fettschwanzschaf. Der 4-10 Kilogramm schwere Schwanz konzentriert die Reserven des Schafes an einer Stelle, ähnlich wie der Höcker beim Kamel. Der Fettschwanz (אַלְיָה ’aljāh) ist eine reichhaltige und daher begehrte Nahrung für den Menschen gewesen, was auch seine Kostbarkeit und seine davon abgeleitete kultische Funktion als Opfergabe mitbegründet.
Der Zweck der Haltung einer Herde hatte Einfluss auf ihre Zusammensetzung und den Zeitpunkt der Schlachtung: Stand der Fleischverzehr im Vordergrund, wurden viele, insbesondere männliche Jungtiere getötet. Eine Herde, die primär Wolle einbringen sollte, bestand vor allem als älteren kastrierten Tieren. Wenn die Herde auf Milchwirtschaft ausgerichtet wurde, waren vor allem ausgewachsene Mutterschafe erforderlich.
Die Opferkalender deuten an, dass die religiösen Festtage zeitlich so terminiert worden sind, dass genügend Jungtiere vorhanden waren, aber ihre Fütterung noch nicht notwendig war, so dass Kultbetrieb und Wirtschaftlichkeit sich vereinbaren ließen.
Einschlägige Beschreibungen der Haltung und Zucht von Schafen gibt es u.a. beim römisch-antiken Landwirtschaftsautor Columella (1. Jh. v. Chr.). Nach seinen Darstellungen war es bei der Zucht das größte Bestreben, weiße Lämmer zu bekommen. Belegt sind die sorgfältige Auswahl der Zuchtwidder und Versuche, die Qualität der Wolle zu verbessern, indem man Hausschafe mit wilden Widdern kreuzte. Den Schafen mit wertvoller Wolle wurden Decken zum Schutz angelegt. Sogar der Zeitpunkt der Schur wurde mit Rücksicht auf zu große Kälte oder Hitze festgelegt. Nach der Schur wurde für drei Tage das Fell der Schafe mit besonderer Flüssigkeit aus gekochten Lupinen, Armurca und Wein behandelt und das Schaf anschließend mit Salzwasser gewaschen. Schafe mit feiner Wolle wurden in kleineren Gruppen gehalten und sogar in jeweils einer Herde von zwei Hirten geschützt.
Schafherden wurden in Italien entweder in Form des Weidewechsels (Transhumanz) während der Sommers in Gebirgsregionen gehalten und zum Überwintern in den Ebenen Süditaliens gehalten oder von Mai bis September auf der Weide zum Verbleiben gelassen und zweimal täglich getränkt.
4. Altes Testament
4.1. Begriffe
Im Hebräischen sind verschiedene Begriffe zu unterscheiden: אַיִל ’ajil „Widder“, רָחֵל rāchel „Mutterschaf“ und כִּבְשָׂה kivśāh „junges Schaf“. Der junge Widder wird mit כֶּבֶשׂ kævæś und כַּר kar bezeichnet; עַתּוּד ‛attûd kann den Ziegenbock, aber auch den Widder meinen. Das Neugeborene des Schafes („Lamm“) oder der Ziege („Zicklein“) heißen שֶׂה śæh und גְּדִי gədî. Eine Kleinvieherde aus Ziegen und Schafen oder auch allein aus Schafen bezeichnet צֹאן ṣ’on. Wenn auch von Kleinvieh im allgemeinen Sinne die Rede ist, übersetzt Martin Luther häufig schlicht „Schaf“. רָחֵל rāchel „Mutterschaf“ findet sich auch als Personenname: → Rahel
4.2. Alltagswelt
Schafhaltung ist übliches Kolorit einer Nomadenkultur. Besonders an der südlichen und östlichen Grenze Judäas war eine nomadische Lebensweise üblich. Im Steppengürtel der Wüste Juda hatten nach Aussage der biblischen Texte → Isai
Bei der Rekonstruktion der Entstehung Israels bestreiten neuere Landnahmetheorien eine nomadische Vergangenheit Israels, andere halten daran fest (→ Landnahme
Die Schafschur hat festlichen Charakter, so dass auch hochgestellte Personen daran teilnahmen und Intrigen ihren Ausgangspunkt fanden (Gen 38,12
4.3. Kult
Im Zusammenhang mit allen wichtigen Opferarten des Alten Testaments (→ Opfer
4.4. Bild- und Symbolsprache
Die Nathansparabel spiegelt einerseits Lamm als Festmahlzeit für einen Gast wider, zum anderen vergleicht es implizit das Lieblingstier eines Mannes, sein Lamm, mit der einzig geliebten Frau (2Sam 12,3f
5. Neues Testament
5.1. Begriffe
Das relativ häufige Wort πρόβατον probaton bezeichnet ursprünglich allgemein vierbeinige Tiere, bes. Haustiere, und wurde später auf die Bedeutung „Schaf“ eingegrenzt. Dagegen meint ἀμνός amnos stets das junge, meist einjährige Schaff, das Lamm. Als Schlachttier wird es ἀρήν arēn genannt, als Diminutiv ἀρνίον arnion „Lämmlein“.
5.2. Bild- und Symbolsprache
Im Neuen Testament wird das Lamm (ἀμνός amnos) häufig als Symbol für Jesus Christus verwendet. Mit Hilfe einer Passalammtypologie wird der gewaltsame Tod Jesu als befreiendes und das neue Gottesvolk begründendes Geschehen gedeutet. Sowohl in 1Kor 5,7
Aus dem Mund des Täufers Johannes wird Jesus als „Lamm Gottes“ bezeichnet (Joh 1,29
Unterschiedliche Aspekte werden bei der Bezeichnung Jesu als Lamm hervorgehoben: a) Die Geduld, mit der er sein Leiden ertragen hat (Apg 8,32
Neben der Redeweise von Christus als Lamm steht die Anwendung der Hirtenmetapher auf Jesus, welche zugleich in gleichnishafter Rede die Jünger zu Schafen macht (Mt 10,16
Der Hebräerbrief nennt im Rahmen des Schlussgebetes die Christusprädikation „großer Hirte der Schafe“ (Hebr 13,20
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2005
- Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
- Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg i.Br. 1968-1976 (Taschenbuchausgabe, Rom u.a. 1994)
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
- Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, 2000
- Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, 2001
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Janowski, B., 1982, Sühne als Heilsgeschehen (WMANT 55), Neukirchen-Vluyn.
- Wolff, Chr., 1996, Der erste Brief des Paulus an die Korinther (ThHK 7), Berlin.
- Klengel, H., 1999, König Hammurapi und der Alltag Babylons, Düsseldorf / Zürich.
- Jeremias, J., 4. Aufl. 1967, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen.
- Hofius, O., 2000, ἀρνίον – Widder oder Lamm? Erwägungen zur Bedeutung des Wortes in der Johannesapokalypse, in: ders., Neutestamentliche Studien, Tübingen, 241-250.
- Keel, O. / Küchler, M., 1984, Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land, Bd. 1 Geographisch-geschichtliche Landeskunde, Göttingen, bes. 109-113. 680-682.
- Schenker, A., 2001, Knecht und Lamm Gottes (Jesaja 53). Übernahme von Schuld im Horizont der Gottesknechtslieder, Stuttgart.
- Stuhlmacher, P., 1996, Das Lamm Gottes – eine Skizze, in: H. Lichtenberger u.a. (Hgg.) Geschichte, Tradition, Reflexion. 3.Frühes Christentum, Tübingen, 529-542.
- Bergmeier, R., 2000, Die Buchrolle und das Lamm (Apk 5 und 10), in: ders., Das Gesetz im Römerbrief und andere Studien zum Neuen Testament, Tübingen, 283-300.
- Fritz, V., 1996, Die Entstehung Israels im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr. (Biblische Enzyklopädie 2), Stuttgart.
Abbildungsverzeichnis
- Schäfer mit Herde. © Katholisches Bibelwerk, Linz
- Häuten eines Schafs nach der Schlachtung (Relief aus dem Palast Assurbanipals in Ninive; 7. Jh. v. Chr.). © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Fettschwanz-Schaf. © United Bible Societies
- Fettschwanz-Schaf. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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