Schloss / Schlüssel (AT)
(erstellt: Februar 2021)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/27160/
1. Einleitung
Ein Schloss soll dazu dienen, etwas vor unbefugtem Zugriff oder Eintritt zu schützen, sei es eine ganze Stadt, das Innere eines Gebäudes oder eine geschlossene Kiste. Nur mit einem passenden Schlüssel kann das Verschlossene entriegelt werden. Ein Schloss beziehungsweise ein Schlüssel hat neben dem physikalischen Aspekt des Verriegelns einen symbolischen Wert – die Person im Besitz eines Schlüssels hat zum Beispiel das Recht und die Macht, den verschlossenen Bereich zu betreten.
Schlüssel, wie sie z.B. in der Bibel erwähnt werden, haben keine große Ähnlichkeit mit heutigen Schlüsseln, die stärker denen von römischen Drehschlössern ähneln. Antike Schlüssel waren oft eher groß und unhandlich. Die aus dem ägyptischen Karanis (Koordinaten: N 29° 31' 05'', E 30° 54' 11''
Die genaue Herkunft von Schloss und Schlüssel ist nach wie vor umstritten. Zur Diskussion stehen als Ursprungsort zum einen Mesopotamien mit den frühesten Funden um 750 v. Chr. und zum anderen Ägypten mit den frühesten schlossähnlichen Funden aus der Zeit des Neuen Reiches (1550-1070 v. Chr.; Ashour). Neben den archäologischen Funden stehen aber auch literarische Quellen und die machen eine frühere Datierung der Anfänge von Schloss und Schlüssel wahrscheinlich (s. Ashour; Potts; Radner). Ungefähr im 5. Jh. v. Chr. finden Schlüssel und ein Schloss, ähnlich dem Fallriegelschloss, Einzug in den hellenistischen Mittelmeerraum (s. Haddad).
2. Archäologischer Befund
Verschließmechanismen in der Antike wurden entweder aus Holz oder aus Metall hergestellt. Jedoch erhält sich Holz im archäologischen Befund generell schlechter als Metall. Daher sind von den frühesten Holzschlüsseln leider nur wenige Spuren erhalten. Allerdings haben auch Schlösser und Schlüssel aus Metall keineswegs immer bis heute überdauert. Die Funde lassen vermuten, dass Schlösser aus Holz und Metall nebeneinander existierten. Im archäologischen Befund ist meist nur noch der Schlüssel erhalten, doch lässt er Rückschlüsse auf den verwendeten Schließmechanismus zu.
2.1. Türsiegel
Die Archäologie zeigt, dass einige der frühen Verschließmechanismen mit Siegeln gesichert wurden. Türsiegel wurden oftmals für Doppeltüren, für Truhen und Kisten, Säcke etc. in Verbindung mit sogenannten Schnurverschlüssen verwendet. Letztere wurden auf der Türinnenseite angebracht. Durch ein Loch in der Tür konnten die Schnurzüge betätigt werden (für die genaue Funktionsweise von eines Türverschlusses mit Siegel siehe Brandl u.a. 2014). Beispiele hierfür sind im 2./.1. Jt. v. Chr. in Mesopotamien / Assyrien belegt. In Israel / Palästina stammt ein Exemplar von Tel Haror (Koordinaten: 11257.08795; N 31° 22' 54'', E 34° 36' 25''
2.2. Holzschlösser
2.2.1. Früheste Verschließmechanismen
Eine frühe, relativ simple Art, etwas von innen zu verschließen, ist ein einfacher → Riegel
In leichten Türblättern aus Rohr konnten sogenannte Blattriegel befestigt werden. Hierbei handelt es sich um einen oder mehrere kleinere Bolzen, die in Eintiefungen an der Tür entlanglaufen und so die Tür von innen verschließen. Solche Konstruktionen konnten entweder aus Holz oder aus Metall hergestellt werden und sind zum Beispiel im ägyptischen Abusir (Koordinaten: N 29° 54', E 31° 12'
2.2.2. Fallriegelschlösser
2.3. Metallschlüssel / Metallschlösser
Manche der römischen Schlüssel waren so klein, dass sie mit einem Ring am Finger getragen werden konnten.
Eine Unterart des Hebeschlüssels wird „Ellbogenschlüssel“ genannt. Beispiele solcher Schlüssel, die im römischen Reich weit verbreitet waren, wurden in Israel / Palästina in der sogenannten „Höhle der Briefe“ am Nachal Chever (Koordinaten: N 31° 25' 50'', E 35° 20' 52''
3. Schriftliche Quellen
Schloss und Schlüssel werden auch in antiken schriftlichen Quellen erwähnt (für eine detaillierte Analyse der Schloss- und Schlüsselbegriffe im Ägyptischen siehe Ashour 2016).
3.1. Mesopotamische Texte
In mesopotamischen Quellen ist von Schloss und Schlüssel z.B. in einem Text die Rede, in dem es darum geht, dass das Schloss der Ischtar-Tors nicht korrekt schließt (CT 40 12:7-15; nach Potts 1990, 191). Das Öffnen des Himmelstores in 4 R 17:5ff (nach Potts 1990, 191) gibt Hinweise auf den symbolischen Wert von Schlüsseln.
In seinen lexikalischen Untersuchungen zu „Schloss“ und „Schlüssel“ in akkadischen Keilschrifttexten bestimmt Potts die einzelnen baulichen Komponenten mesopotamischer Schlösser nach dem Vorbild des ägyptischen Fallriegelschlosses. Er identifiziert aškuttu, šigaru und sikkūru als Synonyme für die Riegel, namzaqu als die an der Tür angebrachte Vorrichtung des Verschließmechanismus, sikkatu als kleinere Fallriegel, welche in die davor vorgesehenen Löcher (uppu) fallen. Den Schlüssel identifiziert er mit dem Begriff mušēlû.
3.2. Altes Testament
Das Alte Testament spricht oft von → Riegeln
Von der Wurzel סגר sgr „verschließen“ stammt das Nomen מַסְגֵּר masger (7 Belege). Es bezeichnet 1) einen verschließbaren Raum, einen → Kerker
3.3. Neues Testament
Auch das Neue Testament spricht nur selten von Schlüsseln (κλείς kleis). Schlüssel sind hier vor allem ein Zeichen von Macht. Nach Mt 16,19
In Lk 11,52
In der Johannesoffenbarung ist mehrfach von einem „Schlüssel“ die Rede. In Apk 1,18
3.4. Rabbinische Texte
Auch rabbinische Texte verraten etwas über den Gebrauch von Schlössern und Schlüsseln. Beispielsweise war es nach einem in der → Tosefta
3.5. Römische Welt
In der römischen Welt hatte üblicherweise die Frau die Aufsicht über den Haushalt. Sie trug die Schlüssel zum Wohnhaus stets bei sich. Bei einer Scheidung musste sie sie nach römischem Recht ihrem Mann jedoch zurückgeben (Cicero, Philippische Reden 2.28.69).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928-2018
- Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg i.Br. 1968-1976 (Taschenbuchausgabe, Rom u.a. 1994)
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
2. Weitere Literatur
- Allen, M.L., 1997, „The Keys of the Kingdom“. Keys from Masada, in: J.F. Hall / J.W. Welch (Hgg.), Masada and the World of the New Testament (BYU Studies Monographs), Provo, 154-169.
- Ashour, H.M., 2016, The Locks and Keys in Ancient Egypt, Saarbrücken.
- Brandl, A. / Oren, E. / Nahshoni, P., 2014, A Clay Door-lock Sealing from the Middle Bronze Age III at the Temple at Tel Haror, Israel, Origini. Preistoria e protostoria delle civiltà antiche. Prehistory and Protohistory of Ancient Civilizations 36, 157-180.
- Eras, V.J.M., 1957 (reprint 2019), Locks and Keys throughout the Ages, London.
- Haddad, N.A., 2016, Critical Review, Assessment and Investigation of Ancient Technology Evolution of Door Locking Mechanisms in S.E. Mediterranean, Mediterranean Archaeology and Archaeometry 16:1, 53-74.
- Königsberger, O., 1936, Die Konstruktion der ägyptischen Tür (Ägyptologische Forschungen 2), Glückstadt.
- Klemm, S., 2008, Ancient Locks. The Evolutionary Development of the Lock and Key, Redlands.
- Pace, T.D., 2014, A Typology of Roman Locks and Keys (Unveröffentlichte Masterarbeit, Southwestern Baptist Theological Seminary).
- Petrie, F., 1916, Tools and Weapons, London.
- Potts, D.T., 1990, Lock and Key in Ancient Mesopotamia, Mesopotamia 25, 185-192.
- Radner, K., 2010, Gatekeepers and Lockmasters. The Control of Access in Assyrian Palaces, in: H. Baker u.a. (Hgg.), Your Praise is Sweet. A Memorial Volume for Jeremy Black from Students, Colleagues and Friends, London, 269-280.
- Stager, L.E., 2003, Key Passages, Eretz Israel 27, 240-245.
- Wilfong, T.G. / Ferrara, A.W.S. (Hgg.), 2014, Karanis Revealed. Discovering the Past and Present of a Michigan Excavation in Egypt, Ann Arbor.
- Yadin, Y., 1963, The Finds from the Bar Kokhba Period in the Cave of Letters (JDS 1), Jerusalem.
Abbildungsverzeichnis
- Siegelabdruck auf einer Türverriegelung in Tel Haror, Israel / Palästina (Mittlere Bronzezeit IIB, 1650-1550 v. Chr.). Mit Dank an © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- „Ägyptisches Fallriegelschloss“. Aus: Wikimedia Commons; © Willh26, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International ; Zugriff 12.3.2021 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Egyptian_Lock_Mechanism_Locked.png und https://en.wikipedia.org/wiki/Pin_tumbler_lock#/media/File:Egyptian_Lock_Mechanism_Unlocked.png ); stark bearbeitet von Klaus Koenen - Holzschlüssel von verschiedenen Ausgrabungen in Ägypten. Aus: W.M.F. Petrie, Tools and Weapons, London 1916, PL. LXXV
- Metallschlüssel aus verschiedenen Ausgrabungen in Ägypten. Aus: W.M.F. Petrie, Tools and Weapons, London 1916, PL. LXXVI
- Bronzeschlüssel zusammen mit seinem Schloss aus Syrien (1.-3. Jh. n. Chr.). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; BM 1912,1021.2, lizenziert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International ; Zugriff 26.2.2021 - Bronzeschlüssel (3.-4. Jh. n. Chr.). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; BM 1984,1203.2 lizenziert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International ; Zugriff 26.2.2021 - „Ellbogenschlüssel“ aus der „Höhle der Briefe“ (132-135 n. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; © Chamberi, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 3.0 unported ; Zugriff 8.3.2021 - Christus übergibt Petrus den Schlüssel (Fresko von Pietro Perugino; 1481-1482).
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)