Schunem
Andere Schreibweise: Shunem (engl.), Sunem (frz./ital.)
(erstellt: November 2017)
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1. Name
Die Etymologie des Ortsnamens ist unklar. Mit Albert Socin (Socin, 47) kommt eventuell eine Ableitung vom arabischen šūne „Getreidespeicher“ bzw. „Bastion“ in Betracht. Eine solche Ableitung ist aufgrund der Lage des Orts in der fruchtbaren Jesreel-Ebene durchaus sinnvoll.
2. Belege
2.1. Biblische Belege
Schunem (hebr. שׁוּנֵם šûnem, griech. Σουναν sounan Jos 19,18
Der Ort Schunem findet auch Verwendung als Herkunftsbezeichnung. → Abischag
Dass die Schulammit des Hohelieds (Hhld 7,1
2.2. Außerbiblische Belege
In außerbiblischen Quellen ist Schunem als Ort schon sehr früh belegt. Die sogenannte „Palästinaliste“ Thutmosis’ III. (ca. 1486-1425 v. Chr.; Regierungszeit 1479-1425 v. Chr.; 18. Dynastie) erwähnt den Ort Schunem als Šanama (Müller, 16; Simons, 116, 214; ANET, 243).
Als Šunama begegnet der Ort Schunem in den → Amarnabriefen
Auch die Liste der Städte und Ortschaften, die Pharao → Scheschonq I.
3. Lage
Schunem wird mit dem kleinen Siedlungshügel Tel Schunem / Sūlam (Koordinaten: 1819.2235; N 32° 36' 25'', E 35° 20' 05''
Schunem liegt im Stammesgebiet Issachars (Jos 19,18
Für die Identifikation der Ortslage spricht auch das Onomastikon des → Eusebius
Der jüdische Forscher und Topograf Estori ha-Parchi (ca. 1282-1357) erwähnt Schunem in seinem Werk Kaftor wa-Perach „Knauf und Blume“: Der Ort Schunem liege ungefähr eine halbe Stunde nördlich von Jesreel entfernt. Eine halbe Stunde östlich von Schunem liege der Ort Tabun. An der Nordseite Schunems entspringe eine Quelle. Estori ha-Parchi erwähnt zudem, er habe dort ein Haus gesehen, das er für das Haus halte, in dem die Schunemiterin den Propheten Elisa beherbergt habe; jenes Haus sei nach allen vier Seiten hin offen. Nach Estori ha-Parchi wird der Ort aber nicht mehr Schunem, sondern Solem genannt. Sein Bericht ist damit wie das Onomastikon des Eusebius eine wichtige Quelle für die Identifikation des Ortes Schunem mit Solem.
4. Grabungsbefund des Ortes
Überreste der alten Siedlung auf Tel Schunem sind aufgrund moderner Bebauung und des auf dem Tel liegenden Friedhofs nur sehr schwer zugänglich. Umfangreiche Ausgrabungen waren und sind daher nicht möglich. Die archäologischen Daten stammen aus Oberflächensurveys und Rettungsgrabungen, was eine Rekonstruktion der Geschichte des Ortes deutlich erschwert.
Tel Schunem ist rund 2,5 Hektar groß und beherbergte das antike Schunem. Die Analyse der gefundenen Keramik weist eine Besiedlung von der Frühbronzezeit bis in die Zeit der Ottomanen nach, wobei Keramik aus der hellenistischen Epoche nur in sehr geringem Umfang gefunden wurde (Alexandre 2007, 23*; Dalali-Amos 2009a).
Der Ort Schunem ist schon sehr früh besiedelt. Bei Ausgrabungen im Nordosten wurden Mauerreste entdeckt, die in die sehr frühe Frühbronzezeit IA zu datieren sind. Ein Vergleich der architektonischen Strukturen aus der frühen Frühbronzezeit IA mit denen aus der Mittelbronzezeit II lässt vermuten, dass die Siedlung der Mittelbronzezeit II kleiner war als die Siedlung der Frühbronzezeit IA; dies gilt vielleicht aber nur für den Nordosten der Siedlung, doch bleibt diese These vorläufig, da umfangreichere Ausgrabungen fehlen (Covello-Paran 2006; Covello-Paran 2010). Auch nordöstlich der ehemaligen Quelle in der Mitte der modernen Siedlung wurden Mauerreste aus der Frühbronzezeit gefunden (Dalali-Amos 2011).
Reste einer Stützmauer, die vielleicht eine Terrasse stützte, sind in die Zeit der ausgehenden Mittelbronzezeit, aber nicht später als in die Spätbronzezeit zu datieren (Cinamon 2010b). Aus der Zeit zwischen der Mittelbronzezeit und der Spätbronzezeit stammt wohl auch ein Erdwall, dessen Datierung allerdings unsicher ist (Dalali-Amos 2011). Der Wall diente wahrscheinlich Verteidigungszwecken.
Eine der Rettungsgrabungen deutet auf drei Siedlungsphasen während der Spätbronzezeit hin (Gal 2002). Zwei Funde bezeugen den ägyptischen Einfluss im Gebiet von Schunem während der Spätbronzezeit. Ein Skarabäus ist wohl in die Zeit der 18. Dynastie (1539-1292 v. Chr.) zu datieren (Abb. 2). Zudem wurde eine rechteckige Platte gefunden, die nicht genau datiert werden kann. Die Platte zeigt in der Mitte einen Falkenköpfigen, der auf seinen Unterschenkeln sitzt und links und rechts von ihm zugewandten Uräusschlangen flankiert wird (Abb. 3). Das Motiv der Platte ähnelt sehr stark dem eines Skarabäus aus Tel Ḥarasim, der in die Zeit von 1650-1500 v. Chr. datiert wird (Abb. 4).
Aus der Zeit der 20. Dynastie stammen Keramikfunde, die unter den Trümmern eines durch Feuer zerstörten Hauses gefunden wurden (Covello-Paran / Arie). Die verfügbaren archäologischen Daten aus der Bronzezeit weisen Schunem als einen Ort aus, der früh und kontinuierlich besiedelt war. Mauerreste und der Erdwall weisen vielleicht auf Verteidigungsanlagen hin, was darauf schließen lässt, Schunem sei ein lokal durchaus wichtiger Ort gewesen. Dies stützen die Erwähnungen Schunems in der Liste Thutmosis’ III. und in den Amarna-Briefen. Schunem war in der Spätbronzezeit – vielleicht auch schon früher – wohl mehr als nur ein unbedeutendes Dorf.
Eine kreisförmige Steinkonstruktion stammt wahrscheinlich aus der → Eisenzeit I
Aus römischer Zeit datieren kleinere Münzfunde, Tierknochen, Marmorfragmente und Mühlsteine (Covello Paran 2006; Covello-Paran 2010). Aus derselben Epoche stammen Abfallprodukte, die auf eine Glaswerkstatt hinweisen, die bis an das Ende der byzantinischen bzw. den Anfang der umajjadischen Zeit bestand (Mitler; Gosker). In byzantinischer Zeit gab es auch eine Weinkelter, die mit Mosaiksteinchen ausgelegt war (Cinamon 2010b).
In abbasidische Zeit ist ein Haus zu datieren, das im südlichen Bereich ausgegraben wurde (Hanna). Aus der Zeit der Mamluken stammt eine Mauer, die unmittelbar südlich der ehemaligen Quelle verläuft (Alexandre 2008). Andere Ausgrabungen lassen vermuten, dass es eine Unterbrechung der Besiedlung zwischen der frühen Mamluken-Zeit und der späten Ottomanen-Zeit gab (Dalali-Amos 2009b). Ob es tatsächlich eine solche Unterbrechung für den gesamten Ort gab oder nur für den Bereich einzelner Ausgrabungen, ist aufgrund der starken modernen Bebauung und der damit den Archäologen gesetzten Grenzen offen.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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2. Weitere Literatur
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- Covello-Paran, K., 2006, Sulam, Hadashot Arkheologiyot 118
- Covello-Paran, K., 2010, Sulam. Final Report, Hadashot Arkheologiyot 122
- Covello-Paran, K. / Arie, E., 2010, Sulam, Tel Shunem. Preliminary Report, Hadashot Arkheologiyot 122
- Covello-Paran, K., 2011, Sulam, Tel Shunem. Preliminary Report, Hadashot Arkheologiyot 123
- Dalali-Amos, E., 2009a, Sulam. Final Report (14/02/2009), Hadashot Arkheologiyot 121
- Dalali-Amos, E., 2009b, Sulam. Final Report (02/12/2009), Hadashot Arkheologiyot 121
- Dalali-Amos, E., 2009c, Sulam. Final Report (05/12/2009), Hadashot Arkheologiyot 121
- Dalali-Amos, E., 2011, Sulam. Final Report, Hadashot Arkheologiyot 123
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Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Schunem. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- In Schunem gefundener Skarabäus aus der 18. Dynastie (1539-1292 v. Chr.; BIBEL+ORIENT Datenbank Online
). © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz - In Schunem gefundene rechteckige Platte (BIBEL+ORIENT Datenbank Online
). © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz - Skarabäus aus Tel Ḥarasim (1650-1500 v.Chr.), dessen Motiv große Ähnlichkeit zur rechteckigen Platte aus Schunem hat (BIBEL+ORIENT Datenbank Online
). © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
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