Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: September 2010)

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1. Bezeichnungen

Der hebräische Name für das Schwein ist חֲזִיר chǎzîr. Er wird sowohl für das Hausschwein wie für das Wildschwein gebraucht (vgl. auch den [auch in priesterlichen ! Kreisen belegten] Personennamen Hesir (chezîr) 1Chr 24,15; Neh 10,21). Im Neuen Testament (vgl. dazu von Lips, 172) finden sich die Begriffe χοῖρος choiros „(junges) Schwein / Ferkel“ bzw. ὗς hys „Schwein“ (nur 2Petr 2,22).

2. Altes Testament

Schwein 1
In der Antike waren die Flusstäler Mesopotamiens häufig mit Sümpfen durchzogen und die Gebirge bewaldet, so dass Wildschweine dort einen ausgezeichneten Lebensraum fanden, der genügend Nahrung (Wurzeln, Kleintiere, Nüsse etc.) aufwies. Bis heute kommen sie zahlreich in den Sumpfgebieten des südlichen Irak vor und werden dort als Schädling betrachtet, zumal von ihnen durchaus auch Gefahr ausgehen kann. Die Domestikation des Schweins ist schon um 8000 v. Chr. in Südanatolien und Nordsyrien belegbar. In Ägypten und der Levante kommen Hausschweine ab etwa 6000 v. Chr. vor.

In Ägypten waren Schweine wichtige Schlachttiere und wurden in großen Herden gehalten, die z.T. auch den Tempeln gehörten. Dennoch waren sie wenig geachtete Haustiere, was wohl mit der religiösen Tabuisierung des Schweines zu tun hatte. Die ägyptische Medizin setzte Teile der Tiere bei verschiedensten Erkrankungen ein.

Zahlreiche Funde von Schweineknochen aus verschiedenen Orten in Palästina belegen, dass dort Hausschweine während der Bronzezeit, aber auch in der Eisenzeit I und II gehalten wurden (vgl. dazu ausführlich Hübner, 226ff). Allerdings war ihr Anteil gemessen an der Zahl anderer Haustiere (Schafe, Ziegen und Rinder) klein. Für die Haltung von Hausschweinen im vorexilischen Israel und Juda sprechen neben Spr 11,22 auch zahlreiche eisenzeitliche ikonographische Belege von Schweinen bzw. Wildschweinen, wie z.B. eine Gefäßmalerei aus Kuntillet ‘Aǧrūd (→ Kuntillet ‘Aǧrūd [Kuntillet Agrud]; Belege bei Hübner, 227). Da die Knochen der Schweine in unmittelbarer Nähe von Wohnbereichen gefunden wurden und zudem Hack- und Schnittspuren aufwiesen, ist eine profane Verwendung (zur Fleisch-, Fett-, Leder- und Borstengewinnung) der meist jungen Tiere anzunehmen. Diese dürften weniger in Herden und auf Weiden, sondern eher innerhalb der Siedlungen in kleiner Anzahl gehalten worden sein. Dort konnten sie sich als Allesfresser zugleich bei der Beseitigung von Abfällen nützlich machen.

Erst die aus exilischer bzw. nachexilischer Zeit stammenden Speiseverbote in Lev 11,7; Dtn 14,8 erklären das Schwein für unrein, weil es eines der beiden für reine Tiere gültigen Kriterien nicht erfüllt: Es gehört zwar zu den Paarhufern, aber nicht zu den Wiederkäuern (vgl. dazu Gerstenberger, 123f) und durfte daher weder gegessen noch geopfert werden. „Ein weiterer Faktor, der die Unreinerklärung des Schweins bestimmt begünstigt hat, dürfte darin liegen, dass zumindest im Zweistromland das Schwein wegen seiner aggressiven Anteile mit dem Bösen assoziiert … oder zur Projektionsfläche des Bösen gemacht werden konnte“ (Staubli, 47).

Von einem durch ein Wildschwein (חֲזִיר מִיָּעַר hǎzîr mijjā‘ar) angerichteten Schaden im Weinberg ist Ps 80,14 die Rede. Der sarkastische Spruch Spr 11,22 vergleicht ein Schwein, das einen wertvollen Nasenring im Rüssel trägt, mit einer schönen Frau, der es an Taktgefühl fehlt – beides ist widersinnig und unpassend (zur Stelle s. Meinhold 1991, 197). Der Hinweis auf Opfer von Schweineblut Jes 66,3 (zum Text vgl. Lau 1994, 173ff) ist nicht dahingehend zu verstehen, dass solche Opfer im nachexilischen Palästina vorkamen, sondern dient in polemischer Absicht der Diffamierung der Gegner: Indem sie mit dem unreinen Tier in Verbindung gebracht werden, soll die Abscheu vor ihnen gesteigert werden. Die Gleichsetzung von Speiseopfer und Schweineblut diskreditiert zugleich eine bislang offizielle und im Rahmen des JHWH-Kultes hochgeschätzte Opferart (vgl. Lau 1994, 177). Ähnliches gilt für Jes 65,4; Jes 66,17, wo vom Essen von Schweinefleisch die Rede ist (vgl. hierzu z.B. Koenen 1990, 191-193; Lau 1994, 178-185.185-193, anders Botterweck, ThWAT II, 842-846, der heidnische Kultmahlzeiten annimmt, vgl. ferner Hübner 1989, 225 m. Anm. 6 mit Bezug auf die ältere Literatur). All diese tritojesajanischen Stellen (→ Tritojesaja) setzen die alttestamentlichen Speiseverbote voraus und bringen die Gegner mit unreinen und widerwärtigen Handlungen in Verbindung.

In hellenistischer Zeit wird der radikale Verzicht auf Schweinefleisch Zeichen für die Zugehörigkeit zum Judentum. Die Anordnung von Schweineopfern (1Makk 1,47 [Lutherbibel: 1Makk 1,50]) war daher genauso wie der Zwang zum Essen von Schweinefleisch ein Sakrileg, dem viele den Märtyrertod vorzogen (2Makk 6,18; 2Makk 7,1; 4Makk 5,2).

3. Neues Testament

Im Neuen Testament wird verschiedentlich auf Schweine Bezug genommen. Die Unreinheit von Schweinen spielt in Mk 5,11ff par. eine Rolle, wenn erzählt wird, dass der aus einem Besessenen ausgetriebene Dämon in eine große Schweineherde fährt. Solche von Hirten betreute Herden waren in der hellenistisch beeinflussten Dekapolis keine Seltenheit, da Schweine im griechisch-römischen Bereich auch kultisch wichtig waren. Wichtig ist zudem der Hinweis darauf, dass das Wappentier der zehnten römischen Legion ein Eber war. Die Heilung des Besessenen erhält vor diesem Hintergrund vielleicht noch eine politische Dimension. Der böse Geist sagt von sich, er heiße „Legion“, Jesus erlaubt ihm daraufhin, in die Schweineherde zu fahren, die sich anschließend ins Meer (gemeint ist der → See Genezareth) stürzt. Dadurch wird das Übel im Chaosbereich „Meer“ „versenkt“, was zur Heilung des Besessenen führt. „Für die Hörerschaft des Evangelisten, die das Wappentier der in Palästina stationierten zehnten Legion kannten, war dadurch ohne ausdrückliche Nennung klar, dass die Ursache der Besessenheit in der römischen Militärherrschaft zu suchen ist“. (Staubli, 55)

Unklar ist die Deutung des ursprünglich vielleicht aus judenchristlichen Kreisen stammenden Logions Mt 7,6, das im ThEv Logion 93 aufgenommen wird (vgl. auch das im deutschen Sprachraum seit dem Mittelalter nachgewiesene Sprichwort vom „Perlen vor die Säue werfen“). Im Hintergrund könnte stehen, dass das unreine Schwein als Inbegriff des Verabscheuten in manchen Texten zur Metapher für Heiden wurde (vgl. Strack / Billerbeck I 448-450). Der Vers würde dann davor warnen, die Perlen (= das Gesetz) den Heiden zu übergeben (vgl. Luz, 496f). Andererseits kann der Spruch auch als bildhafte Mahnung zu rechtem Verhalten verstanden werden, wobei zwischen Hund und Schwein ein Kontrast hergestellt wird: Wenn man Hunde, die sonst nicht gefüttert werden, mit besonderem Fleisch (Opferfleisch) verwöhnt, den Schweinen aber, die sonst reichlich gefüttert werden, etwas vorsetzt, das sie – wenn auch noch so wertvoll – nicht fressen können, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Tiere dadurch gereizt werden und Menschen anfallen und zerreißen bzw. die Perlen in den Dreck treten (vgl. zu dieser Deutung von Lips, der vielfältiges Material zusammenträgt). Als prophetisches Gerichtswort Jesu verstanden würde Mt 7,6 „mit dem Hinweis auf die Folgen falschen Verhaltens und Handelns den Hörern in aller Deutlichkeit vor Augen führen, dass ihr falsches Tun auf sie zurückfällt“ (von Lips, 183).

Die aus jüdischer Sicht tiefe Erniedrigung und völlige Verkommenheit des Sohnes in Lk 15,15f zeigt sich daran, dass er gezwungen ist, in der Fremde, also außerhalb Palästinas, die unreinen Schweine zu hüten, und sich Essen von deren Mastfutter stehlen muss, um seinen Hunger zu stillen. Durch den täglichen Umgang mit den unreinen Tieren war er am untersten Ende der Sozialleiter angelangt. Den Rückfall der libertinistischen Pseudolehrer in das Sündenleben charakterisiert das Sprichwort vom Schwein, das sich kurz nach dem Bad im Kot wälzt (2Petr 2,22). Barn 10,3f schließlich enthält eine ethische Deutung des alttestamentlichen Verbots, Schweinefleisch zu essen.

Literaturverzeichnis

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2. Weitere Literatur

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