Serubbabel
(erstellt: November 2013)
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Serubbabel war ein Abkömmling der Davidischen Dynastie und in frühnachexilischer Zeit (Ende 6. Jh. v. Chr.) beim Wiederaufbau Jerusalems eine Führungspersönlichkeit, von der das → Esra-Nehemia-Buch
1. Name
Der Name Serubbabel (זְרֻבָּבֶל Zərubāvæl) stellt vermutlich eine Hebraisierung des akkadisch gut belegten Namens zēr-bābili „Spross Babels“ dar. Meist wird angenommen, dass der Name auf seinen Geburtsort Babel hinweise. In der Erzählung von einer Symbolhandlung in Sach 6,9-14
Der Name wird in der → Septuaginta
2. Die biblische Figur
Serubbabel wird in der Hebräischen Bibel 22-mal erwähnt, in der Septuaginta 34-mal. Im Neuen Testament erscheint Serubbabel nur in den Stammbäumen Jesu als davidischer Vorfahre (Mt 1,12f
2.1. Im Esra-Nehemia-Buch
Im Esra-Nehemia-Buch wird Serubbabel als Enkel → Jojachins
2.1.1. Rückführung der Exulanten. In der Liste der Heimkehrer (Esr 2,2
2.1.2. Wiederaufbau des Tempels. Zusammen mit → Jeschua
Nach Esr 4,1ff
Der in Esr 6,7
Auffällig ist, dass der Tempelbau in der Erzählung Esr 1-6
2.2. In den Chronikbüchern
In den → Chronikbüchern
2.3. In den Büchern Haggai und Sacharja
Wie im Esra-Nehemia-Buch gilt Serubbabel auch bei → Haggai
Bei Haggai wird Serubbabel als offizieller Amtsträger (פֶּחָה pæḥāh) der persischer Provinz Jehud bezeichnet (Hag 1,1
2.3.1. Serubbabel und Joschua. Die prophetische Überlieferung, die in den Büchern Haggai und Sacharja ihren Niederschlag findet, stellt die Rolle Serubbabels im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Tempels in besonderer Weise heraus (Hag 1,1
2.3.2. Serubbabel als davidisch-messianischer Herrscher und der Wiederaufbau des Tempels. Zugleich wird in beiden Prophetenbüchern die Königsdesignation Serubbabels als davidisch-messianischer Herrscher stark akzentuiert: Serubbabel wird als Anwärter auf den Thron seiner Vorfahren aus dem Haus Davids stilisiert (vgl. Hag 2,20-23
In Hag 2,20-23
Serubbabel wird vom Propheten Haggai am Tag der Grundsteinlegung des Tempels dessen künftige Königsherrschaft angesagt (Hag 2,15-19
In der fünften Vision Sacharjas (Sach 4
In Sach 6,9-14
3. Zur historischen Person
3.1. Zu den Problemen der historischen Erschließung
Serubbabel ist außerbiblisch nicht belegt. Seine Historizität wird allerdings in der Regel nicht in Frage gestellt.
Methodisch ist es äußerst wichtig, die Verschiedenheit der biblischen Überlieferungen bei Haggai und Sacharja sowie im Esra-Nehemia-Buch wahrzunehmen und unabhängig voneinander zu betrachten. Mehrheitlich werden in der Forschung die vermeintlich älteren und authentischen Quellen der Haggai / Sacharja-Überlieferung bevorzugt, um die historische Person Serubbabel zu erschließen. Das so gewonnene Grundgerüst wird dann mit Notizen aus dem Esra-Nehemia-Buch angereichert bzw. in einen kritischen Diskurs gebracht. Durch diese Art der Harmonisierung gehen die theologischen Profile und unterschiedlichen Textpragmatiken der biblischen Bücher verloren, die sie in Bezug auf die Akzentuierung der Person Serubbabel besitzen (s.u. 4.). Theologische Profilierungen können auf diese Weise zu vorschnell als historische Traditionen bzw. authentische Erinnerungen aufgefasst werden.
Mit Recht hat Kratz zudem darauf hingewiesen, dass bei der üblich gewordenen Bevorzugung der prophetischen Tradition für die historische Rekonstruktion der Biographie Serubbabels den redaktionellen Prozessen der prophetischen Literatur zu wenig Beachtung geschenkt wird (Kratz 2004, bes. 79). Eine genaue Analyse der Überlieferungsschichten nötigt dazu, klar zwischen historischen und literarischen „Propheten“ zu unterscheiden und die Angaben über Serubbabel entsprechend differenziert zu betrachten. In seinem 2004 publizierten Aufsatz über Serubbabel und Joschua konnte Kratz überzeugend herausarbeiten, dass ein Großteil der Angaben zu Serubbabel (wie auch zu Joschua) redaktionell sind (Kratz 2004). Der historische Wert der Haggai / Sacharja-Überlieferung wird damit erheblich relativiert. Zwar wird man für die historische Rekonstruktion auf die Angaben der Tradition bzw. der Prophetenredaktion angewiesen bleiben, doch lässt sich nur schwer ausmachen, inwieweit diese Traditionen historisch zuverlässige Daten bieten. Im Folgenden einige Orientierungspunkte für eine historische Rekonstruktion der Person Serubbabel:
3.2. Serubbabels Identifikation mit Scheschbazzar?
Weil im Esra-Nehemia-Buch sowohl Scheschbazzar (zur Zeit Kyros II.) als auch Serubbabel (zur Zeit Darius I.) mit der Rückführung der Exulanten sowie dem Tempelaufbau in Verbindung gebracht werden (s.o. 2.1.), wurde in der älteren Forschung häufig eine Identität beider Figuren postuliert (vgl. etwa Bertheau 1862, 24; Schrader 1867, 478.480; van Hoonacker 1901, 7-10; ders., 1892, 42-46). Anlass für diese Identifizierung gab vor allem das Fehlen Scheschbazzars in der Liste der heimgekehrten Exulanten in Esr 2
Doch werden die meisten Schwierigkeiten mit der Identifizierung nicht beseitigt. Schon die regelmäßige Erwähnung der Führungsspitze Serubbabel und Jeschua hat bei Scheschbazzar keine Parallele. Auch die Vermutung, dass dieselbe historische Person zwei Namen hatte (Scheschbazzar als offizieller, Serubbabel als gebräuchlicher Name; Lust 1987; ähnlich Saebø 1989, 174-177), ist nicht nur äußerst hypothetisch, sondern der Gebrauch eines doppelten babylonischen Namens ist auch unüblich (Japhet 1982, 91; Kessler 2002, 64-66). Ferner erklärt die These nicht den Wechsel im Namensgebrauch in Esr 1-6
3.3. Serubbabel als persischer Amtsträger (פֶּחָה)
Nach der Darstellung von Haggai / Sacharja soll Serubbabel als offizieller persischer Amtsträger in der Provinz Jehud tätig (פֶּחָה pæḥāh) und somit in offiziellem, d.h. königlichen Auftrag mit der Restauration Judas betraut gewesen sein. Interessanterweise qualifiziert die Esra-Nehemia-Tradition ihn an keiner Stelle explizit als Amtsperson, wohl aber betrachtet sie ihn als Leitungspersönlichkeit in der Aufbauphase der neuen Jerusalemer Kultgemeinde. Von Serubbabel ist nicht bekannt, wann genau er in die Provinz Jehud kam und mit welchem Auftrag er dort agieren sollte.
Welche genaue Amtsfunktion Serubbabel innehatte, ist nicht mit Sicherheit auszumachen. Einige Problemanzeigen im Folgenden:
1. Ob Serubbabel tatsächlich das Amt eines „Statthalters“ innehatte, ist nicht so sicher auszumachen, wie es mitunter in der gegenwärtigen Forschung geschieht. Einen sicheren Beleg für einen Statthalter der persischen Provinz Jehud bietet erst die Erwähnung → Bogoas
2. Der Ausdruck פֶּחָה pæḥāh ist in seiner Bedeutung recht unspezifisch und kann einen Amtsträger auf jeder Stufe der Verwaltungshierarchie bezeichnen (s. Fleishman 1995, 82; Hieke 2005, 110, Rothenbusch 2012, 105 Anm. 105).
3. In diesem Zusammenhang stellt sich zudem die Frage nach dem administrativen Status der persischen Provinz Jehud in frühnachexilischer Zeit. Deutet man Serubbabels Amt als das eines Statthalters (eventuell muss dann Scheschbazzar als sein Amtsvorgänger angesehen werden; dieser wird als Vorgänger Serubbabels und „Fürst für Judas“ [Esr 1,8
4. Will man die Eigenständigkeit der Provinz Jehud in der frühen Perserzeit nicht postulieren, erfolgt häufig eine Einengung der Bedeutung des Begriffes פֶּחָה pæḥāh auf einen bestimmten, klar umrissenen Aufgabenbereich Serubbabels: So wird Serubbabel von → Albrecht Alt
3.4. Serubbabel und der Tempelbau
Im Esra-Nehemia-Buch wie in Haggai / Sacharja wird Serubbabels zentrale Rolle beim Wiederaufbau des Tempels betont, was historisch nicht unplausibel zu sein scheint. Im Rahmen von Forschungshypothesen, die die sog. aramäische Quelle (Esr 4,8
4. Serubbabel als Messiasfigur
Die Prophetenbücher Haggai und Sacharja haben in ihrer Darstellung des Tempelaufbaus ein deutlich politisch ambitioniertes Profil, in das sich die Darstellung Serubbabels sehr gut einfügt: Dort wird er als davidischer Herrscher mit messianischen Zügen inszeniert, als höchster und offizieller politischer Akteur ausgewiesen („Statthalter Judas“), der an der Seite des Hohenpriesters (als Repräsentant der religiösen Ordnung) den Tempel wieder aufbaut (Sauer 1967; Seybold 1989). Der Tempelaufbau bekommt hier eine religiöse wie politische Dimension für das Schicksal „Israels.“ Das persische Großkönigtum erscheint lediglich Rand im chronologischen Gerüst der beiden Bücher.
Die Verknüpfung der messianischen Attribute mit dem Tempelbau ist nicht ungewöhnlich: In der Vorstellung des Alten Testaments und des Alten Orients ist der König für den Bau des Tempels, dessen Verwaltung und den Kult zuständig (Lux 2005, 154; Lux 2002). Deshalb werden die messianischen Figuren im Alten Testament auch regelmäßig durch Tempelbaumaßnahmen als solche legitimiert (vgl. David, Salomo, und Serubbabel in Hag 2,20-23
Völlig anders die Darstellung im Esra-Nehemia-Buch: Dort ist diese messianische Perspektive nicht vorhanden. Serubbabel wird dort als Hauptakteur des Tempelbaus stilisiert, doch fehlen sowohl die politischen (keine Amtsträgerbezeichnung Serubbabels) wie religiösen Konnotationen der Person. Zudem lässt sich die davidische Abstammung Serubbabels nur über die Filiation – und das auf dem Umweg über 1Chr 3,19
Dies könnte in der theologisch-ideologischen Konzeption des Esra-Nehemia-Buches begründet liegen, die den persischen Großkönig de facto als messianische Figur stilisiert, hinter der Serubbabel (literarisch / theologisch) zurücktreten muss: Das Esra-Nehemia-Buch entwirft das Bild einer von königlichen Gnaden restituierten, eingesetzten und protegierten Tora-Gemeinde am Jerusalemer Heiligtum. Nur die auf diese Weise theologisch qualifizierte Jerusalemer Kultgemeinde wird mit dem theologisch (nicht rein politisch) verstandenen Terminus „Israel“ bezeichnet. Garant dieser Gemeinschaftsbildung ist das persische Großkönigtum. Auch die Neugründung des Heiligtums und damit das religiöse Zentrum des als Diaspora-Gemeinde definierten „Israel“ wird deutlich wie in keinem andere biblischen Buch explizit auf die Anordnung des Perserkönigs Kyros bezogen (etwa Esr 1,1ff
Dies passt zur Stilisierung des „Messias Kyros“ in den → Chronikbüchern
Kyros wird damit faktisch in die Nachfolge der Davididen gestellt und im Esra-Nehemia-Buch als Tempelbauer inszeniert, der in göttlichem Auftrag (vgl. auch 2Chr 36,23
Wenn es zutreffend ist, dass diese Vorstellungen im Hintergrund des Esra-Nehemia-Buchs stehen, lässt sich begründen, warum die Figur Serubbabels nicht mit messianischen Attributen ausgestattet werden kann: Er wird zugunsten der Figurenzeichnung des Kyros lediglich als ausführendes Organ des Großkönigs dargestellt und handelt in jedem Detail im Auftrag des Messias Kyros. Dies unterstreichen die königlichen Erlasse von Kyros II. und Darius I., die narrativ als (sehr wahrscheinlich fiktive) Quellen präsentiert werden. Hierzu passt, dass Serubbabel beim eigentlichen Tempelbau und dessen Vollendung (Esr 6,13-22
Literaturverzeichnis
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