Sieg / Siegesfeier
(erstellt: April 2018)
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1. Alter Orient und Ägypten
Aus dem Alten Orient und Ägypten liegt uns eine Fülle von Dokumenten, und zwar Texten und Bildern, vor, in denen Herrscher ihre Siege, die sie der Ideologie nach mit Gottes Hilfe errungen haben, glorifizieren, auch wenn diese historisch gesehen in einigen Fällen alles andere als glorreich gewesen sein dürften. Sowohl die Texte als auch die Bilder kennen dabei eine Reihe fester Motive wie in der Ikonographie das Bild vom Pharao, der einen Feind am Schopf packt und mit einer Keule erschlägt.
Für derartige Dokumente können hier nur wenige Beispiele genannt werden: → Ramses II.
Ähnlich großformatig zeigt → Ramses III.
Deutlich kleiner wirken die Siegesreliefs der assyrischen Könige, die allerdings nicht an Außenwänden, sondern im Innern von Palästen angebracht waren. So zeigt ein Relief aus dem Palast Sanheribs in Ninive (um 700 v. Chr.) die Eroberung von Lachisch und die Deportation der Einwohner sowie den König vor den Toren der Stadt auf seinem Thron.
Eine Fülle von Siegen Salmanassars III. (858-824 v. Chr.) stellen die überaus fein gearbeiteten Bronzereliefs aus der assyrischen Stadt Balawāt dar, die einst zu einem Tor gehörten. Außer auf großflächigen Reliefs konnten Siege auf Stelen vor Augen geführt werden. So zeigt der sog. Schwarze Obelisk (841 v. Chr.) aus → Kalchu
Unter anderem sieht man, wie sich Israels König → Jehu
Weniger repräsentativ waren demgegenüber Prismen aus Ton, auf denen die Siege von Herrschern propagandistisch beschrieben wurden. Zu nennen ist z.B. das 38 cm hohe und 14 cm breite Prisma des assyrischen Königs Sanherib, das unter anderem einen Bericht von der Belagerung Jerusalems 701 v. Chr. bietet.
Zu all diesen Formen von Siegesdarstellungen, die für die Großmächte Mesopotamiens und Ägyptens gut belegt sind, gibt es aus Israel und Juda kein Pendant. Für Siege israelitischer oder judäischer Könige sind uns also keine vergleichbaren Quellen bekannt.
2. Hebräische Bibel
Die Begriffe „Sieg“ und „Siegesfeier“ kommen in der Hebräischen Bibel kaum vor. Deswegen werden außer den wenigen Texten, die solche Begriffe enthalten, auch Texte behandelt, die sich inhaltlich auf ein Siegesgeschehen beziehen. Dabei ist – zwischen Hebräischer Bibel (MT) und → Septuaginta
Folgende Begriffe können einen Sieg umschreiben: 1) גְּבוּרָה gəvûrāh „Mannhaftigkeit / Kraft / Stärke“, abgeleitet von der Wurzel גבר gbr „überlegen / stark sein / machen“, von der ebenso der Begriff „junger Mann“ (Spr 30,19
Die alttestamentlichen Erzählungen von Israels Siegen, z.B. von den Siegen → Josuas
2.1. Sieg mit Gottes Hilfe in der Hebräischen Bibel
An zahlreichen Stellen ist in der Hebräischen Bibel von Kampf und Sieg über Feinde / Gegner der Israeliten / Judäer die Rede, z.B.
-
Jos 6
: Sieg über Jericho; -
Jos 8,1-29
: Sieg über Ai; -
Jos 10
: Sieg über Jerusalem und weitere Städte; -
Jos 11,1-14
: Sieg über Hazor und weitere Städte im Norden; -
Ri 4
: Sieg von Debora und Barak; -
Ri 7
: Sieg Gideons; -
Ri 8,1-21
: Weiterer Sieg Gideons; -
Ri 9,22-57
: Sieg über Abimelech; -
Ri 21,10-14
: Sieg über Jabesch in Gilead; -
1Sam 14,16-48
: Sieg über Philister; -
1Sam 15,1-9
: Sieg über Amalekiter; -
1Sam 17
: Sieg Davids über Goliat; -
2Sam 2,12-32
: Sieg der Truppen Davids über die Truppen Israels; -
2Sam 5,17-25
: Sieg über Philister; -
2Sam 8,1-14
: Davids Siege; -
2Sam 10
: Siege über Ammoniter und Aramäer; -
2Sam 12,26-31
: Sieg über Ammoniter; -
2Sam 18
: Sieg über Absalom; -
2Sam 21,15-22
: Sieg über Philister; -
1Kön 20
: Sieg über Aramäer; -
1Kön 22,1-39
: Sieg über Aramäer.
Es ist aber auch vom Kampf gegen und (teilweisen) Sieg über Israel / Juda die Rede, z.B.
-
1Sam 4,1-18
: Sieg der Philister; -
1Sam 30
: Sieg der Philister; -
2Kön 17,1-23
: Sieg der Assyrer; -
2Kön 18,13-19,37
: fast ein Sieg der Assyrer; -
2Kön 25,1-26
: Sieg der Babylonier.
So gesehen gehören kriegerische Auseinandersetzungen mit allen entsprechenden Begleitumständen wie Niederlage und Sieg zu den selbstverständlichen Lebenserfahrungen der Menschen in nahezu allen Generationen. Ausdrücklich ist jedoch in der Hebräischen Bibel immer wieder betont, dass ein militärisch zu verstehender Sieg nur eine Gabe Gottes sein kann: Durch eigene Kraft oder eigenwilliges Agieren ist nichts gewonnen, aber alles verloren (vgl. Jos 7; 1Sam 15). Wenngleich Israel / Juda Siege mit Gottes Hilfe erringt, ist von einer Siegesfeier selten die Rede. Im sogenannten Kriegsrecht (Dtn 20) ist zwar das Beutemachen (Dtn 20,14
2.2. JHWHs Sieg über Feinde (2Chr 20,1-30)
In 2Chr 20,1-30
Als Joschafat vom Truppenaufmarsch gegen ihn erfährt, gerät er in Furcht und zieht sich in den Tempel zu Jerusalem zurück, um vor der Gemeinde Judas und Jerusalems angesichts der Gefahr zu JHWH zu beten. Aus dem Wortlaut des Gebets (2Chr 20,6-12
Während des Gebets des Königs kommt der → Geist
An jene Weisung Jahasiels hält König Joschafat sich strikt und überbietet sie sogar, indem er Sänger im heiligen Schmuck vorangehen lässt, die schon vor dem Kampf beginnen, JHWH Loblieder im Sinne von Dankliedern darzubringen (vgl. 2Chr 20,21
Ob dieses göttlichen Sieges über die Feinde kehren alle Männer (כָּל־אִישׁ kål ’îš) Judäas und Jerusalems, die nun zum ersten Mal so ausdrücklich genannt werden (vgl. dagegen 2Chr 20,21.25
2.3. Die Siegeslieder von Mose und Mirjam (Ex 15,1-21)
Die wahrscheinlich bekanntesten Preis- und Siegeslieder der Hebräischen Bibel finden sich eng vereint in Ex 15
2.3.1. Das Siegeslied des Mose (Ex 15,1-19)
Unter dem Aspekt „Sieg“ und „Siegesfeier“ lässt sich vielleicht Folgendes sagen: 1. Wie bei dem sogenannten Mirjam-Lied (Ex 15,20f
Aufgrund folgender Merkmale handelt es sich bei Ex 15,1-19
2.3.2. Das Lied der Mirjam (Ex 15,20f)
Mit Ex 15,20
Der Makrokontext von Ex 15,20f
2.4. Eingeschränkter Sieg über Amalek (Ex 17,8-16)
Ex 17,8-16
Die Erzählung Ex 17,8-16
Während aus dem Text eindeutig hervorgeht, dass Amalek Israel angreift und es daraufhin zu einem Kampf kommt, heißt es bezüglich des Ausgangs dieses Kampfes mehrdeutig „Und Josua schwächte Amalek und sein Volk mit der Spitze / Schärfe des Schwertes“ (Ex 17,13
2.5. „Siegesschall“ (גְּבוּרָה gəvûrāh) in Ex 32,18?
2.5.1. Kontext. Auf Ebene des narrativen Ablaufs im Buch → Exodus
2.5.2. Deutung. Wenngleich bezüglich einer angemessenen Übersetzung von Ex 32,17f
In der Kittel-Bibel (1906) und ihren Nachfolgern wird – im Unterschied zu den allermeisten jüdischen hebräischen Bibelausgaben – druckgraphisch hervorgehoben, dass bei Ex 32,18
Der Samaritanische Pentateuch und die Peschitta lesen diesen Ausdruck interpretierend als „Sünde“ (vgl. Baentsch, 271). Ebenso auffällig ist aber auch, dass zwar auf die beiden Infinitivi constructi in Ex 32,18a
Die Übersetzung von Ex 32,18c
Auch in Ps 21,14
2.5.3. Ex 32,18 in der Septuaginta. Die Septuaginta weicht in Ex 32,18
3. Apokryphe / deuterokanonische Schriften
3.1. Das Buch Judit
Das Buch → Judit
Der mutigen Tat der Judit, die ganz ohne militärische Streitmacht einen so mächtigen Heerführer wie Holofernes bezwungen hat, wird im narrativen Verlauf des Buchs Judits dreimal lobpreisend gedacht:
1) Nahezu unmittelbar nach der Überbringung der Nachricht von der vollbrachten siegreichen Tat der Judit wird Gott dafür gepriesen: Das ganz Volk ist außer sich und preist Gott, der die Feinde seines Volkes gedemütigt / verachtet hat (ἐξουδένουν exoudenoun; Jdt 13,17
2) Nach den Plünderungen kommt es seitens aller Frauen Israels (πᾶσα γυνὴ Ισραηλ pasa gynē Israēl) zu einer Dankes- und Lobesfeier für Judit wegen ihres erfolgreichen Einsatzes gegen die Assyrer. Judit zu Ehren führen die Frauen Israels einen Reigentanz (χορός choros) auf, und sie reichen sich gegenseitig Thyrsosstäbe, mit Efeu umwundene Stäbe, in denen sich im griechisch-hellenistischen Kontext mitunter ein Pinienzapfen oder auch eine eiserne Spitze verbarg und die ursprünglich im Dionysoskult ihren Sitz im Leben hatten (Gross, 809). In Jdt 15,12f
3) Aus Jdt 16,18
Kurzum: Dem Sieg über die Assyrer wird dreimal gedacht, wobei ausdrücklich und ausführlich Judit als die entsprechende Heldin stilisiert ist. Jedoch wird an keiner Stelle Zweifel daran gelassen, dass Gott allein den Sieg gewährt hat.
3.2. Das Buch Ester
Das Buch → Ester
Wenngleich das Hauptthema im Buch Ester die Planung und die Abwehr eines Judenpogroms im persischen Weltreich ist (Est 3,6.7-9.13.13f.g
Im Est 3,7-13
Erst in Est 8,8
Festgehalten wird letztlich ausdrücklich, dass Gott sein Volk gerettet hat und dass im Gedenken daran, zu allen Zeiten und in allen Generationen dieses Fest von allen mit ausgelassener Freude gefeiert werden soll (vgl. Est 10,3f.k). Somit ist das → Purimfest
Das sogenannte Purimfest ist ähnlich wie letztlich das → Passafest
3.3. Siegesfeier nach dem Kampf gegen Timotheos und Bakchides (2Makk 8)
Der Begriff „Siegesfeier“ (ἐπινίκια epinikia, Adj. Neutr. Pl.) findet sich ausdrücklich nur in 2Makk 8,33
Die dann in 2Makk 8 ausführlich geschilderte militärische Auseinandersetzung geschieht in folgenden Schritten.
Judas Makkabäus stellt ein Heer von 6.000 Personen auf (2Makk 8,16a
Im Anschluss an die Motivationsansprache des Judas Makkabäus wird die Streitmacht in vier Abteilungen gegliedert. An die Spitze der Abteilungen stellt er als Befehlshaber seine Brüder (vgl. 1Makk 2,2-5
Unmittelbar darauf wird ein erster Sieg gegen das Heer Nikanors erzielt. Der maßgebliche Grund für diesen Erfolg liegt darin, dass der „Allmächtige“ (Pantokrator) Mitkämpfer (σύμμαχος symmachos „Bundesgenosse“, LXX/D) gewesen ist. Die Vorstellung, dass Gott direkt „Mitkämpfer“ bzw. ein entsprechender „Bundesgenosse“ ist, findet sich so ausdrücklich nur im Zweiten Makkabäerbuch, und der Ausdruck „Mitkämpfer“ ist außerdem in diesem Buch allein für Gott reserviert (vgl. 2Makk 10,16
Die auf den Sieg einsetzende Verfolgung des noch übrig gebliebenen und fliehenden Gegners wird durch das Herannahen des → Sabbats
4. Neues Testament
Der Terminus „Sieg“ ist im Neuen Testament fünfmal belegt (vgl. Mt 12,20
Wenn im Neuen Testament von „Sieg“ (ἡ νίκη hē nikē; τὸ νῖκος to nikos) bzw. von „siegen“ (νικᾶν nikan) die Rede ist, so sind mitunter durchaus Anleihen an sportliche bzw. militärische Kontexte erkennbar (Luk 11,22
In 1Joh 5,4
Das tertium comparationis hinsichtlich des sportkampfähnlichen bzw. militärischen und des theologischen Gebrauchs des Wortes „Sieg“ im Neuen Testament ist, dass ein Sieg errungen sein will. Das heißt, dass ein Sieg zwar mit Anstrengung und zuvörderst mit einem Willen zum Siegen verbunden ist, es aber keinen Anspruch auf einen Sieg gibt, da diesen allein Gott gewährt. Ein Sieg hat daher auch immer geschenkhaften Charakter. Sieg, dessen war man sich nicht nur in der klassischen, sondern auch in der vorklassischen Antike bewusst, verdankt sich letztlich göttlicher Macht bzw. ist göttlichen Ursprungs (vgl. 2Kön 19,35f
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
2. Weitere Literatur
- Baentsch, Bruno, 1903, Exodus-Leviticus-Numeri (HK), Göttingen
- Bauernfeind, Otto, 1966, Art. νικαω κτλ. in: ThWNT, Bd. IV, Stuttgart u.a., 941-945
- Beer, Georg, 1939, Exodus (HAT), Tübingen
- Dohmen, Christoph, 2004, Exodus 19-40 (HThKAT), Freiburg / Basel / Wien
- Dohmen, Christoph, 2015, Exodus 1-18 (HThKAT), Freiburg / Basel / Wien
- Gressmann, Hugo, 1926, Altorientalische Texte zum Alten Testament, Berlin / Leipzig, 82-87
- Gross, Walter Hatto, 1975, Art. Thyrsos, in: Der Kleine Pauly. Lexikon für Antike in fünf Bänden, Bd. 5, München, 809
- Gutberlet, Constantin, 1927, Das zweite Buch der Machabäer (ATA X), Münster
- Jenni, Ernst, 1981, Lehrbuch der hebräischen Sprache des Alten Testaments, 2. Aufl., Basel / Frankfurt am Main
- Kellermann, Dieter, 1993, Art. רע, in: ThWAT, Bd. VII, Stuttgart u.a., 545-555
- Miller, Athanasius, 1940, Das Buch Judith, in: Die Bücher Tobias, Judith und Esther (HSAT IV/3), Bonn
- Noth, Martin, 1959, Das zweite Buch Mose. Exodus (ATD 5), Göttingen
- Ottosson, Magnus, 1995, Art. תף, in: ThWAT, Bd. VIII, Stuttgart u.a., 725-728
- Seybold, Klaus, 1986, Art. נבל, in: ThWAT, Bd. V, Stuttgart u.a., 185-188
- Windisch, Hans, 1930, Die Katholischen Briefe (HNT 15), zweite, stark überarbeitete Auflage, Tübingen
- Zenger, Erich, 2016, Das Buch Ester, in: Frevel, Christian (Hg.), Erich Zenger u.a., Einleitung in das Alte Testament, 9. Aufl., Stuttgart, 378-388
Abbildungsverzeichnis
- Der Pharao tötet einen Feind (Pylon des Totentempels Ramses’ III.; Medinet Habu; 12. Jh.). © public domain (Foto: Rüdiger Liwak, 2006)
- Das Eingangspylon des Tempels von Luxor (13. Jh.). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2005)
- Ramses III. besiegt die Seevolker (Ausschnitt; 12. Jh.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Bewohner von Lachisch unterwerfen sich Sanherib (um 700 v. Chr.). Aus: A.H. Layard, A Second Series of Monuments of Nineveh, London 1853, Pl. 23
- Rekonstruktion der Tore von Balawāt (9. Jh.; British Museum). Aus: Wikimedia Commons; © Mujtaba Chohan, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0 unported; Zugriff 1.6.2018
- Schwarzer Obelisk (198 cm hoch), Mescha-Stele (110 cm) und Tel-Dan-Stelle (Frgm a: 32 cm; alle Mitte des 8. Jh.s v. Chr.). a) Aus: A.H. Layard, The Monuments of Nineveh, London 1849, Pl. 53; b) aus: H. Gressmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Tf. LIII; c) aus: Wikimedia Commons; © יעל י, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 1.6.2018
- Prisma des assyrischen Königs Sanherib (7. Jh. v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 1.6.2018
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