Spiegel
(erstellt: Dezember 2020)
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Die antiken Zeugnisse von Spiegeln sind begrenzt und erlauben nur geringe weiterführende Aussagen. Die frühesten Hinterlassenschaften finden sich in Mesopotamien und Ägypten. Bei ihnen handelt es sich mehrheitlich um Handspiegel. Andere Spiegeltypen wie Stand- oder Klappspiegel sind für den antiken Vorderen Orient und Ägypten nur schwer nachzuweisen. Die Absenz dieser Spiegeltypen im archäologischen Befund bis zur Ausbreitung des Hellenismus muss nicht besagen, dass es sie nicht gegeben hat.
Ein grundsätzliches Problem der Archäologie wird indes ersichtlich: Viele der antiken Objekte sind nicht mehr eindeutig zu identifizieren, einige möglicherweise falsch interpretiert, nicht als solche erkannt oder schlichtweg nicht mehr erhalten. Aus diesen Gründen kann sich der vorliegende Lexikonartikel ausschließlich mit der Gattung der antiken Handspiegel in Vorderasien und Ägypten beschäftigen.
1. Herstellung
Griffe waren noch nicht vorhanden und kamen erst mit dem Aufkommen der Metallverarbeitung hinzu. Diese ermöglichte zudem, dass die Spiegelplatten aus Kupfer, Bronze oder entsprechenden Metallgemischen bestanden. Auch bei ihnen wurde die Oberfläche solange poliert, bis ein Spiegelbild entstand.
Grundsätzlich setzt sich ein Handspiegel aus einer Spiegelplatte und einem Griff zusammen, die miteinander verzapft sind. Die frühen Handspiegel konnten jedoch aus einem Stück gefertigt sein, der Griff war dann jedoch kurz und eher mit einer Handreiche zu vergleichen. Mit der Zeit wurde die Herstellung von Spiegeln komplexer, sodass Handspiegel schließlich aus mehreren Teilen bestehen konnten, wie der Spiegelplatte, dem Sockel als Übergang zwischen Spiegelplatte und Griff, dem Griff selbst sowie weiteren Applikationen oder die Spiegelplatte bekrönenden Attributen. Größere Stücke wurden miteinander verzapft, kleinere schmückende Teile eher verklebt, manchmal wurden auch beide Verbindungstechniken angewendet. Griff, Applikationen oder Einlagen bestanden zuweilen aus anderen Materialien als die Spiegelplatte, wie → Elfenbein
Im 1. Jh. n. Chr. nahm die Produktion von Silberspiegeln im römischen Reich zu. Zudem ermöglichte die Kenntnis um die Herstellung von farblosem → Glas
2. Literarische Überlieferung
In den literarischen Zeugnissen finden sich viele Termini von Spiegeln und Hinweise auf diese. Es fällt auf, dass grundlegend zwischen dem Spiegel als Objekt und als Kultgegenstand zu unterscheiden ist.
Als Objekte werden Spiegel seit altassyrischer (ca. 2000-1800 v. Chr.) und altbabylonischer (ca. 2000-1600 v. Chr.) Zeit als wertvolle Brautmitgift oder im Zusammenhang eines Erbes genannt sowie in Wirtschaftstexten und Inventarlisten aufgeführt. Die akkadischen Wörter mašālum / mušālum, log.ŠU.NÍG.ZABAR und nāmarum stehen für Spiegel aus Kupfer, Bronze oder Gold (CAD M/2,257 mit 1a; CAD N/1,219f; Archives Royales de Mari 7,245). Das akkadische Wort nāmarum wird vor allem in Texten aus dem syrischen → Mari und in den → Amarnabriefen
Im Alten Testament ist nur selten von Spiegeln die Rede. In Ex 38,8
Ob auch גִּלָּיוֹן gillājôn „Spiegel“ bedeutet, ist unsicher. Der Begriff ist wohl von der in verschiedenen semitischen Sprachen belegten Wurzel GLJ „glänzen / entblößen / enthüllen“ abzuleiten. In Jes 8,1
ἔσοπτρον esoptron ist der Begriff, den die griechischen Teile der Bibel für einen Spiegel verwenden. Weish 7,26
Im Neuen Testament hebt Paulus in 1Kor 13,12
3. Archäologische Funde
Die ältesten archäologischen Funde stammen aus neolithischen Gräbern (→ Grab
Für das ausgehende 4. Jt. v. Chr. sind Funde von Spiegeln vor allem für den Süden des antiken Mesopotamiens im heutigen Irak und Iran belegt. Es handelt sich um einfache Kupferspiegel, die wie die in den Wohnhäusern von Ḫafağa keine Griffe aufweisen oder wie die in den Gräbern in Girsu (Tello), Kisch und Ur mit kurzen Griffen versehen waren. Im iranischen Tepe Sialk hingegen kamen beide Spiegeltypen vor, bei denen mit Griff war dieser jedoch deutlich länger. In den Gräbern fanden sich neben Spiegeln auch Schmuckgegenstände als Beigaben, weshalb die Nekropolen als Frauengräber interpretiert werden. Die runden oder ovalen polierten Spiegeloberflächen hatten einen Durchmesser von 10-16 cm.
Mit den zunehmenden Kenntnissen um die Metallverarbeitung finden sich ab dem 2. Jt. v. Chr. archäologische, ikonographische und literarische Zeugnisse von Spiegeln im gesamten Mittelmeerraum inklusive Vorderasien, Ägypten und der Levante. Während in Vorderasien vor allem Spiegel aus Kupfer und Bronze zu fassen sind, wie beispielsweise ein Bronzespiegel im syrischen Mari, finden sich in Ägypten zusätzlich auch solche aus Elektrum, → Silber
Ab dem 1. Jt. v. Chr. nimmt die Vielfalt von Spiegeln im gesamten Mittelmeerraum inklusive Vorderasien, Ägypten und der Levante noch einmal zu. Einfache Kupferspiegel mit einem zierlosen, dünnen und spitz zulaufenden Griff wurden in Gräbern im iranischen Tepe Sialk und in Marlik sowie in der Türkei in Deve Hüyük, aber auch in einem Wohnhaus in Chorsabad / Dur Scharrukin (Koordinaten: N 36° 30' 35'', E 43° 13' 41''
Eine Steigerung findet sich schließlich in Spiegeln, die zwischen Spiegelplatte und Griff einen Sockel als Verbund aufweisen. Ein gut erhaltenes Beispiel bietet ein intakter Spiegelfund aus dem in der heutigen Türkei gelegenen Sardis. Es handelt sich um einen Bronzespiegel, dessen Sockel als reliefierte und vergoldete Pferdeköpfe gestaltet ist. Auch Reliefs zeigen Darstellungen dieses Spiegeltypus, so beispielsweise ein Orthostatenrelief des 8. Jh.s v. Chr. aus dem türkischen → Sendschirli
In persischer Zeit (539-330 v. Chr.) scheinen vor allem Spiegel mit sog. Fächergriffen beliebt zu sein. Ein Vorläufer dieses Typus stellt möglicherweise der fragmentierte Fund eines Spiegels mit vergleichbarem Griff aus dem syrischen Til Barsip dar.
Mit der zunehmenden Hellenisierung seit dem Feldzug Alexander des Großen im ausgehenden 4. Jh. v. Chr. steigert sich die Feingliedrigkeit der Spiegel. Die Sockel- und Reliefgestaltung wird detaillierter. Neben Handspiegeln finden sich auch Stand- und Klappspiegel, die im griechischen Raum schon seit der klassischen Epoche (500-336 v.Chr.) zu fassen sind. Von diesen wird auch die zuweilen mit figürlichen Szenen eingeritzte oder reliefierte Rückseite übernommen. Das Motivrepertoire umfasst nun mythologische, kultische und vereinzelt sogar gewisse alltägliche Szenen wie solche der Jagd oder des Badens, gleichwohl stehen auch diese, ähnlich wie die hellenistische Funerärmotivik, in einen größeren rituellen Gesamtkontext.
In römischer Zeit nahm die Spiegelproduktion und Spiegelverarbeitung weiter zu. Silber- und Glasspiegel entstehen. Wie das verwendete Material, so werden auch die dargestellten Motive und der Dekor vielgestaltiger. Mythologische, kultische, alltägliche Szenen werden wiedergegeben, aber auch solche des Agon (Wettkampf), mit Gladiatoren oder der Erotik.
4. Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung
4.1. Kult
Er kann negativ ein Zeichen von Eitelkeit bieten, aber auch positiv für Selbsterkenntnis, Klugheit und Wahrheit stehen. Es nimmt daher nicht Wunder, dass Spiegel in Listen und Darstellungen als Opfer an die Götter sowohl in Mesopotamien als auch in Ägypten genannt bzw. dargestellt werden.
Metaphorisch kann der Spiegel als Abbild der Seele des Betrachters gelten. Im Mittelägyptischen wird er mit folgenden Worten bezeichnet: ‘nḫ „Leben“, jtn „Sonnenscheibe / Sonne“, wn.t ḥr „der das Gesicht offenbart“ und m3w-ḥr „Neu-Gesicht“. In Ägypten wurde die runde Form der Spiegelplatte scheinbar mit der Sonne bzw. Sonnenscheibe assoziiert.
Spiegel waren wertvolle Geschenke und Handelsobjekte. Sie wurden vor allem mit Frauen assoziiert. So nennen ägyptische Textzeugnisse eine Frau, die einen Spiegel trägt, entweder ḥ
Im neuhethitischen Reich (→ Hethiter
Stelen aus Marasch, die eine Frau mit einem Spiegel zusammen mit ihrer Familie zeigen, werden hingegen als Grabstelen interpretiert. Einen nichtkultischen Bezug haben auch die neuassyrischen Reliefs, die eine einen Spiegel haltende Frau zeigen. Aufgrund der Inschrift ist diese jedoch eindeutig als die Königinmutter Naqī’a-Zakūtu (ca. 730-668 v. Chr.) zu identifizieren. Die Darstellung des Spiegels scheint hier Weiblichkeit und Weisheit, aber auch aufgrund des wertvollen Materials Macht zu symbolisieren.
In neubabylonischen Texten (ca. 626/612-539 v. Chr.) werden Spiegel als Votivgaben im Kult genannt. Möglicherweise stehen auch die Darstellungen nackter Frauen auf den Griffen in diesem Zusammenhang. Die Abbildungen konnten entweder in den Griff eingraviert sein oder dieser war selbst in Gestalt einer Frau gearbeitet. Besonders im iranischen Luristan lässt sich diese Motivik in mehreren Gattungen belegen. Allgemein wird in der Forschung die Motivik der nackten Frau als Muttergottheit interpretiert.
Möglicherweise wurde mithilfe von Spiegeln durch Reflektion das Licht von → Lampen
4.2. Schifffahrt
Im Schiffswrack von Mahdia, das in das 1. Jh. v. Chr. datiert wird, werden Fragmente von Spiegeleinfassungen mit etwa 57 cm Durchmesser als Bronzespiegel interpretiert, die für Lichtsignale verwendet wurden.
Für den legendären Leuchtturm von Alexandria nimmt man an, dass das Licht der Sonne oder eines Feuers mit Spiegeln reflektiert wurde, um den Schiffen den Weg zu weisen. Archäologisch kann dies bisher allerdings nicht bestätigt werden. Alexandria spielte als eines der geistig-philosophischen und wissenschaftlichen Zentren in der hellenistischen Welt jedoch eine bedeutende Rolle, sodass eine solche Technologie nicht auszuschließen ist.
4.3. Kriegswesen
Im Zuge der Belagerung von Syrakus durch das römische Heer im Jahr 214-212 v. Chr. soll Archimedes von Syrakus (um 287-212 v. Chr.) die Schiffe der Römer über eine größere Entfernung mit Hilfe von Spiegeln in Brand gesteckt haben. Inwiefern dies tatsächlich möglich war, wird kontrovers diskutiert.
Literaturverzeichnis
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-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International ; Zugriff 20.1.2021
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