Spott / Spötter
(erstellt: Oktober 2019)
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1. Begriffe
„Spott“ kann allgemein definiert werden als eine sprachliche Äußerung oder Verhaltensweise, mit der sich jemand über einen anderen oder dessen Verhalten lustig macht und ihn somit entehrt. Der entsprechende Gegenbegriff ist folglich „Ehrung“ (→ Ehre / Herrlichkeit
1.1. לעג l‘g / לעב l‘b. An erster Stelle ist das Verb לעג l‘g „verspotten“ (Qal und Hif.; 2Kön 19,21
Die → Septuaginta
1.2. תעע t‘‘ / תעתע t‘t‘. Zu nennen ist das Nomen תַּעְתֻּעִים ta‘tu’îm „Gespött“, das in Jer 10,15
1.3. ליץ ljṣ. Innerhalb der weisheitlichen Literatur des Alten Testaments (→ Weisheit
Die Verlegenheit in der Bestimmung der exakten Bedeutung des Lexems zeigt sich bereits auf der Ebene der LXX, die für jeden Beleg des Verbs eine andere Übersetzung bietet und dabei keine direkte Verbindung zur menschlichen Rede erkennen lässt (schon Joüon, 440-443). Erst in jüngeren griechischen, syrischen und aramäischen Übersetzungen begegnet vereinzelt die Bedeutung „spotten“, die sich schließlich mit der lateinischen Übersetzung vollends durchsetzt (inludere, deludere, deridere).Ausgehend von den Übersetzungen der LXX (besonders bei Sirach) und Spr 21,24
1.4. התל htl. Die Wurzel התל htl ist eine Variante der Wurzel תלל tll mit unterschiedlicher Bedeutungsnuance. Während תלל tll „täuschen / hintergehen“ bezeichnet, bedeutet התל htl im Piel „verspotten“ (1Kön 18,27
1.5. קלס qls. Auch das Verb קלס qls gehört mit seiner Bedeutung im Piel „verschmähen / verhöhnen“ (Sir 11,4A), vor allem aber im Hitpael „sich lustig machen / verspotten“ (Ez 22,5
1.6. חרף ḥrp. Das Nomen חֶרְפָּה ḥærpāh geht zurück auf das Verb חרף ḥrp II, das eigentlich „schmähen“, d.h. die willentliche Herabsetzung eines anderen, meint. Dabei wird zumeist das Unvermögen des anderen angesichts der eigenen Stärke betont. So schmäht der assyrische König Sanherib JHWH, indem er ihm die Macht zur Errettung Jerusalems abspricht und zugleich auf das Versagen der Gottheiten verweist, deren Völker die Assyrer bereits unterworfen haben (2Kön 19,4.16.22.23
1.7. Weitere Begriffe. Zum Wortfeld „Spott“ treten weitere Begriffe hinzu, deren Grundbedeutung nicht unmittelbar dem semantischen Feld angehört, die aber in bestimmten Fällen, insbesondere aufgrund des Kontextes und der Parallelstellung mit anderen Begriffen, dem Wortfeld zuzurechnen sind.
An erster Stelle sind die synonymen hebräischen Lexeme שׂחק śḥq / צחק ṣḥq zu nennen. Die Grundbedeutung der entsprechenden Verbalformen ist allgemein „lachen“. Wird die Verbalform allerdings mit den Präpositionen לְ lə oder עַל ‘al konstruiert oder stehen שׂחק śḥq / צחק ṣḥq parallel zu einem anderen Wort aus dem semantischen Feld „Spott“, kann das Verb auch ein Moment der Überheblichkeit einschließen und die Bedeutung „ver-lachen“ annehmen (so in Bezug auf Tiere Hi 39,7.18.22
Das Verb ענג ‘ng meint im Hitp. allgemein-positiv „sich freuen an etwas oder jemandem“, kann aber in Jes 57,4a
Das Nomen שְׁנִינָה šənînāh, ein Derivat des Verbs שׁנן šnn „schärfen“, begegnet ausschließlich neben מָשָׁל māšāl und wird so in seiner Bedeutung als „scharfer Spott“ konkretisiert (Dtn 28,37
Das Nomen מָשָׁל māšāl selbst trägt die Grundbedeutung „Spruch“ und leitet sich von dem Verb משׁל mšl I ab, dessen ursprüngliche Bedeutung im Qal wohl „gleich sein“ gewesen ist, innerhalb des Alten Testaments aber schon weitgehend von dem Nomen מָשָׁל māšāl beeinflusst und verdrängt wurde („einen Spruch machen“). Außer an den bereits genannten Belegen begegnet מָשָׁל māšāl neben שְׁנִינָה šənînāh „scharfer Spott“ im Sinne von „Spottspruch / Gespött“ noch in Ps 44,15
Obwohl bei der Mehrzahl der Belege eine apotropäische Funktion im Vordergrund steht, können auch das Verb שׁרק šrq „pfeifen“ und das entsprechende Nomen שְׁרֵקָה šəreqāh „Pfeifen / Gezisch“ mit Spott assoziiert werden (Hi 27,23
Auch das Nomen נְגִינָה nəgînāh, das aus dem musikalischen Bereich stammt und grundsätzlich „Saitenspiel / Saiteninstrument / Saitenbegleitung“ meint, kann in Ps 69,13
1.8. Nonverbales Spotten. Schließlich kann der Spott sich auch in einer Verhaltensweise des Spötters ausdrücken und damit nonverbal erfolgen. Die Spottgebärden im Alten Testament werden dabei durchweg mit dem → Kopf
2. Spotten von Menschen
2.1. Menschen als Subjekte des Spotts
Bis auf wenige Ausnahmen (s. 3.1.) sind durchweg Menschen Subjekte des Spotts. In der großen Mehrzahl der Belege handelt es sich um menschliche Feinde, sei es von Einzelnen (Psalmist / Prophet) oder von einem Kollektiv (Israel / Juda / Jerusalem). Die didaktisch-weisheitlichen Schriften warnen den Einzelnen davor, etwa den → Armen
Aber auch Juda kann als Kollektiv Subjekt des Spotts sein. So deutet 2Chr 36,16
2.2. Menschen als Objekte des Spotts
Insbesondere in den → Psalmen
Dass Israel als Strafe JHWHs zum Spott der Völker wird, ist auch außerhalb des Psalters ein verbreitetes Motiv (Dtn 28,37
3. Spotten von Gott
3.1. Gott als Objekt des Spotts
Gott als Objekt des Spotts begegnet ausschließlich mit dem Verb חרף ḥrp II (s. 1.6. und 1Sam 17,45
Auch das Spotten über die Propheten und Boten JHWHs oder dessen Volk (1Sam 17,10.25f.36.45
3.2. Gott als Subjekt des Spotts
Gott als Subjekt des Spotts begegnet vergleichsweise selten. In Ps 2,4
Hiob hingegen wirft Gott einen tyrannisch-sadistischen Spott über die Verzweiflung der Unschuldigen angesichts des plötzlichen Todes durch eine Geißel vor (Hi 9,23
4. Der Spötter als Menschentyp
Der „Spötter“ (לֵץ leṣ) begegnet als Menschentyp gehäuft im → Sprüchebuch
In der späteren Weisheit bekommt der לֵץ leṣ eine stärker theologisch geprägte Bedeutung. Spr 3,34
Das traditionelle weisheitliche Motiv ist in den → Qumran-Handschriften
5. Spott auf textpragmatischer Ebene
Abseits konkreter Termini kann sich Spott innerhalb des Alten Testaments auch auf einer übergeordneten Ebene bewegen und die intendierte Wirkung bei der Leserschaft sein.
Zu denken ist etwa an die → Turmbauerzählung
Auch die Ätiologie der Völker → Ammon
Ein humoristisch-spottendes Moment trägt der drastische Wechsel in der mentalen wie physischen Verfassung des zuvor ausschweifenden Königs → Belsazar
→ Humor
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Theologisches Wörterbuch zu den Qumrantexten, Stuttgart u.a. 2011ff
2. Weitere Literatur
- Aitken, J.K., 2007, The Semantics of Blessing and Cursing in Ancient Hebrew (ANESSup 27), Louvain
- Becker, J., 2003, Zur Deutung von Jes 57,4a, BN 118,13-18
- Brenner, A., 1990, On the Semantic Field of Humor, Laughter and the Comic in the Old Testament, in: Y.T. Radday / A. Brenner (Hgg.), On Humour and the Comic in the Hebrew Bible (JSOTS 92), Sheffield, 39-58
- Buhl, F., 1914, Die Bedeutung des Stammes לוץ oder ליץ im Hebräischen, in: K. Marti (Hg.), Studien zur semitischen Philologie und Religionsgeschichte (FS J. Wellhausen; BZAW 27), Gießen, 79-86
- Janowski, B, 2019, Anthropologie des Alten Testaments. Grundfragen – Kontexte – Themenfelder, Tübingen
- Joüon, P., 1912, Notes de lexicographie hébraïque, MUSJ 5, 415-446
- Macintosh, A.A., 2011, Light on ליץ, in: J.K. Aitken u.a. (Hgg.), On Stone and Scroll (BZAW 420), Berlin, 479-492
- Preuss, H.D., 1971, Verspottung fremder Religionen im Alten Testament (BWANT 92), Stuttgart u.a.
- Schipper, B.U., 2018, Sprüche (Proverbia) 1-15 (BKAT XVII/1), Göttingen u.a.
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