(erstellt: Dezember 2009)
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1. Grundstoff des festen Landes
Staub (hebräisch עָפָר ‘āfār und אֵפֶר ’efær; nur in Num 19,9f
Besonders häufig bezeichnet עָפָר ‘āfār („Staub“) das fruchtbare Erdreich, den Boden, die Ackerkrume, aus der die Pflanzen emporwachsen. Hier gibt es Bedeutungsüberschneidungen mit אֲדָמָה ’ǎdāmāh „Ackerboden“ oder אֶרֶץ ’æræṣ „Land / Erde“.
Entsprechend steht עָפָר ‘āfār zuweilen parallel zu אֲדָמָה ’ǎdāmāh oder אֶרֶץ ’æræṣ (so in Hi 5,6
Wie die Pflanzen, so entspringt auch der Mensch dem Staub, wird aus dem „Staub vom Ackerboden“ geschaffen (Gen 2,7
2. Arbeitsmaterial (im weitesten Sinne)
Die Grundsubstanz Staub dient dem Menschen nicht allein zum Ackerbau, sondern wird auch anderweitig verwendet:
So verstopfen die Philister Isaaks Brunnen mit Staub resp. loser Erde (Gen 26,15
Daneben wird Staub als Baumaterial beim Hausbau erwähnt, insbesondere als Mörtel oder Putz (Lev 14,41-45
Auch in kultischen Zusammenhängen spielt der Staub eine Rolle, wie etwa beim Eifersuchtsopfer in Num 5,17
3. Menge und Wertlosigkeit
Staub gibt es unermesslich viel. Seine Menge lässt sich nicht erfassen (Jes 40,12
Abrahams bzw. Jakobs Nachkommen werden nach Gottes Verheißung so zahlreich „wie Staub“ (Gen 13,16
Weniger segensreich dagegen ist es, wenn „der ganze Staub der Erde“ zu Mücken in Ägypten wird (Ex 8,12f
Die letzten zwei Textstellen verweisen mit dem Kontrastpaar Silber – Staub bereits auf einen weiteren Aspekt: Nur Seltenes ist in der Regel kostbar; das Allgegenwärtige hingegen ist von geringem Wert. Somit steht Staub auch für Wertlosigkeit (עָפָר ‘āfār in Zef 1,17
4. Erniedrigung und Selbstminderung
Was man in den Staub wirft, erachtet man gleichermaßen für wertlos, sei es Gold (Hi 22,24
Wer Staub isst bzw. „leckt“, muss dies als Zeichen seiner Unterwerfung und Niedrigkeit tun – so die Feinde des Königs in Ps 72,9
Wer nicht stark genug ist, seinen Gegner in den Staub zu werfen oder ihn Staub essen zu lassen, bewirft ihn zur Demütigung damit, so geschieht es David in 2Sam 16,13
In denselben Zusammenhang gehört Staub als Bestandteil der Selbstminderungsriten zum Zeichen von Niedrigkeit, Trauer, Beschämung oder Buße. Wer sich in diesem Sinne selbst erniedrigen will, wirft sich in den Staub, sitzt (Jon 3,6
Solcherlei Hinwendung zum Staub kann auch angedeutet werden, indem man sein Haupt (vgl. Hi 16,15
Im Zusammenhang von Trauer, Buße, Niedrigkeit und Wertlosigkeit werden zwar sowohl עָפָר ‘āfār als auch אֵפֶר ’efær gebraucht, aber אֵפֶר ’efær scheint beinahe ausschließlich diese negative Konnotation zu besitzen, denn es wird im Unterschied zu עָפָר ‘āfār nicht gebraucht, wenn es beispielsweise um fruchtbaren Ackerboden oder Baumaterial geht. Das Wort begegnet im übrigen vorzugsweise in jüngeren Texten der Prophetenbücher und der Schriften (→ Kanon
Das Dasein „im Staub“ als Inbegriff der Niedrigkeit ist jedoch nicht gänzlich hoffnungslos: Gott kann den im Staub Liegenden erquicken (Ps 119,25
5. Staub als Produkt der Zerstörung und des Todes
Soll etwas vernichtet werden, als hätte es nie existiert, wird es „zu Staub zerschlagen“: Dabei wird in vielen Fällen der Gegenstand zuvor verbrannt, dann werden die Überreste zerschlagen und ggf. verstreut. Solches geschieht beispielsweise mit dem → Goldenen Kalb
Auch ganze Städte können „zu Staub“ resp. „dem Erdboden gleich“ gemacht werden. Entsprechend bezeichnet עָפָר ‘āfār in 1Kön 20,10
6. Staub und Unterwelt
Wie das Leben aus Staub entstanden ist, so mündet es auch wieder in den Staub. „Staub“ dient häufig als Umschreibung für den → Tod
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
- New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007 (Art. Trauerbräuche)
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Kutsch, E., „Trauerbräuche“ und „Selbstminderungsriten“ im Alten Testament, ThST 78 (1965), 23-42; auch in: ders., Kleine Schriften zum Alten Testament (BZAW 168), Berlin / New York 1986, 78-95
- Tromp, N.J., Primitive Conceptions of Death and the Nether World in the Old Testament (BibOr 21), Rom 1969, bes. 85-91
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