Sühne (AT)
(erstellt: Februar 2007)
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1. Terminologische Vorüberlegungen zum Begriff „Sühne“
Die Begriffe „Sühne, sühnen“ begegnen im Alten Testament vor allem, aber nicht nur in kultischen Kontexten, wo ihnen zentrale Bedeutung zukommt. Das mit diesen Begriffen Bezeichnete ist jedoch ein mehrgestaltiges Phänomen, das schon terminologisch nicht leicht zu fassen ist und heute kontrovers sowie unter verschiedenen Prämissen diskutiert wird. Üblich geworden ist in der alttestamentlichen Forschung, vor allem das Ziel verschiedener kultischer Rituale mit „sühnen“ zu bezeichnen. Der Begriff ist dann Äquivalent des hebräischen כִּפֶּר kippær. Dem widerspricht allerdings die Tatsache, dass das deutsche „sühnen“ etymologisch kein kultischer, sondern ein juridischer Terminus ist (Janowski, 3; Schröter, 61). Die Probleme der genauen Erfassung des mit der Wurzel כפר kpr Bezeichneten sind evident, wenn zur Übersetzung in der → Septuaginta
In diesem Artikel werden zum Thema Sühne gemäß der Tradition der alttestamentlichen Forschung die auf die Wurzel כפר kpr zurückgehenden Begriffe und davon abgeleitete Konzepte eruiert.
2. Sühne im Opferkult des Alten Testaments
Das Verbum כפר kpr kommt im Alten Testament 101-mal vor, wovon 70 Belege auf die Priesterschrift entfallen (Maass, THAT 1, 844); dazu kommen die Substantive kippurîm „Sühnung / Sühnungen“, kofær „Ersatzleistung / Lösegeld“ und kapporæt „Sühnebedeckung“. Sühne ist demnach hauptsächlich ein interpretierender Begriff für das, was am Heiligtum erwirkt wird, also an dem Ort, an dem verschiedenen alttestamentlichen Vorstellungen zufolge entweder Transzendenz und Immanenz verbunden sind oder Gott auf Erden residiert. Beide Vorstellungen implizieren gleichermaßen, dass Sühnerituale auf die Ermöglichung einer Begegnung zwischen Gott und Mensch hinzielen. Im alttestamentlichen Opferkult ist Sühne kein deskriptiver Begriff, der konkrete Ritualhandlungen beschreibt, sondern eine Interpretationskategorie (wie auch „Wohlgefallen“ und „Wohlgeruch“) mit umfassender Bedeutung (von Gilders, 2004, 137 daher auch „hypernym“ genannt).
Sühne im Rahmen des alttestamentlichen Kultes ist allgemein nicht verfügbar für Israeliten, die vorsätzlich Gottes Gebote übertreten (Num 15,30-31
2.1. Sühne durch Blutapplikationsriten
Im Alten Testament werden verschiedene Blutriten beschrieben, deren Resultat als „sühnen“ bezeichnet wird. Die wichtigsten dieser Blutriten werden hier skizziert; anschließend ist nach Möglichkeiten der Deutung zu fragen.
In der Priesterschrift (nachexilisch) liegt eine weitgehend einheitliche Konzeption von sühnenden Ritualen vor, in denen Blutriten in komplementärer Weise mit Eliminationsriten verbunden werden (Lev 16; → Asasel
2.1.1. Beschreibung von Blutapplikationsriten
Das → Blut
Übersetzung und Bedeutung des Begriffs kapporæt lassen sich von seiner technischen Funktion gemäß der Darstellung in Ex 25,17-22
2.1.2. Deutung von Blutapplikationsriten
Zur Deutung von Blutapplikationsriten ist in der alttestamentlichen Forschung häufig auf Lev 17,11
2.2. Sühne durch die Darbringung von Opfern
Sühne wird in kultischen Texten des Alten Testaments allerdings nicht ausschließlich durch Blutriten bewirkt. Blutapplikationsriten sind nach den Opferritualgesetzen in Lev 1-7 nur beim Sündopfer belegt, während eine als Sühne bezeichnete Wirkung auch durch andere Opferarten möglich ist. Wenn also das Brandopfer sühnende Wirkung hat (Lev 1,4
Damit stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Verbrennungsritus im kultischen Rahmen, der sich als Übergabe des Opfers an Gott verstehen lässt. In den Opferritualgesetzen in Lev 1-7 werden zwar fünf unterschiedliche Opferarten beschrieben, doch werden alle (einschließlich Sünd- und Schuldopfer) unter dem Oberbegriff „Gabe für JHWH“ (→ Qorban
3. Sühne in anderen Kontexten des Alten Testaments
Die im Vorhergehenden als Reinigung durch Blutapplikation sowie Übergabe von Opfern bestimmten Parameter alttestamentlicher Sühne liegen weitgehend auch in anderen, nichtkultischen Kontexten vor. Können allgemein gehorsame Lebensführung sowie Toraobservanz mit kultischen Metaphern umschrieben werden (Ps 50,14
Da die Opferdarbringung sühnende Wirkung hat und die zu opfernden Herdentiere in einer nomadischen Gesellschaft ihrerseits zum Besitzstand gehören (zum Erwerb von Opfertieren am Heiligtum siehe 2Kön 12,17
In anderen Fällen dominiert dagegen der Aspekt der Beseitigung von Sünde und Unreinheit. Nach Num 25,13
Schließlich ist auch der Aspekt der Besänftigung von Gottes Zorn durch Gaben in profane Kontexte übertragen worden. Jakob hofft, seinen Bruder Esau durch Geschenke prophylaktisch zu „versühnen“ (Gen 32,21
4. Sühnekonzepte im forschungsgeschichtlichen Überblick
Das Alte Testament präsentiert nirgends eine explizite Sühnetheorie oder Sühnetheologie, und erklärende Wendungen wie Lev 17,11
In der christlichen Exegese der vergangenen Jahrhunderte wurde der Opferkult des Alten Testaments lange Zeit wenig beachtet (eine Ausnahme war die „kultgeschichtliche Schule“), so dass Sühne zunächst eine vernachlässigte Kategorie blieb. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts erfuhr dieser Bereich mehr Aufmerksamkeit (Rendtorff). Bald wurden die in der Forschung entworfenen Sühnekonzepte durch die Interpretation des Sündopferrituals (Lev 4,1-5,13
(Zu forschungsgeschichtlichen Überblicken siehe Marx, 1977; Eberhart, 2002, 187-199; 230-251).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, München / Zürich 1978-1979
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
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2. Weitere Literatur
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- Yerkes, R.K., 1952, Sacrifice in Greek and Roman Religions and Early Judaism, New York
Abbildungsverzeichnis
- Die Bundeslade mit der goldenen „Sühnebedeckung“. Aus: H. Gressmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Abb. 513
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