Sündenbock / Asasel
(erstellt: Juli 2007)
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1. Begriff
1.1. Sündenbock
Das Wort „Sündenbock“ bezieht sich auf das in Lev 16 beschriebene → Ritual
1.2. Asasel
Der Begriff עזאזל ‘ăzā’zel kommt in der Hebräischen Bibel lediglich viermal innerhalb von drei Versen – Lev 16,8
a) Im Talmud-Traktat Joma 39a.67b (Text Talmud 2
b) Janowski / Wilhelm (1993, 147f; vgl. schon Jirku, 1912, 34; Tawil, 1980, 43-59) verbinden die Wurzel ‘zz mit akk. ezēzu „zornig sein / werden“. לעזאזל la‘ăzā’zel bedeutet dann „für (die Elimination von) göttlichem Zorn“.
Dagegen erklären Dietrich / Loretz (1993, 99-117) den Asaselnamen vom Ugaritischen her. Er besteht aus den Elementen ‘zz „stark sein“ und ’l „Gott“ und bedeutet dann „Gott ist stark“. Sowohl Janowski / Wilhelm als auch Dietrich / Loretz gehen davon aus, dass im Hebräischen eine Konsonantenmetathese stattgefunden hat, d.h. die Konsonanten folgendermaßen vertauscht wurden: Aus ‘zz’l wurde Hebräisch ‘z’zl.
Um keine Konsonantenmetathese annehmen zu müssen, leitet Görg (1995, 25-31) den Asaselnamen aus der ägyptischen Seth-Vorstellung ab und sieht in ihm eine Kombination von ägypt. ‘d3 und dr / l als Nomen und Part. Pass. („der beseitigte bzw. ferngehaltene Schuldige“).
Pfeiffer (2001, 313-236) nimmt schließlich die Übersetzung der Vg auf. Auch er vermeidet die Annahme einer Konsonantenmetathese und verbindet die Interpretation der Vulgata, die den Begriff עזאזל ‘ăzā’zel als Namen versteht, der einen Verbalsatz aus den hebräischen Elementen עז ‘ez „Ziege“ und אזל ’zl „gehen / weggehen“ darstellt (vgl. franz. bouc emissaire, engl. scapegoat), mit dem Vorschlag von Janowski / Wilhelm, die Bezeichnung aus einem Ritualkontext herzuleiten. Er übersetzt den Namen im Sinne einer Ritualüberschrift „für (das Ritual:) Ziegenbock, der weggeht“.
Alle vier Lösungsansätze haben allerdings ihre eigenen Probleme, so dass keiner letztendlich überzeugen kann. Eine befriedigende Erklärung der Herkunft des Lexems עזאזל ‘ăzā’zel steht noch aus.
Daneben ist die Übersetzung der Partikel ל lə vor dem Wort עזאזל ‘ăzā’zel in Verbindung mit dem Verb שׁלח šlḥ „schicken“ umstritten. Soll sie mit „zu“ im Sinne einer Richtungsangabe übersetzt werden oder zwingt die Parallelität von ליהוה lāJHWH und לעזאזל la‘ăzā’zel in Lev 16,8
2. Lev 16
Das Asasel-Ritual von Lev 16,5
2.1. Der Asaselritus
In der Fassung des Endtextes gehört Lev 16,5
1) Eliminationsritus (Lev 16,20b-22): Der älteste Ritualteil (Lev 16,20b-22
2) Losritual (Lev 16,5.7-10): Zwei Böcke werden für das ḥaṭṭā’t-Opfer (→ Opfer
Mit Lev 16,10b
3) Reinigungsritual (Lev 16,26): Den Abschluss des Rituals bildet die Reinigung derjenigen, die mit den Reinigungsmedien in Kontakt gekommen sind. Nach Lev 16,26
Der Reinigungsritus verbindet in Lev 16,26
2.2. Asaselbock und JHWH-Bock
Die beiden Böcke in Lev 16 stehen für zwei einander entgegengesetzte Konzepte: Während der Bock „für JHWH“ (zur Reinigung der Kulträume und des Altars) Reinheit und Heiligkeit repräsentiert, verkörpert der lebendige Bock „für Asasel“ (zur Elimination der Sünden) Unreinheit. Die Zuweisung „in Bezug auf Asasel“ bestimmt Asasel in einem weiteren Sinne als einen Vertreter einer Antiwelt. Asasel verkörpert das, was JHWH nicht ist, nämlich Unreinheit und den Ort, der vom Kultus abgeschnitten ist, d.h. also die gegengöttliche, gegenkultische Welt. JHWH hingegen wird im Gegenüber zu Asasel mit positiven Aspekten aufgeladen: Er ist der Gott des Kultes, der Reinheit, dem die Opfer gelten, der im heiligen Bezirk verehrt wird. Damit erhält Asasel in erster Linie seine Funktion aus der Gegenüberstellung zu JHWH im Losritus (Lev 16,5
3. Ikonographie
Auf einem geritzten Elfenbeintäfelchen aus Megiddo ist dargestellt, wie ein Wesen, das aus Menschenkopf, Felidenleib und Flügeln besteht, einen Widder besiegt (Abb. 2 im Art. → Jom-Kippur
4. Wirkungsgeschichte
Obwohl sie im biblischen Text blass bleibt, weist die Gestalt des Asasel eine reiche Wirkungsgeschichte auf, sowohl in → Qumran
In der rabbinischen Tradition kommen Asasel ebenfalls vielseitige Aufgaben zu: Nach dem Mischna-Traktat Joma 67b lehrt die Schule Rabbi Jischmaels, dass Asasel die Sühne für Usa und Asel entgegennimmt. Raschi zählt Asasel (mit Usa) wie 1Hen 6,7 zu denjenigen, die in Gen 6 den Abfall begangen haben, für den Asasel zu sühnen hat. Pirqe deRabbi Eliezer (46) identifiziert Asasel mit Satan oder Samiel. Semyaza und Asasel wird ein eigener Midrasch gewidmet (Milik, 1976). Nach Jalqut Schimoni (I, 155) verführt Asasel die Menschenkinder zur Sünde, weshalb am Jom Kippur die Sünden an ihn zurückgeschickt werden. Ibn Esra und Maimonides sehen in ihm einen Dämon, dem der Sündenbock geschickt wird, Ibn Esra betont allerdings, dass es sich hierbei nicht um ein Opfer handelt, da der Bock nicht geschlachtet wird. Er bezeichnet Asasel als den „König der Bocksdämonen“ (Wiener, 1927, 488).
Der Barnabasbrief sieht in den beiden Böcken zwei Typen Christi (7,10): „Der erste Bock ist für den Altar, der zweite zum Fluch“ (vgl. Gal 3,13
Im Islam ist azazīl ein anderer Name für den → Satan
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Biblisches Wörterbuch (aktualisierte und erw. Neuausgabe), Freiburg i.B. 1994
- Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Encyclopedia of the Early Church, Cambridge 1992
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
- Dictionary of Judaism in the Biblical Period. 450 B.C.E. to 600 C.E., New York 1996
- Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999
- Jüdisches Lexikon, Berlin 1927-1930
2. Weitere Literatur
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- Duhm, Hans, 1904, Die bösen Geister im Alten Testament, Tübingen / Leipzig
- Eißfeldt, Otto, 1966, Zur Deutung von Motiven auf den 1937 gefundenen Elfenbeinarbeiten von Megiddo (1950), in: ders., Kleine Schriften III, Tübingen, 85-93
- Elliger, Karl, 1966, Leviticus (HAT 1/4), Tübingen
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- Gennep, Arnold van, 1908, Übergangsriten (Les Rites de Passage), Frankfurt / New York (Studienausgabe 1999)
- Görg, Manfred, 1995, „Asaselologen“ unter sich – eine neue Runde?, BN 80, 25-31
- Janowski, Bernd, 1990, Asasel – Biblisches Gegenstück zum ägyptischen Seth? Zur Religionsgeschichte von Lev 16,10,21f., in: Blum, Erhard / Macholz, Christian / Stegemann, Ekkehard W. (Hgg.), Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte (FS Rolf Rendtorff), Neukirchen-Vluyn, 97-110
- Janowski, Bernd, 1993, Asasel und der Sündenbock. Zur Religionsgeschichte von Lev 16,10,21f., in: ders. (Hg.), Gottes Gegenwart in Israel. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn 1993, 285-302
- Janowski, Bernd, 2000 (2. Aufl.), Sühne als Heilsgeschehen. Traditions- und religionsgeschichtliche Studien zur Sühnetheologie der Priesterschrift, Neukirchen-Vluyn
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- Wiener, Max, 1927 (Nachdr. 1982), Art. Azazel, JL 1, 488
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