Syrisch-ephraimitischer Krieg
(erstellt: Januar 2007)
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Die Belagerung Jerusalems durch die syrisch-ephraimitische Koalition musste jedoch aufgegeben werden, da der assyrische König → Tiglat-Pileser III.
1. Die Bezeichnung „syrisch-ephraimitischer Krieg“
Der Begriff „syrisch-ephraimitischer Krieg bzw. Bruderkrieg“ ist irreführend. Üblicherweise wird ein Krieg durch seine Dauer, seine Ausbreitung oder durch die sich im Krieg gegenüberstehenden Gruppen bzw. Länder benannt. Letzteres wäre auch beim Begriff syrisch-ephraimitischer Krieg zu erwarten. Es handelt sich jedoch nicht um einen Krieg zwischen den beiden genannten Gebieten / Ländern. Vielmehr bezieht sich die Nennung der beiden Gebiete Syrien (mit den Königreichen der → Aramäer
2. Die Quellen
Im Alten Testament wird in drei Büchern auf den syrisch-ephraimitischen Krieg Bezug genommen (2Kön 15,37
2.1. Die Königsbücher
Nach der Überlieferung der → Königsbücher
2.2. Das Jesajabuch
Die Jesaja-Denkschrift. Die Ereignisse des syrisch-ephraimitischen Krieges spielen beim Propheten → Jesaja
Jes 7,1
Nach Jes 7,10
Gerichtswort gegen Damaskus und Samaria. Jes 17,1-11
Jes 10,27b-33. Nach Donner (1995, 337) bezieht sich auch Jes 10,27b-33
2.3. Das Hoseabuch
Auch Hos 5,8-6,6
2.4. Die Annalen Tiglat-Pilesers III.
Der rekonstruierbare Textbestand der Annalen → Tiglat-Pilesers III.
Anderes berichten die Zeilen 227-230; Zeile 236. In Zeile 227-230 wird von einem Feldzug Tiglat-Pilesers III. berichtet, bei dem er viele Städte okkupierte, Samaria jedoch verschont blieb (Zeile 228). Zeile 236 berichtet dann vom Tod Rezins von Damaskus und der Eroberung der Stadt durch Tiglat-Pileser III.
2.5. Die Inschriften ND 4301 und 4305
Die Inschriften ND 4301 und 4305 (TUAT I/4, 376-378) berichten vom Feldzug Tiglat-Pilesers III. gegen die Koalitionspartner im Jahre 732 v. Chr. In Zeile 3f. wird die Annexion des damaszenischen Territoriums und großer Teile des israelitischen Territoriums beschrieben (die Ortsangaben sind nicht mehr vollständig lesbar), in Zeile 9 die → Exilierung
2.6. Die Inschrift III R 10, Nr. 2
Auch die Inschrift III R 10, Nr. 2 (= kleine Inschrift Nr. 1; TUAT I/4, 373f.) stellt die Annexion von israelitischem Gebiet und die Eingliederung von Damaskus in das assyrische Staatsterritorium dar (Zeile 6f.). Im Unterschied zu den Inschriften ND 4301 und 4305 berichtet Tiglat-Pileser III. allerdings nicht davon, dass er den Herrscher in Samaria entmachtete und Hosea als seinen Nachfolger inthronisierte, sondern davon, dass die samarische Bevölkerung Pekach tötete und Hosea als neuen König wählte (Zeile 17f.). Mit dem Sturz Pekachs erneuerte Samaria seine Stellung als tributpflichtiger Vasall, was die erwähnten jährlichen Zahlungen in Höhe von 10 Talenten Gold und 1000 Talenten Silber zeigen (Zeile 18).
3. Die Rekonstruktion des historischen Verlaufs
Der Verlauf des syrisch-ephraimitischen Kriegs kann aufgrund der guten Quellenlage relativ sicher rekonstruiert werden. Er lässt sich – nach der Vorgeschichte – in drei Phasen einteilen: 1. die Sammlung der Koalition, 2. der Angriff auf Jerusalem und 3. der 3. Syrienfeldzug Tiglat-Pilesers III.
3.1. Die Vorgeschichte
Der syrisch-ephraimitische Krieg steht historisch im Kontext der Koalitionen, die sich mit jeder Ausbreitung des neuassyrischen Reiches bildeten, um mit militärischen Mitteln zu versuchen, der Expansion der neuassyrischen Großkönige Einhalt zu gebieten. Nachdem im Jahr 853 v. Chr. eine erste Expansionswelle des neuassyrischen Reiches unter → Salmanassar III.
738 v. Chr. erfolgte ein Angriff auf Mittelsyrien, bei dem große Teile des Aramäerstaates von → Hamat
3.2. Die Sammlung der Koalition
Die Sammlung der Koalition erfolgte in mehreren Schritten. Nach Jes 7,2
Nachdem Ahas von Juda sich weigerte, der sich gründenden Koalition beizutreten, versuchten Rezin von Damaskus und Pekach von Israel in Juda einen ähnlichen Staatsstreich durchzuführen und eine Person Namens Sohn Tabeals auf den Thron in Jerusalem zu setzen.
Exkurs: Der Sohn Tabeals
Die Herkunft des Sohnes Tabeals (בן טבאל) ist umstritten. Der Vorschlag, ihn mit dem auf einer Stele Tiglat-Pilesers III. erwähnten Tubail von Tyrus zu identifizieren, ist nicht haltbar, da es sich hier um die phönizische Form des hebräischen Namens ’Iṭṭoba‘al bzw. Ṭoba‘l handelt, die sich mit ע schreibt. Außer in Jes 7,6
Exkurs: Die Erzwingung antiassyrischer Koalitionen
Eine dem syrisch-ephraimitischen Krieg vergleichbare Situation, in der ebenfalls ein König in eine antiassyrische Koalition gezwungen werden sollte, wird in der Inschrift des Zakkur von Hamat überliefert. Dieser hat sich geweigert, einer von Bar-Hadad von Damaskus (→ Ben-Hadad
Die Weigerung des Ahas von Juda, an einer antiassyrischen Koalition teilzunehmen, führte zur zweiten Phase des syrisch-ephraimitischen Krieges, dem Angriff auf Jerusalem.
3.3. Der Angriff auf Jerusalem
Diese Form der Verpflichtung gegenüber dem neuassyrischen König mit der Bitte um militärische Hilfe ist außer in 2Kön 16,5
Die Bitte um Hilfe an den neuassyrischen Großkönig leitete die dritte Phase des syrisch-ephraimitischen Krieges, den 3. Syrienfeldzug Tiglat-Pilesers III., ein.
3.4. Der 3. Syrienfeldzug Tiglat-Pilesers III.
Nachdem Tiglat-Pileser III. sich mit dem 1. Syrienfeldzug im Jahr 743 v. Chr. gegen das nordsyrische Arpad und mit dem 2. Syrienfeldzug im Jahr 738 v. Chr. gegen die mittelsyrischen Gebiete und vor allem gegen den Aramäerstaat von Hamat gewandt hatte, richtete sich der 3. Syrienfeldzug in den Jahren 734-732 v. Chr. vor allem gegen zentral- und südsyrische Gebiete, an deren Rändern die Staaten Israel und Juda lagen.
Auf das Hilfegesuch des Ahas von Juda hin belagerte Tiglat-Pileser III. Damaskus und konnte es im Jahr 732 v. Chr. einnehmen. Dass Ahas’ Bitte um militärische Hilfe der Anlass für diese Belagerung war, ist eher unwahrscheinlich. Die Einnahme von Damaskus, das als Stützpunkt und Warenumschlagsplatz, der auf direktem Weg von Ninive nach Ägypten lag, sowie als wichtigstes machtpolitisches Zentrum der Aramäer galt, wird eines der entscheidenden Ziele dieses Feldzugs gewesen sein. So wird das Hilfegesuch Ahas’ von Juda nicht mehr als ein passender Auslöser für die Belagerung von Damaskus gewesen sein.
Die Tatsache, dass Ahas den neuassyrischen Großkönig um militärische Hilfe bat, wird im → Deuteronomistischen Geschichtswerk
Der Angriff Tiglat-Pilesers III. und das Abrücken der aramäisch-israelitischen Koalition gaben Ahas von Juda die Möglichkeit, eine eigene Offensive gegen Israel zu starten. Mit ihr gelang es ihm, Gebiete des südlichen Israel zu erobern und so die Grenze Judas nach Norden zu verschieben (vgl. Hos 5,8-6,6
In Samaria revoltierte das Volk unter dem Druck des von Norden her heranrückenden neuassyrischen Heeres gegen seinen König Pekach, tötete ihn und inthronisierte einen → Assur
Das Gebiet des Nordreichs Israel wurde von den assyrischen Truppen auf den Rumpfstaat Ephraim, das Gebiet rund um die Hauptstadt Samaria, reduziert. In den annektierten Gebieten errichteten die Assyrer die drei Provinzen Magiddū, Gal’ad[a] und Dū’ru.
Der 3. Syrienfeldzug Tiglat-Pilesers III. erwirkte verschiedene machtpolitische Veränderungen in der Levante. Während mit Damaskus der letzte für den aramäischen Widerstand gegen das neuassyrische Reich wichtige Ort unter assyrische Oberherrschaft kam, erkauften sich mehrere Könige, unter ihnen auch Ahas von Juda und Hosea von Israel, den Fortbestand ihrer Herrschaft mit hohen Tributleistungen. Während Juda durch den syrisch-ephraimitischen Krieg Land im Norden hinzugewinnen konnte, wurde Israel auf das Kernland Ephraim beschränkt und damit militärisch und wirtschaftlich entscheidend geschwächt.
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Abbildungsverzeichnis
- Das assyrische Weltreich. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Die Straßen nördlich von Jerusalem mit der Anmarschroute der Feinde nach Jes 10,28-32. © public domain (angefertigt von Klaus Koenen)
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