Tabu
(erstellt: September 2012)
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1. Einleitung
Es gibt Bereiche der Wirklichkeit, die ein Mensch meiden sollte, weil sie ihm physischen oder metaphysischen Schaden zufügen können. Darum finden sich im Alten Testament – wie in vielen anderen Religionen und Kulturen – Anweisungen, die die Israeliten vor der Gefahr einer Verunreinigung oder einer Begegnung mit einem übermächtigen Phänomen des Heiligen schützen sollen. Der Kontakt mit unreinen Gegenständen, Lebewesen oder Handlungen wird ihnen ebenso untersagt wie die Annäherung an Erscheinungen des Hochheiligen. Das Verblüffende an dieser Zusammenstellung von Gefahrenquellen ist die Tatsache, dass nicht etwa die Differenzierung von äußerst unrein bis sehr heilig die Skala möglicher mehr oder weniger wünschenswerter Seinszustände beschreibt, sondern dass in diesen Verboten das Unreine und das Hochheilige gleichermaßen als das Gefahrvolle und das Profane und das Heilige, sofern sie „rein“ sind, gemeinsam als das Lebensfördernde angesehen werden. Diese Beobachtung, die von Ethnographen seit rund 250 Jahren für zahlreiche Kulturen beschrieben worden ist, soll in diesem Artikel für den Bereich des Alten Testaments untersucht und gedeutet werden.
1.1. Definition
Die Art der hier behandelten Gebote und Verbote wird in der Ethnologie und Religionswissenschaft mit einem polynesischen Wort als Tabu bezeichnet. Der Begriff wurde durch Reiseberichte des Kapitäns James Cook (1728-1779) bekannt und in der Nachfolge popularisiert. Polynesisch tapu (ta = „abgrenzen“, pu = grammatische Intensivierung) bezeichnet einen Komplex von Meidungsgeboten. Tabus verweisen auf Gegenstände, Lebewesen oder Handlungen, die wegen der damit verbundenen Gefahren gemieden werden sollen. Jene Phänomene verfügen über eine den Menschen überlegene schädliche Macht und gehören einer anderen ontologischen Sphäre als die Lebenswelt des Menschen an. Die Verletzung eines Tabus erregt den Zorn jener verhängnisvollen Macht (oder auch der Ahnen, Naturgeister oder einer Gottheit) und kann eine Krankheit, Seuche, Naturkatastrophe oder den unmittelbaren Tod des Transgressors zur Folge haben (→ Magie
Formen von Tabus bzw. tabuierten Phänomenen sind in der Kultur- und Religionsgeschichte äußerst vielfältig und facettenreich und haben in der Vergangenheit zur Konstruktion zahlreicher und komplexer religions- und sozialwissenschaftlicher Theorien geführt.
1.2. Theoriegeschichte
In vielen archaischen Kulturen herrschte die Überzeugung vor, dass Dingen, Orten, Tieren, Pflanzen und Personen eine übernatürliche und unpersönliche Kraft einwohnt, die in Anknüpfung an eine Studie des britischen Ethnologen Robert H. Codrington über die Melanesier (1891) und an das seinerzeit populäre Werk „The Treshold of Religion“ (1909) von Robert R. Marett als Mana bezeichnet wurde. Diese unbestimmte Macht wurde als geheimnisvoll, dynamisch und wirkmächtig und damit als übernatürlich und heilig erfahren. Die Menschen reagierten auf das Erlebnis dieser Macht ambivalent: Sofern sie das Mana als mächtig und hilfreich erlebten, verehrten sie es und beteten es an. Sofern sie es jedoch als unberechenbar und gefahrvoll empfanden, mieden sie es und suchten sich davor zu schützen. Die Meidung geschah mit Hilfe von Tabus, die im Wissen um die Unberechenbarkeit der heiligen Macht zur Distanz gegenüber einer Sache, Person oder Handlung aufforderten, um das eigene Leben und das der Gemeinschaft nicht in Gefahr zu bringen.
William Robertson Smith und James G. Frazer, als Religionsgeschichtler Vertreter eines evolutionistischen Weltbildes, sahen in den Tabubestimmungen die Anfänge der Moralbildung. Doch solche entwicklungsgeschichtlichen Hypothesen waren historisch nicht belegbar und nachfolgende Theoretiker richteten ihre Aufmerksamkeit stattdessen auf die gesellschaftliche Funktion von Tabus. So gingen Sozialanthropologen wie Émile Durkheim, Arnold van Gennep, Alfred Radcliffe-Brown, Franz Steiner, Mary Douglas, Claude Lévi-Strauss und Edmund Leach davon aus, dass Tabus zur Stabilität von Gesellschaften beitragen, indem sie das aussondern und von einer Gesellschaft „abgrenzen“, was in deren moralischen Ordnungsvorstellungen nicht zu integrieren ist.
Der Psychoanalytiker Sigmund Freud – inspiriert von Smith und Frazer sowie unter Rückgriff auf spekulative Ideen Charles Darwins – erklärte das Auftreten von Tabus mit der Verdrängung begehrenswerter, doch verbotener Handlungen (z.B. Inzest oder das Töten von Totemtieren) schon in der Urgesellschaft. Und Paul Parin verwies aus ethnopsychoanalytischer Sicht auf die Funktion von Tabus zur Machterhaltung und Legitimation gesellschaftlicher Interessen. In diesen Theorien entfernte sich der Tabu-Begriff seit dem ausgehenden 19. Jh. weitläufig von seinen ursprünglichen ethnographischen Untersuchungen. Nur mit äußerster Zurückhaltung wird er noch auf empirische oder historische Forschungen übertragen werden können. Die vorliegende Begriffsbestimmung orientiert sich deswegen möglichst nah am literarischen Befund des Alten Testaments.
2. Das Heilige
Auch im Alten Testament finden sich Spuren einer urtümlichen älteren Auffassung des Heiligen, die den dynamistischen Konzepten ethnologischer Mana-Theorien ähnelt. In diesen Überlieferungen wird der Begriff „heilig“ (קָדוֹשׁ qādōš) mit der Idee einer machthaften Substanz verbunden, die Gegenständen, Personen oder Handlungen innewohnt. Deutlich wird dies am Beispiel von → Gold
Solche immanenten Energien strahlen auf ihre Umgebung ab. Von daher erklärt sich auch das aus heutiger Sicht wenig einleuchtende Verbot ein Feld mit zwei verschiedenen Arten von Samen zu besäen oder einen Weinberg mit zwei verschiedenen Arten von Gewächsen zu bepflanzen. Dieses Verbot wird damit begründet, dass sonst „das Ganze heilig wird“ (Lev 19,19
Lebewesen kann diese Heiligkeit angeboren sein. So gelten Erstgeburten allein auf Grund ihrer Primogenitur als „heilig“ (Num 18,17
Die Früchte von Bäumen dürfen in den ersten drei Jahren nach ihrer Anpflanzung nicht geerntet werden. Der vierte Jahrgang soll Gott „geheiligt“ (geopfert) werden (Lev 19,23-25
Schließlich gibt es soziale Handlungen, die zwar nicht von Natur aus heilig sind, denen jedoch durch das rituelle Verhalten der Teilnehmer Heiligkeit zukommt. So können Kriege durch die Einhaltung bestimmter Reinheitsgebote „geheiligt“ werden (קדשׁ מִלְחָמָה qdš Pi. milḥāmāh in Jer 6,4
Wie einen Krieg, so „heiligt“ man in Israel auch Festtage und Kultversammlungen. Den → Sabbat
Der → Nasiräer
Erst allmählich setzte sich in Israel die Auffassung durch, dass Heiligkeit keine bestimmten Objekten, Personen oder sozialen Handlungen einwohnende Eigenschaft ist, sondern in Gott selbst liegt und allein von ihm ausgeht. In späterer Zeit gilt als heilig קָדוֹשׁ qādōš, was Gott zugehörig ist. Die Heiligkeit eines Phänomens wird nun als eine abgeleitete Heiligkeit verstanden, die von Gott verliehen wurde. Heiligkeit im engeren Sinn bezeichnet das Wesen Gottes, das ihn von allen anderen Entitäten unterscheidet. In dieser Perspektive verdankt sich Heiligkeit allein göttlicher Gegenwart und Gewährung. So gilt der → Sabbat
2.1. hochheilig und tabu
Der älteste literarische Beleg, der Jahwe „heilig“ (קָדוֹשׁ qādōš) nennt, findet sich in 1Sam 6,20
Diese exklusive Heiligkeit wird im Alten Testament als das Hochheilige bzw. das Allerheiligste קֹדֶשׁ הַקֳּדָשִׁים qodæš haqqădāšim bezeichnet. Die meisten Belegstellen verstehen unter dem Allerheiligsten den unbetretbaren Innenraum des Jerusalemer → Tempels
Wer auch nur einem dieser hochheiligen Geräte zu nahe kommt, ist ihm ausgeliefert (Num 4,19f
In der liberaleren Auffassung der Priesterschrift stirbt zwar nicht, wer diese Gegenstände anrührt, aber er wird selber heilig und „verfällt dem Heiligtum“ (Ex 30,29
Kein Unbefugter darf sich deswegen an den Geräten des Tempels zu schaffen machen oder – nach Num 4,20
Nur wer oder was geweiht bzw. „geheiligt“ ist, kann mit dem Hochheiligen bei einem bestimmten Anlass unbeschadet in Beziehung treten. Heiligung bedeutet also, dass Gott Personen oder Sachverhalte dem profanen Bereich entnimmt (Lev 22,9
Eine solche Aussonderung kann sich auch akzidentell ereignen. Weil Gott im Kampf → Jakob
Eine besondere Art der Weihe und Tabuisierung ist der (Kriegs-)Bann חֵרֶם ḥeræm (→ Bann / Banngut
Alles, was hochheilig bzw. geweiht oder gebannt ist, untersteht der Machtsphäre Gottes. Niemand darf sich ihm ohne rituelle Weihen nähern oder gar daran vergreifen. Da das Hochheilige → Jahwes
2.2. heilig und rein
Die Begriffe Heiligkeit und Reinheit scheinen sich im Alten Testament mitunter zu entsprechen (Dtn 23,11
Diese Gleichsetzungen dürften der kultischen Praxis entspringen. Denn dem Heiligen darf sich nur nähern, wer sich den erforderlichen Reinigungsriten unterzogen hat. Das erklärt, warum die Verben „reinigen“ bzw. „sich von Verunreinigungen fernhalten“ und „heiligen“ im Alten Testament oftmals synonym gebraucht werden und קדשׁ qdš im Piel oder Hitpael entsprechen. Anschaulich werden die unterschiedlichen Konnotationen von קדשׁ qdš in der Erzählung von der Vorbereitung des Volkes Israel auf den Empfang der Gebotstafeln am Berg Sinai (Ex 19,10-24
Trotz dieser gelegentlichen Überschneidungen der Wortfelder darf nicht übersehen werden, dass „rein“ ( טָהוֹר ṭāhōr) und „heilig“ (קָדוֹשׁ qādōš) keineswegs identische Begriffe sind. Während קָדוֹשׁ qādōš die Sphäre des Heiligen bzw. des zu Gott Gehörigen oder sogar als „der Heilige“ Gott selbst bezeichnet, besagt טָהוֹר ṭāhōr, dass ein Ding oder ein Lebewesen mit dem Heiligen in Beziehung treten kann, dass es die Voraussetzung zum Ertragen der Nähe Gottes erfüllt. Reinheit ist der Zustand, der zur Begegnung und zum Austausch mit dem Heiligen befähigt, sofern ihm das Heilige diese Nähe gewährt.
Was rein ist, ist nicht zwangsläufig auch heilig. Das Reine kann sowohl der Sphäre des Heiligen wie der Sphäre des Profanen angehören. Die Reinheitsvorstellungen im Bereich des Heiligen kreisen besonders um die Heiligkeit des Tempels. Nur wer rein ist, darf den Tempel betreten (Lev 12,4
Das Reine setzt sich – im Unterschied zum Heiligen und Profanen – immer aus mindestens zwei Elementen zusammen. Ein Ding oder ein Lebewesen sind entweder profan und rein oder heilig und rein. Tiere sind rein, wenn sie für den profanen Gebrauch (d.h. für die Schlachtung und den Verzehr) freigegeben sind. Das Land Israel ist rein, weil es Eigentum des Heiligen (Jahwes) ist. Die Stiftshütte oder der Tempel sind rein, weil sie Jahwe als Wohnung dienen.
Rein ist also ein synthetischer Begriff, dessen Sinn sich nur aus seiner Beziehung zu den ontologischen Kategorien profan oder heilig ergibt. Weil sowohl das Profane wie das Heilige rein sein können, können sie miteinander in Beziehung treten. Reinheit dient der Vermittlung zwischen dem Profanen und dem Heiligen, zwischen Mensch und Gott.
Reinheit ist ein Begriff des Medialen und bezeichnet den Bereich der Vermittlung zwischen profan und heilig. Während Unreinheit vom Heiligen trennt und vom Kult ausschließt (Lev 7,20f
Das Reine hat eine dialektische Struktur. Es ermöglicht sowohl die Manifestationen Gottes in der Menschenwelt wie die Begegnungen von Menschen mit Wesen und Botschaften aus der Sphäre des Heiligen. Das Reine hat Anteil am Profanen wie am Heiligen, aber es ist mit keinem dieser Bereiche identisch. Das Reine ist eine mediale Sphäre, die aus den Überschneidungen und Durchdringungen von heilig und profan ein Tertium bildet.
3. Das Profane
Was von der Heiligkeit Gottes geschieden ist, wird im Alten Testament als profan חֹל ḥol bezeichnet. Die Wurzel חלל ḥll Pi. bedeutet „freistellen / dem gewöhnlichen Gebrauch übergeben“. חֹל ḥol profan ist deshalb im Sinne von „allen zugänglich / erlaubt“ zu verstehen. Der Begriff drückt die Profanität von Sachen, Handlungen und Personen aus. Er bezeichnet den Gegensatz zu קָדוֹשׁ qādōš heilig im Sinne von „ausgesondert / dem allgemeinen Gebrauch entzogen“. Schon in dem frühen Text 1Sam 21,5f
Seit der exilischen Zeit setzt sich allerdings die Tendenz durch, die Trennungslinie zwischen der Sphäre des Heiligen und der Sphäre des Profanen stärker zu betonen. Die Wendung „ihr sollt unterscheiden zwischen dem Heiligen und dem Profanen“ (וּלֲהַבְדִּיל בֵּין הַקּדֶשׁ וּבֵין הַחֹל) zieht sich seitdem wie eine Formel durch alttestamentliche Texte (Lev 10,10
Dabei ist die Unterscheidung von heilig und profan für den Laien nicht immer unmittelbar einsichtig. Sachen, Handlungen oder Personen können je nach den Umständen das Eine wie das Andere sein. So können z.B. Brote (1Sam 21,5
Die Sphäre des Profanen ist jener Bereich, in dem sich das alltägliche Leben mit seinen Notwendigkeiten und Pflichten abspielt (Ez 48,15
3.1. profan und rein
Das Profane dient dem Menschen zur Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse. Es ist ihm ohne Vorbehalte zugänglich und steht ihm zur freien Verfügung. In dieser Sphäre verbringt er seinen Alltag. Das Profane ist rein, jedoch ist es in vielfältiger und mitunter unvermeidbarer Weise durch Verunreinigungen gefährdet. Darum muss sich der Mensch reinigen, wenn er mit dem Heiligen in Beziehung treten will. Denn nur wer rein ist, darf sich dem Göttlichen bzw. dem Heiligtum nähern (Lev 7,19
Reinheit erfordert rituelle Reinigungszeremonien (→ Reinheit
Auch → Land
Die Reinheit des profanen Lebens ist also gefährdet und steht immer wieder auf dem Spiel. Wer sich verunreinigt, ist aus der Sphäre des Reinen ausgeschlossen. Er kann jedoch durch Reinigungsriten entsühnt und damit wieder reintegriert werden. Wer geheiligt wird, erhält unter Umständen sogar Zugang zur Sphäre des Hochheiligen und kann in Beziehung zum Göttlichen treten. Aber eine solche Begegnung macht es notwendig, dass der Betreffende anschließend entheiligt wird, um gefahrlos in die Sphäre des Profanen zurückkehren zu können (Lev 16,28
3.2. unrein und tabu
„Rein“ (טָהוֹר ṭāhōr) und „unrein“ (טָמֵא ṭāmē’) müssen im Alten Testament primär als kultische Begriffe verstanden werden (→ Reinheit
Die Grenzen zwischen dem Unreinen und Reinen sind instabil und durchlässig. Es gibt keine dauerhafte und zu jeder Zeit eindeutig erkennbare Trennungslinie. Gerade bei den alltäglichen Beschäftigungen ist die Gefahr der Verunreinigung groß. Deshalb wird Israel im Alten Testament aufgerufen, mit Hilfe der Priester skrupulös zwischen rein und unrein zu unterscheiden (Lev 10,10f
Seinem Wesen nach Unreines kann hingegen niemals rein gemacht werden. Es muss, wenn immer möglich, gemieden werden. Dazu zählt an erster Stelle alles, was zum Bereich des → Todes
Als häufiger Grund und als eine besonders schwere Form der Unreinheit gilt Aussatz צָרַעַת ṣāra‘at, „der Erstgeborene des Todes“ (Hi 18,13
Auch verschiedene mit Geschlechtlichkeit (→ Sexualität
Des Weiteren gelten solche Landtiere als unrein und dürfen nicht verzehrt werden, die keine Wiederkäuer sind und keine gespaltenen Klauen haben, sowie Wassertiere, die keine Schuppen haben und sich nicht durch Flossen fortbewegen, also solche Tiere, die nicht einer bestimmten Art zuzuordnen sind, sondern Merkmale verschiedener Arten mischen (→ Reinheit / Unreinheit / Reinigung
Ebenso gelten Sexualverkehr außerhalb der Ehe (Lev 18,20
Die Propheten klagen die Verunreinigung Israels durch Götzendienst an (Hos 5,3
Sieht man von einer Ethisierung des Konzepts der Unreinheit in nachexilischer Zeit ab (vgl. Spr 20,9
4. Das Hochheilige und das Unreine als Sphären des Tabu
Für die älteren Traditionen des Alten Testaments enthalten sowohl die Sphäre des Hochheiligen wie die Sphäre des Unreinen eine Schrecken erregende, dem Menschen gefährliche Kraft, die auf ihn überspringt, wenn er ihr zu nahe kommt, und ihn in einen Bann versetzt. Das Unreine (טמא ṭm’) wie das Hochheilige (קֹדֶשׁ הַקֳּדָשִׁים qodæš haqqădāšim) gelten gleichermaßen als unberührbar und sind tabu (חרם ḥrm).
Das Anfassen der Bundeslade ist ebenso tabu wie der Kontakt mit einer Leiche. Ein Priester muss nach dem Opferdienst im Tempel, der ihn in den Zustand der Hochheiligkeit versetzt, seine Kleider wechseln wie eine Frau sich nach einer Entbindung, durch die sie unrein wird, Reinigungsriten unterziehen muss (Lev 16,27f
Es liegt in allen diesen Fällen ebenso wenig eine hygienische oder eine moralische Verunreinigung vor, wie der Zustand der Reinheit als eine geistig-seelische Tugend angesehen ist. Der Betroffene ist vielmehr – willentlich oder ungewollt – in einen Machtbereich geraten, der seinen Lebensbedingungen abträglich ist und aus dem er heraustreten muss, um wieder in die Sphäre der Reinheit zu gelangen und sich in einer schöpfungsgemäßen Ordnung entfalten zu können.
Die Wurzel חרם ḥrm begegnet in fast allen semitischen Sprachen in der Bedeutung „bannen / weihen“ (→ Bann
Menschliches Leben kann seiner Natur nach nur in der Sphäre des Reinen (טָהוֹר ṭāhōr) gedeihen. Das Reine – als ein synthetischer Begriff – bezeichnet allerdings keine eigene Wesensart. Es verbindet das Heilige mit dem Profanen. „Rein“ bedeutet, dass in dieser Sphäre das allen Zugängliche und Erlaubte (חֹל ḥol) mit dem Heiligen und Göttlichen (קָדוֹשׁ qādōš) in Einklang steht. In diesem Umfeld kann menschliches Leben ganzheitlich gedeihen. Es ereignet sich im Spannungsfeld von Profanem und Heiligem. Weder das Profane noch das Sakrale allein bieten dem Menschen auf Dauer eine zureichende Existenzmöglichkeit. Menschliches Leben entfaltet sich in der Dualität.
Daneben gibt es jedoch Bereiche der Wirklichkeit, die den Menschen unverträglich sind und deshalb vom Reinen abgegrenzt werden müssen. Diese Grenze darf der Mensch im Normalfall nicht überschreiten. Sowohl das Hochheilige wie das Unreine gelten als Tabuzonen (חֵרֶם ḥeræm). Wer damit in Kontakt kommt, muss von einem Priester gereinigt bzw. „geheiligt“ werden, um vom חֵרֶם ḥeræm los zu kommen (vgl. Jos 7,13
Die Sphären des חֵרֶם ḥeræm sind nicht unbelebt, doch existieren hier andere Arten von Wesen. An unreinen Stätten, besonders in Ruinen, Wüsten und an Grenzen, hausen → Dämonen
Das Hochheilige und das Unreine stellen einen eigenen Machtbereich dar und sind eine Qualität außerhalb der Menschenwelt (→ Magie
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