Tachpanhes
Andere Schreibweise: Tahpanhes; Tachpanches
(erstellt: Juni 2009)
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Tachpanhes ist eine strategisch wichtige Stadt mit Königspalast im östlichen Nildelta. Sie wird in Texten, auch in der Bibel, mehrfach erwähnt und dürfte folglich sehr bedeutend gewesen sein. Außer einer jüdischen Gemeinde wohnten in ihr weitere fremde Volksgruppen, die für den ägyptischen Staat tätig waren, vor allem als Söldner.
Die Stadt liegt bei der heutigen Ortschaft Tell Defenneh, deren Name auf das alte Tachpanhes / Tafnas / Dafnai zurückgeht. Die Identifikation des modernen Tell Defenneh mit dem bei Herodot erwähnten Daphnai (s.u. 1.3.) wurde schon am Ende des 18. Jh.s formuliert (Leclère 2008, 507 Anm. 1).
Der Name ist hebräisch als תַחְפַּנְחֵס (Jer 2,16
1. Tachpanhes in den nicht-ägyptischen Quellen
1.1. Die biblischen Quellen (Hebräisch / Griechisch)
Tachpanhes ist mehrfach bei → Jeremia
1.2. Die semitischen Quellen
Tachpanhes wird in einem phönizischen Brief aus dem 6.-5. Jh. v. Chr. erwähnt. Er wurde in Saqqara gefunden (Aimé-Giron 1940) und handelt von der Korrespondenz zwischen zwei Frauen. In einer Segensformel werden Baal Saphon und alle Götter von Tachpanhes genannt. Der Brief zeigt, dass in Tachpanhes neben Juden auch andere semitische Volksgruppen der Levante wohnten.
1.3. Die griechischen Quellen
Spiegelberg hat überzeugend nachgewiesen, dass Tachpanhes / Tafnas mit dem bei Herodot (Historien II 30, 154; Text gr. und lat. Geschichtsschreiber
Dafnai muss zur Zeit Herodots eine wichtige Stadt gewesen sein, da sie in II 107 in einer anachronistischen Erzählung über König Sesostris erwähnt ist. Danach soll Sesostris bei seiner Rückkehr von einer militärischen Kampagne in Asien nach Dafnai gekommen sein, während sein Bruder in Ägypten eine Verschwörung gegen ihn anzettelte.
2. Tachpanhes in den koptischen Texten
Tachpanhes kommt im koptischen Kambyses-Roman zweimal vor (5,23; 12,13; Jansen 1950; Möller 1904). Die Stadt ist der Hauptort der Erzählung, in dem der Widerstand der Ägypter gegen die Perser organisiert wird. Hier wie in Jer 43,9
In der Chronik des Johannes von Nikiou, die nur in einer äthiopischen Übersetzung tradiert ist, wird Tachpanhes ebenfalls erwähnt, allerdings in der Form Tenfas statt Tafnas durch Metathese (von Lemm 1900, 84; Zotenberg 1883, 271-272, 293, wobei er das Toponym Tenfas als Theben interpretiert).
3. Problem der Identifikation von Tachpanhes in den ägyptischen Quellen
Die Identifizierung von Tachpanhes mit einem im Ägyptischen belegten Ortsnamen ist erst in jüngerer Zeit wieder als ein Problem erkannt worden. Verschiedene Autoren vermuten, dass der Name Tachpanhes auf Ṯbn, den Namen einer ramessidischen Festung im Ostdelta, zurückgeht (Gauthier 1929, 73; Caminos 1954, 283). Diese Gleichsetzung (de Meulenaere 1975, 990) ist jedoch abzulehnen. Ihr widersprechen nämlich die hebräischen und aramäischen / phönizischen Wiedergaben des Ortsnamens als tchpnchs (תחפנחס) mit den beiden Laryngalen ch, die in Ṯbn nicht bezeugt sind.
Spiegelberg erkannte, dass der letzte Teil des Namens Tachpanhes das Wort nḥs „Nubier“ enthält, und schlägt die Etymologie *t3-ḥwt-p3-nḥs „Die Burg des Nubiers“ vor (Spiegelberg 1930, 59-60). Dieser Ortsname ist sonst nicht belegt.
Einige demotische Texte weisen darauf hin, dass Tachpanhes im Demotischen als t3y=w-‘3m-p3-nḥs geschrieben wurde (siehe § 4). Dieser Ortsname wurde regelmäßig n3y=w-‘3m-p3-nḥs o.ä gelesen, kann aber, wie schon Zauzich (1985, 116) gezeigt hat, auch t3y=w-‘3m-p3-nḥs o.ä gelesen werden. Diese Form ist eine unetymologische Schreibung eines älteren Namens, von dem das hebräische / aramäische Wort tchpnchs (תחפנחס) direkt abstammt.
Zum ursprünglichen Namen wurden zwei Vorschläge gemacht: 1) Zauzich setzt als Ursprungsnamen *t3-‘ẖy-(n)-p3-nḥs an und erklärt die phonetische Entwicklung zu t3y=w-‘3m-p3-nḥs durch die Zwischenstufen *t3-‘ẖm-p3-nḥs und *t3-‘‘m-p3-nḥs (Zauzich 1985, 115-116). 2) Nach Quack ist t3y=w-‘3m-p3-nḥs die unetymologische Schreibung von *t3-wḥyt-p3-nḥs „die Siedlung des Nubiers“. Das Wort ‘3m in t3y=w-‘3m –p3-nḥs sei die Reinterpretierung von dem Wort wḥyt, das ebenso mit dem Wurfholz (Gardiner, 1957, Sign-List T14) geschrieben ist (Quack 2000, 4).
Die von J.F. Quack vorgeschlagene Etymologie (*t3-wḥyt-p3-nḥs) ist m.E. aus drei Gründen einleuchtender:
1) Die Bildung eines Ortsnamens durch das Wort wḥyt (z.B. t3-wḥyt-(p3) + Substantiv / Name) ist sehr verbreitet, insbesondere ab der Ramessidenzeit: in Papyrus Wilbour sind mehr als dreißig solcher Orte erwähnt (die Liste in Gardiner 1952, 74-75). Außerdem folgt wḥyt eine militärische Bezeichnung (t3-wḥyt-mš‘ „die Siedlung der Armee“, t3-wḥyt-n3-w‘w „die Siedlung der Soldaten“, t3-wḥyt-mḏ3y „die Siedlung des Medjai“) oder eine Volksbezeichnung (t3-wḥyt-ỉrk3k, t3-wḥyt-ḏ3s3tỉ, t3-wḥyt-k3š3; Gardiner 1948, 33); mit anderen Worten sind die Namen ỉrk3k, ḏ3s3tỉ, k3š3 von der gleichen Kategorie wie nḥs „Nubier“ in *t3-wḥyt-p3-nḥs. Dagegen ist in der von Zauzich vorgeschlagenen Etymologie (Zauzich 1985, 115) *t3-‘ẖy-(n)-p3-nḥs die Bildung des Ortsnamens mit t3-‘ẖy-(n) + nḥs „das Sanktuar des Nubiers“ weniger plausibel, da t3-‘ẖy-(n) meistens von Götternamen oder Götterbezeichnungen gefolgt wird.
2) Es ist plausibler anzunehmen, dass das Wort wḥyt unetymologisch als ‘3m „Hirt“ gelesen wurde (beide Worte sind mit dem Zeichen Wurfholz [Gardiner, 1957, Sign-List T14] geschrieben), als dass sich die unetymologische Schreibung *t3-‘ẖy-(n)-p3-nḥs über *t3-‘ẖm-p3-nḥs und *t3-‘‘m-p3-nḥs zu t3y=w-‘3m-p3-nḥs transformiert hat.
3) *t3-wḥyt-p3-nḥs entspricht einem in dem demotischen Papyrus Kairo 31169 (geographisches Onomastikon des Deltas; Spiegelberg 1906, Taf. 109) belegten Toponym. Dort findet man in III,10 t3-ỉḥt-p3-[…] „die Kuh von […]“. Es wurde vorgeschlagen, dass die Textspuren um die Lücke für die Lesung nḥs sprechen würden (Zauzich 1987, 87). Wenn dies der Fall wäre, wäre t3-ỉḥt-p3-[nḥs] die unetymologische Schreibung von t3-wḥyt-p3-nḥs (Zauzich 1987, 87 betrachtet t3-ỉḥt-p3-[nḥs] als unetymologische Schreibung für *t3-‘ẖy-(n)-p3-nḥs, aber sie ist phonetisch weniger zutreffend als *t3-wḥyt-p3-nḥs).
4. Tachpanhes in den ägyptischen Quellen
Der Ortsname t3y=w-‘3m-p3-nḥs u.ä. (für die Lesung: Zauzich 1985, 116) ist in vier demotischen Texten erwähnt:
1) In dem Ostrakon Karnak (OKSL 462.4; Zauzich 1984, 193-194): „Im Jahr 28, erster Monat von Achet-Jahreszeit, erster Tag, des Pharaos Psammetich (für die Lesung Psammeich: Chauveau, Vortrag gehalten bei der Demotischen Sommerschule, Kopenhagen 2003), während Pharao in Tachpanhes war, als er gegen Syrien zog”.
2) In Papyrus Berlin 13588 (III,2) ist die Rede von einem Ort östlich von Tachpanhes an der Ostgrenze Ägyptens. Dort soll König → Psammetich I.
3) Die Geschichte von König → Amasis
4) Die Lehre des Chascheschonqi (IV,5 ff.; Glanville 1955; Hoffmann-Quack 2007, 309): Chascheschonqi wird einer Verschwörung im Harem beschuldigt und sitzt im Gefängnis in Tachpanhes, wo er täglich Speisen aus dem Königspalast bekommt.
Es ist auffällig, dass die in diesen Texten beschriebenen Situationen sehr gut in das Bild von Tachpanhes passen, das aus den biblischen Texten (s.o. 1.1.), aus Herodots Historien (s.o. 3.) und aus dem koptischen Kambyses-Roman (s.o. 2.) hervorgeht: Tachpanhes ist ein Ort im Ostdelta mit einer militär-strategischen Prägung und einem Königspalast. Außerdem ist Tachpanhes in allen Texten stark mit der saitischen Dynastie verbunden.
5. Die archäologischen Zeugnisse
Tachpanhes liegt bei dem heutigen Dorf Tell-Defenneh, 12 km westlich von El-Qantara und 25 km südwestlich von Pelusium, d.h. in einer strategischen Lage auf der Route nach Osten. Dort wurde nie intensiv und regulär gegraben, abgesehen von der einzigen Grabung, die Petrie 1886 unternommen hat (Petrie 1886, 456-459; Petrie 1888, 47-96; vor Kurzem ist ein Projekt des British Museum in Tell Defenneh angelaufen: Egyptian – Greek relations at Daphnae
Die Stadt erstreckt sich 1600 m in Ost-West- und 1000 m Nord-Süd-Richtung. In ihrer Mitte befinden sich die Reste einer relativ großen Struktur aus Ziegeln, die in der Zeit von Petrie als Qasr el-Bint el-Jahudi bekannt war. Sie war von einer Mauer umgeben, von der nur Spuren auf dem Boden geblieben sind. Es wurden viele ägyptische und griechische Tongefäße und Siegelabdrücke mit den Namen von verschiedenen saitischen Königen gefunden.
Die ausschließliche Präsenz von Siegelabdrücken mit den Namen der Könige der XXVI. Dynastie entspricht der Tatsache, dass die ägyptischen Texte Tachpanhes in Verbindung mit dieser Dynastie bringen (s.o. 4.). Petrie deutete die Ziegelstruktur (Qasr el-Bint el-Jahudi) als Rest des im Jeremiabuch erwähnten Palastes des Pharaos. Außerdem betrachtete er die Stadt als Heimat einer großen ausländischen Gemeinde, deren Mitglieder zum Teil als Soldaten tätig waren (eine kritische Bewertung der Ergebnisse von Petrie und neue interessante Interpretationen finden sich bei Leclère 2008, 507-530).
In neuerer Zeit ist vorgeschlagen worden, dass die Ziegelstruktur der Temenos eines ägyptischen Tempels für eine gemischte Gesellschaft von Ägyptern und Fremden ist, die als Soldaten arbeiteten. Diese Vermutung würde die Aussagen der Texte bestätigen, nach denen es in Tachpanhes einen Kult für Amun (Kambyses-Roman) und die Kulte für Baal Saphon und andere Gottheiten gab.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992 (Daphne)
2. Weitere Literatur
- Aimé-Giron, N., 1940, Adversaria Semitica III, ASAE 40, 433-460.
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- Zotenberg, H., 1883, Chronique de Jean, évêque de Nikiou, Paris.
Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Tachpanhes. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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