Tamar
Andere Schreibweise: Thamar
(erstellt: Mai 2009)
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1. Name
Als Nomen bedeutet תָּמָר tāmār „Dattelpalme“ (u.a. Ex 15,27
2. Tamar, die Schwiegertochter Judas – Gen 38
2.1. Die Erzählung
In Gen 38
2.2. Die Erzählung in ihrem Kontext
Gen 38
Mit dem Kontext verbindend wirken aber Stichwort- und Motivverknüpfungen (etwa Kleidung und Täuschung) ebenso wie Juda als Handelnder. Dennoch bleibt der Eindruck eines in den literarischen Kontext eingefügten Kapitels, das entweder ursprünglich selbstständig existiert hat und für die Einfügung überarbeitet (Ebach, aber auch schon Noth) oder in Kenntnis der Josefserzählung verfasst wurde (etwa Dietrich und Blum).
2.3. Zentrale Fragen der Auslegung
Als tragende soziale Einrichtung erscheint das Levirat. Grundsätzlich geht es dabei um den Umgang mit einer kinderlosen Witwe, die durch eine sexuelle Verbindung mit dem Bruder des verstorbenen Mannes (lateinisch: levir „Schwager“) ein Kind gebären soll. Eine exakte Bestimmung dessen, was das Levirat beinhaltet, ist deshalb schwierig, weil alle drei biblischen Texte, in denen auf diese Einrichtung Bezug genommen wird (Gen 38
Umstritten ist weiterhin die Frage nach einem möglichen kultischen Kontext der sexuellen Begegnung zwischen Tamar und Juda. Sie wird genährt durch die Verwendung der Vokabel קְדֵשָׁה qədešāh, was häufig mit „Kultdirne“ o.ä. übersetzt wird (→ Hure / Hurerei
2.4. Innerbiblische Rezeption
In 1Chr 2,4
In Rut 4,12
Diese dann messianisch gedeutete Geschlechterfolge wird zu Beginn des Matthäus-Evangeliums aufgenommen. Als erste von fünf Frauen in diesem Stammbaum wird Tamar an der Seite Judas als Mutter von Perez und Serach erwähnt (die anderen Frauen sind → Rahab
Bereits innerhalb der Hebräischen Bibel wird Tamar durch ihr Handeln in die davidische Linie eingeschrieben, im Neuen Testament wird das aufgegriffen und bis zur Geburt Jesu, dem Christus, hin fortgesetzt.
2.5. Außerbiblische Rezeption
In der jüdischen Traditionsliteratur wird Tamar vor allem im Midrasch Bereschit Rabba (BerR) erwähnt. BerR 85 betont, dass Tamar zunächst den Vater ihres ungeborenen Kindes nicht nennen will und Judas Namen erst unter Todesgefahr preisgibt.
In der deutschsprachigen Literatur des 20. Jh.s nimmt vor allem die Tamar-Rezeption in Thomas Manns Josefsroman eine herausragende Stellung ein. Wie schon in der biblischen Erzählung wird die Geschichte der Tamar in den Erzählfluss eingeschaltet, Thomas Mann sieht das Prinzip der „Einschaltung“ als Kennzeichen des Handelns Tamars, und dieses Prinzip wird auf der Ebene der Erzählung strukturgebend (ausführlich dazu Weimar). Aus weiteren dramatischen und lyrischen Rezeptionen (Motté) sei v.a. das Gedicht „Thamar und Juda“ von Gertrud Kolmar erwähnt.
3. Tamar, die Tochter Davids – 2Sam 13,1-22
3.1. Die Erzählung
Tamar wird als Schwester → Absaloms
3.2. Die Erzählung in ihrem Kontext
Die Erzählung von Tamar und Amnon ist eingebettet in die → Thronfolgeerzählung
Die Reihe der innerfamiliären Gewalttaten wird von der Vergewaltigung Tamars durch Amnon eröffnet. Sie findet ihre Fortsetzung in der Ermordung Amnons durch die Gefolgsleute von dessen Bruder Absalom. Diese wird bereits in 2Sam 13,22
Auch im weiteren Verlauf der Thronfolgeerzählung spielt die Verknüpfung von Herrschaftspolitik und → Sexualität
3.3. Zentrale Fragen der Auslegung
Auf diesem Hintergrund verliert die Erzählung von Tamar ihren scheinbar privaten Charakter. Das Begehren Amnons mit all seinen Konsequenzen wird verstehbar als machtpolitisches Handeln, durch das der Erstgeborene Anspruch auf die Macht des Vaters erheben will. Es ist nicht einfach die Schönheit Tamars, die sie in den Augen Amnons begehrenswert macht, sondern gerade ihre Jungfräulichkeit verstanden als Zeichen sozialer Zugehörigkeit zum Machtbereich des Vaters.
Tamars verbaler Widerstand ist im Vergleich mit anderen Erzählungen über sexuelle Gewalt (Gen 34
Auch die Beurteilung von Amnons Tat als Akt sexueller Gewalt ergibt sich nicht primär aus dem Vergleich mit dementsprechenden Rechtstexten, sondern aus der Wortwahl (חזק Hif. in 2Sam 13,11
3.4. Außerbiblische Rezeption
Flavius Josephus nimmt die Erzählung in das 7. Buch der Antiquitates Judaicae auf. Er arbeitet stark in Anlehnung an Textfassungen wie die des Codex Vaticanus und Lukian. Dazu füllt er offene Lücken der ihm vorliegenden Versionen, etwa indem er Tamar als leibliche Schwester Absaloms bezeichnet. Josephus zeichnet den Charakter Tamars deutlicher aus, als es die biblische Vorlage tut, und er gibt ihr eine stärker aktive Rolle (Begg).
Literarische Rezeptionen stehen häufig in Zusammenhang mit den Davidserzählungen. Eine herausgehobene Stellung hat die Erzählung um Tamar allerdings in Franz Fühmanns „Amnon und Tamar“. Hier wird die Vergewaltigung zur Verführung; die herrschaftspolitische Dimension wird ganz zu Gunsten der sexuellen aufgegeben.
4. Tamar, die Tochter Absaloms – 2Sam 14,27
Absalom nennt seine Tochter Tamar (2Sam 14,27
5. Der Ort Tamar
Tamar liegt an der Südgrenze Judas, lässt sich jedoch nicht genauer lokalisieren. Vielleicht lag der Ort bei der römischen Festung Tamara, die in römischen Quellen (Tabula Peutingeriana, Ptolemäus und → Eusebius
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Jerusalem 1993
- Bibeltheologisches Wörterbuch, Graz 1994
- Archaeological Encyclopedia of the Holy Land, New York / London 2001
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Begg, Christopher T., 1996, The Rape of Tamar (2 Sam 13) according to Josephus, Estudios Biblicos 54, 465-500
- Blum, Erhard, 1984 Die Komposition der Vätergeschichte (WMANT 57), Neukirchen-Vluyn
- Ebach, Jürgen, 2007, Genesis 37 – 50 (HThKAT), Freiburg/Br.
- Dientrich, Walter, 1989, Die Josephserzählung als Novelle und Geschichtsschreibung. Zugleich ein Beitrag zur Pentateuchfrage (BThSt 14), Neukirchen-Vluyn
- Motté, Magda, 2003, „Esthers Tränen, Judiths Tapferkeit. Biblische Frauen in der Literatur des 20. Jahrhunderts, Darmstadt
- Menn, Esther Marie, 1997, Judah and Tamar (Genesis 38) in Ancient Jewish Exegesis. Studies in Literary Form and Hermeneutics (JSOT.S 51), Leiden u.a.
- Müllner, Ilse, 1997, Gewalt im Hause Davids. Die Erzählung von Tamar und Amnon (2 Sam 13,1-22) (HBS 13), Freiburg/Br. u.a.
- Noth, Martin, 1948, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, Stuttgart
- Stark, Christine, 2006, „Kultprostitution“ im Alten Testament. Die „Quedeschen“ der Hebräischen Bibel und das Motiv der Hurerei (OBO 221), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
- Weimar, Peter, 2008, Die doppelte Thamar. Thomas Manns Novelle als Kommentar der Thamarerzählung des Genesisbuches (Biblisch-theologische Studien, 99), Neukirchen-Vluyn
- Yamada, Frank M., 2008, Configurations of Rape in the Hebrew Bible: A Literary Analysis of Three Rape Narratives (Studies in Biblical Literature 109), Frankfurt/M. u.a.
Abbildungsverzeichnis
- Juda und Tamar (Jacopo Bassano; 1510/16-1592).
- Amnon und Tamar (Giovanni Francesco Barbieri, genannt Guercino; 1649-1650).
- Amnon und Tamar (Gérard de Lairesse; 1641-1711).
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