Taru / Tarchun(t)
(erstellt: Juni 2006)
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Die wichtigsten Wettergottgestalten ( → Wettergott
1. Namen und Traditionsgeflecht
Die religiöse Vorstellungswelt, die uns in den hethiterzeitlichen Texten entgegentritt, zeichnet sich durch ihre Vielschichtigkeit aus. Es gelingt nicht immer, die verschiedenen Einzeltraditionen zu identifizieren und zu einem in sich kohärenten Gesamtbild zusammenzufügen. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen altanatolisch-hattischen religiösen Traditionen und solchen Vorstellungen, die den nach Anatolien eingewanderten Sprechern des anatolischen Zweiges der indogermanischen Sprachen schon vor der Ansiedlung in Anatolien eigen waren. Der Einfluss hattischer Traditionen ist gerade im Bereich der religiösen Vorstellungen und nicht zuletzt der Götterwelt besonders prägend, so dass eine getrennte Untersuchung des hattischen Wettergottes einerseits und des hethitisch-luwisch(-palaisch)en Wettergottes andererseits unmöglich ist (→ Wettergott
Eine umfassende Untersuchung der anatolischen Wettergottgestalten fehlt (Green, 2003, 89-152, stützt sich – in Unkenntnis der Rezensionen von Haas, 1985 und Gurney, 1983! – unkritisch auf die problematische Studie von H. Deighton und ist daher weitgehend unbrauchbar; die Überblickswerke zur hethitischen Religion [Haas, 1994 und Popko, 1995] geben wichtige Informationen, sind aber allgemein gehalten und im Einzelnen für den Benutzer schwer überprüfbar, instruktiv insbesondere Houwink ten Cate, 1992, Klinger, 1996, 147-152 sowie diverse Einzeluntersuchungen zu lokalen Wettergottgestalten). Die folgenden Bemerkungen können daher nur vorläufigen Charakter haben.
Der hattische Wettergott hieß Taru. Sein Name wird syllabisch und mit den üblichen Sumerogrammen (dIŠKUR, d10) geschrieben; ob der hattische Name des auch theriomorph als Stier dargestellten Gottes mit dem in semitischen und indogermanischen Sprachen bezeugten Stierwort zu verbinden ist, bleibt unsicher.
Der Name des hethitisch-luwischen Wettergottes ist in verschiedenen Formen bezeugt, die aber alle auf dieselbe indogermanische Wurzel *tŗh2w- zurückgehen, die im Hethitischen in tarch- „mächtig sein“ fortgesetzt ist (s. Starke, 1990, 136-145, Hawkins, 2005, 295). Die wichtigste Form des Namens im Luwischen ist Tarchunt- (< *tarchwant-), eine Partizipialform, die eine altindische Parallelform mit der Bedeutung „dahinstürmend“ hat.
Hieroglyphen-luwisch wird die Nominativ-Form Tarchunz sekundär auf -a thematisiert, wodurch sich der im Nominativ und Akkusativ verwendete Stamm Tarchunza- ergibt. Neben der Partizipialform begegnet mit Tarchu- auch eine kürzere Form des Namens, die vor allem im Hethitischen zum n-Stamm Tarchunn- erweitert wird (daneben oft auch die auf -a thematisierte luwische Form Tarchunta-). In der Schrift sind syllabische Schreibungen ausgesprochen selten; in aller Regel werden die Logogramme (mit phonetischen Komplementen) verwendet (dIŠKUR, d10, hieroglyphisch DEUSTONITRUS [dort für Teššub gesonderte Logogramme: DEUSL.318, DEUSFORTIS, Deutung der Schreibung eines ikonographisch als Wettergott zu bezeichnenden Gottes mit einem Keulensymbol im aleppiner Tempel noch unklar – vielleicht personifizierte Waffe des Wettergottes?]).
Beim Gott Tatta handelt es sich (anders immer noch Green, 2003, 128!) nicht um einen Wettergott, sondern um einen Berggott (Tatta keine Lesung für dIŠKUR / d10).
Der Name des palaischen Wettergottes ist nicht sicher erschließbar (Popko, 1995, 73 schlägt den im palaischen Pantheon prominenten Ziparwa in den entsprechenden Kontexten als Lesung des logographisch geschriebenen dIŠKUR vor, anders etwa Carruba, 1972, 9). Es ist auffällig, dass es sich beim Namen des hethitisch-luwischen Wettergottes um ein Appellativum handelt, das so keine Entsprechung in anderen indogermanischen Panthea hat und lautlich an hattisch Taru anklingt. Es könnte sich daher bei dem Namen um eine in Anlehnung an hattisch Taru geformte Neubildung handeln (so Oettinger, 2001, 474). Der hethitisch-luwische Tarchun(t) wäre dann nichts anderes als der von Luwiern und Hethitern adaptierte altanatolisch-hattische Wetter- und Stiergott.
2. Stellung im Pantheon
Der → Wettergott
Als eigentliche Gemahlin des Wettergottes gilt seit althethitischer Zeit insbesondere die in Arinna verehrte Sonnengöttin (Ištanu von Arinna, Ariniddu), die im Rahmen der Dichotomie Sonnengott des Himmels – Sonnengöttin der Erde typologisch sicher der Sonnengöttin der Erde nahe steht, ohne eine eigentliche Unterweltsgöttin zu werden. Die Gemahlin des Wettergottes ist – anders als etwa Šāla neben Adad (→ Adad
Wettergott und Sonnengöttin sind die eigentlichen Eigentümer des Landes. Sie übergeben das Land dem hethitischen König zur Verwaltung, der sie im Rahmen dieses Konzeptes Vater und Mutter nennt (KUB 29, 1-3 [H. Ehelolf, Texte verschiedenen Inhalts vorwiegend aus den Grabungen seit 1931, Keilschrifturkunden aus Boghazköi 29, 1939]; IBoT 1, 30 [H. Bozkurt / M. Çıǧ / H.G. Güterbock, İstanbul Arkeoloji Müzelerinde bulunan Boǧazköy Tabletlerinden Seçme Metinler, Istanbul 1944]//, s. Klinger, 1996, 136f. u. ö. mit Lit.).
Der hethitische König selbst wird gleichsam als Sonnengott seines Landes betrachtet und trägt die Tracht des Sonnengottes des Himmels, mit dem er auch verschiedene Funktionen teilt; der Sonnengott des Himmels seinerseits gilt als Sohn des Wettergottes (später aufgrund hurritischen und babylonischen Einflusses auch andere Filiation) und nimmt in bestimmten Kontexten einen ähnlich hohen oder auch höheren Rang ein als der Wettergott (besonders in den Schwurgötterlisten).
Der Kult des Wettergottes ist weit verbreitet, nahezu 150 Kultorte sind in den schriftlichen Quellen bezeugt. Die Lokalgestalten des Wettergottes werden meist als Söhne des Wettergottes des Himmels betrachtet; die beiden wichtigsten Lokalgestalten, der Wettergott von Nerik und der Wettergott von Ziplanda werden in der Großreichszeit miteinander identifiziert. Dieselbe Einbettung ins Pantheon als Sohngötter erfahren dann auch einige der aspektuell differenzierten Wettergottgestalten (typische Beispiele solcher aspektuell differenzierter Wettergötter sind etwa: Wettergott des Donners, der Wiese, der Person [des Königs], des Marktes, der Armee, des Eides etc.). Manche der Wettergötter dieses Typs etablieren sich als eigene Götter (so etwa Pichaimmi und Pichammi, s. H.G. Güterbock / H.A. Hoffner, The Hittite Dictionary of the Oriental Institute of the University of Chicago, Chicago 1989ff, P 253).
Der am besten bekannte und eigentliche Sohn des Wettergottes ist freilich der (schon hattische) Gott Telipinu, der selbst Züge eines Wettergottes trägt, aber als eigenständige Göttergestalt gesehen und nie mit den Logogrammen für den Wettergott geschrieben wird (→ Wettergott
Als Tochter des Wettergottes gilt die hattische Göttin Inar, die im Illujanka-Mythos eine wichtige Rolle spielt. Die gleichfalls hattische Göttin Zintuchi ist die Enkelin der Sonnengöttin und des Wettergottes. Vater und Großvater des Wettergottes sind im Mythos um den verschwundenen Wettergott bezeugt. Innerhalb eines geschlossenen Kontextes begegnen jedoch höchstens drei Generationen zugleich.
Seit der mittelhethitischen Zeit finden hurritisch-nordsyrische Traditionen zunehmend Eingang in die vom hethitischen Königshaus gepflegte Religion. Tarchun(t) wird mit dem hurritischen Wettergott und Götterkönig → Teššub
3. Handlungsprofil in Mythologie und Ritualistik
Der Wettergott gebietet über Sturm, Gewitter und Regen. Als höchster Gott des Pantheons ist er in besonderer Weise Schutzherr des Königs und des Landes. Er gilt als Himmelsgott und wird seit althethitischer Zeit oft als Wettergott des Himmels bezeichnet.
Der Gott wird bis in die Spätzeit oft selbst theriomorph als Stier dargestellt (Abb. 1), auch wenn in der religiösen Literatur meist selbstverständlich ein anthropomorphes Konzept vorausgesetzt wird; bei anthropomorpher Darstellung bleibt der Stier sein Symboltier (ein Stierpaar zieht den Wagen des Wettergottes wohl nicht erst unter Einfluss des Götterkreises des hurritischen Teššub, doch gibt es auch eine konkurrierende [luwische?] Tradition, nach der Pferde den Wagen des Wettergottes ziehen).
Die Gewalt von Gewitter und Sturm bedeuteten eine Gefährdung für Menschen, Tiere und Feldfrucht; insbesondere der Gewitterdonner wurde (wie auch in Mesopotamien) als Ausdruck des Zorns des Wettergottes gedeutet, der dann in speziellen Gewitterritualen besänftigt werden konnte, darunter auch jenes Ritual, innerhalb dessen der Mythos vom Mondgott, der während des Gewitters in Angst vom Himmel fällt, rezitiert wurde (vgl. auch Mursilis „Sprachlähmung“, die als Folge der vom Wettergott durch den Gewitterdonner bei Mursili II. hervorgerufenen Angst zumindest gedeutet wird, oder die von einem Gewitter des Wettergottes verursachte Krankheit des Uchchaziti von Arzawa).
Als Gott des Regens ist der Wettergott zugleich für das Gedeihen der Vegetation und damit letztlich für den Lebensunterhalt und Wohlstand des Landes verantwortlich. So wird etwa im Rahmen des großen Frühjahrsfestrituals des Königs ein Regenfest für den Wettergott in Ankuwa begangen. Die anatolischen Mythen vom Typ des verschwundenen Gottes, die vor allem, aber nicht ausschließlich mit → Telipinu
Der Illujanka-Mythos, der in das frühjährliche purulli-Fest eingebettet war, deutet das Gedeihen der Vegetation durch die frühjährlichen Regenfälle als Befreiung des Wettergottes aus einer zeitweiligen Gefangenschaft (bzw. physischen Machtlosigkeit in einer zweiten Version des Mythos). Der Wettergott unterliegt dem Schlangendrachen Illujanka im Kampf und wird gefangen gesetzt (bzw. seines Herzen und seiner Augen beraubt). Mit Hilfe seiner Tochter Inar und des Menschen Chupasija gelingt es ihm, sich zu befreien und Illujanka zu töten (erste Version). Durch die Durchführung des Rituals aber gedeiht das Land unter dem Patronat des Wettergottes (alle genannten Mythen in Übersetzung in Hoffner, 1998; zum Illuyanka-Mythos siehe auch → Wettergott
4. Zur Ikonographie
→ Wettergott
Literaturverzeichnis
- Carruba, O., 1972, Beiträge zum Palaischen (PIHANS 31), Leiden
- Green, A.R.W., 2003, The Storm-God in the Ancient Near East (BJS 8), Winona Lake
- Gurney, O., 1983, Rez. H.J. Deighton, 'Weather-God', JRAS 1983, 281-282
- Haas, V., 1985, Rez. H.J. Deighton, 'Weather-God', OLZ 80, 461-463
- Haas, V., 1994, Geschichte der hethitischen Religion (HdO I/15), Leiden u.a.
- Hoffner, H.A., 2. Aufl. 1998, Hittite Myths, Society of Biblical Literature. Writing from the Ancient World 2, Atlanta
- Houwink ten Cate, Ph.H.J., 1992, The Hittite Storm God: His Role and His Rule according to Hittite Cuneiform Sources" in: D.J.W. Meijer (Hg.), Natural Phenomena: Their Meaning, Depiction, and Description in the Ancient Near East, Amsterdam u.a., 83-148
- Klinger, J., 1996, Untersuchungen zur Rekonstruktion der hattischen Kultschicht (StBoT 37), Wiesbaden
- Oettinger, N., 2001, Hethitisch –ima- oder: Wie ein Suffix affektiv werden kann, in: G. Wilhelm (Hg.), Akten des IV. Internationalen Kongresses für Hethitologie (StBoT 45), Wiesbaden, 456-477
- Popko, M., 1995, Religions of Asia Minor, Warsaw
- Schwemer, D., 2001, Die Wettergottgestalten Mesopotamiens und Nordsyriens im Zeitalter der Keilschriftkulturen, Wiesbaden
- Schwemer, D., 2003-2004, Rez. Y. Cohen, Taboos and Prohibitions, AfO 50, 411-412
- Schwemer, D., im Druck, The Storm-Gods of the Ancient Near East: Summary, Synthesis and Recent Studies, JANER
- Starke, F., 1990, Untersuchung zur Stammbildung des keilschrift-luwischen Nomens (StBoT 31), Wiesbaden
- Watanabe, Ch.E., 2002, Animal Symbolism in Mesopotamia. A Contextual Approach (WOO 1), Wien
- Wegner, I., 2002, Hurritische Opferlisten aus hethitischen Festbeschreibungen II (ChS I/3-2), Roma
- Wiggermann, F.A.M., 1992, Mythological Foundations of Nature, in: D.J.W. Meijer (Hg.), Natural Phenomena. Their Meaning, Depiction and Description in the Ancient Near East, Amsterdam u.a., 279-304
- Wilhelm, G., 2001, Das hurritisch-hethitische „Lied der Freilassung“, in: TUAT Ergänzungslieferung, Gütersloh, 82-91
- Zadok, R., 2002, An Achaemenid Queen, Nouvelles Assyriologiques Breves et Utilitaires, 65
Abbildungsverzeichnis
- Der hethitische Wettergott Taru-Tarchun(t) in Stiergestalt. Aus: K. Bittel, Die Hethiter, München 1976, 191 Abb. 214.
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