Tell el-Ḥesī
Andere Schreibweise: Tell el-Hesi; Tall al-Ḥasī; Tell el-Hesy
(erstellt: September 2016)
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1. Lage und Name
Der Siedlungshügel selbst liegt etwa 150 m über NN und erstreckt sich auf maximal 40 ha über Sanddünen am Ufer des Wādī el-Ḥesī. Von der Gesamtfläche entfallen lediglich etwa 4,5 ha auf eine durch Aufschüttungen und Befestigungen im Altertum künstlich erhöhte Akropolis.
2. Identifikation
Tell el-Ḥesī konnte bislang noch nicht zuverlässig mit einem im Alten Testament oder in außerbiblischen Dokumenten genannten Ort identifiziert werden. In der älteren Literatur finden sich zwei Vorschläge: Lachisch und Eglon. Dazu kommt die neuere These, bei Tell el-Ḥesī sei der Taufplatz von Apg 8,26-40
2.1. Lachisch
Die ersten Ausgräber, Sir William Flinders Petrie und Frederick Jones Bliss (s.u. 3.1.), nahmen am Ende des 19. Jahrhunderts einen Vorschlag des britischen Vermessungsingenieurs Claude Reignier Conder auf, der im Rahmen seiner Arbeiten für den „Survey of Western Palestine“ den Siedlungshügel mit Lachisch (u.a. Jos 10
2.2. Eglon
Der Vorschlag, Tell el-Ḥesī mit dem alttestamentlichen Ort Eglon zu verbinden, wurde von William Foxwell Albright aufgebracht (Albright 1924). Einen ersten Anhaltspunkt für diese These bietet die Ruinenstätte Chirbet ‘Aǧlān (Koordinaten: 1237.1089; N 31° 34' 17'', E 34° 43' 25''
2.3. Taufplatz von Apg 8
Zuletzt wurde erwogen, Tell el-Ḥesī mit dem Platz zu identifizieren, an dem Philippus einen äthiopischen Hofbeamten tauft (Apg 8,26-40
3. Geschichte
3.1. Grabungen
Da Tell el-Ḥesī nicht mit einem aus antiken literarischen Dokumenten bekannten Ort zu identifizieren ist, muss die Geschichte allein aufgrund des archäologischen Befunds beschrieben werden. Auf dem Siedlungshügel fanden erstmals 1890 bis 1892 Ausgrabungen statt, zunächst unter dem britischen Archäologen Sir William Flinders Petrie (1890), danach unter seinem amerikanischen Kollegen Frederick Jones Bliss (1891-1892). Die Arbeiten sind wissenschaftsgeschichtlich bemerkenswert. Erstmals wurde in Palästina die von Petrie entwickelte stratigraphische Ausgrabungsmethode angewandt, die bis heute die methodische Grundlage jeder wissenschaftlich fundierten Grabung an Siedlungsplätzen darstellt, die über längere Zeit genutzt wurden (→ Tell
Nach den bislang vorliegenden Befunden wurde der Siedlungshügel mit wenigen Unterbrechungen von der Steinzeit bis in die jüngste Vergangenheit genutzt (vgl. Tabelle bei Blakely u.a. 2007, 136f). Aus der Altsteinzeit (Paläolithikum) und aus der Jungsteinzeit (Neolithikum) sind Steinwerkzeuge dokumentiert, aus der Kupfersteinzeit (Chalkolithikum, 4. Jt. v. Chr.) einige steingefasste Strukturen, die als Teile von Vorratsgruben gedeutet werden. Die Hauptsiedlungsphasen lagen in der Frühbronzezeit (3. Jt. v. Chr.) und in der Eisenzeit II (9.-6. Jh. v. Chr.).
3.2. Bronzezeit
Erste Siedlungsspuren aus der Frühbronzezeit I und II (Ende 4. / Anfang 3. Jt. v. Chr.) sind von der Akropolis dokumentiert. In der Frühbronzezeit III (ca. 2700-2200 v. Chr.) war auch die Unterstadt bebaut und mit einer etwa 5 m breiten Mauer aus Lehmziegeln umgeben. Die mit Türmen verstärkte Mauer ist auf 82 m im Süden und auf 95 m im Osten der Anlage nachgewiesen. Tell el-Ḥesī war demnach Teil einer ersten urbanen Kultur in Palästina, die um die Mitte des 3. Jt.s v. Chr. aufkam und zu der im Süden des Landes u.a. die frühbronzezeitlichen Stadtanlagen von → Arad
Aus der Mittelbronzezeit (ca. 2000-1550 v. Chr.) sind lediglich einige Gefäßscherben belegt. Hinweise auf Wohnbebauung fehlen.
In der Spätbronzezeit (15.-12. Jh. v. Chr.) wurde Tell el-Ḥesī wieder intensiver genutzt, da der Platz offenbar für die Hegemonialmacht Ägypten von Interesse war. Auf Verbindungen nach Ägypten weist eine auf dem Tell gefundene Keilschrifttafel im Stil der → Amarnabriefe
3.3. Eisenzeit
Eine Siedlungstätigkeit während der → Eisenzeit I
Der Plan von Tell el-Ḥesī im 9./8. Jh. v. Chr. mit der äußeren und inneren Befestigungsmauer und den Pfeilerhäusern auf der Akropolis zeigt Ähnlichkeiten mit dem Aufbau der Stadt Lachisch zur gleichen Zeit. Lachisch ist allerdings großzügiger angelegt und auch durch Grabungen besser dokumentiert. Lachisch wird mit guten Gründen als repräsentativ befestigte Stadt an der Westgrenze Judas zum philistäischen Gebiet hin interpretiert. Umstritten ist dagegen, ob Tell el-Ḥesī und einige ähnliche befestigte Stützpunkte, die nördlich und südlich dieses Siedlungshügels liegen, als vorgeschobene Außenposten Judas zum Schutz der Stadt Lachisch oder aber als philistäische Stützpunkte gegen Juda hin zu verstehen sind (vgl. die Diskussion bei Blakely u.a. 2007). Häufig wird die geomorphologische Grenze zwischen der Schefela und der Küstenebene, die zwischen Lachisch im Osten und Tell el-Ḥesī im Westen verläuft, auch als Grenze zwischen Juda und den Territorien der philistäischen Städte verstanden. Daher werden Orte wie Tell el-Ḥesī und seine nördlichen bzw. südlichen Nachbarn nicht mehr zu Juda gerechnet. Ob allerdings im Altertum politische Grenzen immer natürlichen Einschnitten folgten und ob solche politischen Grenzen überhaupt eindeutig zu beschreiben sind, erscheint fraglich. Blakely u.a. interpretieren den archäologischen Befund von Tell el-Ḥesī in dem Sinn, dass der Ort zum „judäischen Wirtschafts- und Militärsystem[s]“ gehörte (Blakely u.a. 2007, 159). Sie berufen sich dabei v.a. auf die Ähnlichkeiten zu Lachisch. Dieses Argument ist jedoch kaum überzeugend, da der Aufbau von Lachisch einem Muster folgte, dass für viele Städte der Levante in der Eisenzeit II leitend war und das etwa auch in nordsyrischen Orten des 9.-7. Jh.s v. Chr. zu finden ist. Am ehesten könnte der Befund so interpretiert werden, dass Tell el-Ḥesī in einer Region lag, deren territoriale Zugehörigkeit in der Zeit der assyrischen Oberherrschaft (8.-7. Jh. v. Chr.) häufiger zwischen Juda und den philistäischen Städten wechselte. Zumindest weisen Dokumente aus der Zeit → Sanheribs
Aus dem 7. und 6. Jh. v. Chr. sind von Tell el-Ḥesī nur noch wenige einfache Wohngebäude und landwirtschaftliche Einrichtungen dokumentiert. Erwähnenswert ist eine mit einem Namenssiegel gestempelte Bulle aus dem 6. Jh. v. Chr. (Keel / Küchler, 930 Abb. 632). Mit dem Niedergang bzw. dem Ende der assyrischen Hegemonialmacht scheint der Ort seine vormalige strategische und wirtschaftliche Bedeutung weitgehend eingebüßt zu haben.
3.4. Nacheisenzeitliche Besiedlung
In persischer Zeit (5./4. Jh. v. Chr.) wurde auf der Plattform der Akropolis nochmals ein Gebäude errichtet, das aus Kasemattenräumen um einen offenen Hof bestand und als eine Art Zitadelle gedeutet werden kann. Außerdem sind Vorratsgruben von 1-2 m Durchmesser nachgewiesen. Am südlichen Abhang der Akropolis wurden einige Gräber entdeckt. Auf überregionale Verbindungen weist die Fülle attischer Importkeramik. Tell el-Ḥesī war vermutlich ein logistischer Stützpunkt für militärische Expeditionen nach Ägypten, welche die persischen Großkönige regelmäßig durchführen ließen.
In hellenistischer Zeit (ab dem ausgehenden 4. Jh. v. Chr.) wurde der Platz ausweislich der spärlichen Wohnbebauung und vereinzelter Vorratsgruben nur noch für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Ähnliches dürfte für die römische Zeit (ab dem 1. Jh. v. Chr.) gelten, aus der lediglich etwas Keramik dokumentiert ist.
In der Epoche der osmanischen Herrschaft (ab dem 16. Jh. n. Chr.) diente Tell el-Ḥesī offenbar als Begräbnisplatz. Aus der Zeit zwischen 1600 und 1800 n. Chr. sind über 800 Gräber nachgewiesen.
Die strategische Bedeutung des Orts wurde nochmals im 20. Jahrhundert genutzt, als israelische Streitkräfte im Krieg von 1948 hier eine Stellung errichteten.
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Tell el-Ḥesī. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Tell el-Ḥesī. Aus: Wikimedia Commons; © Guy Gotlib, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0 unported; Zugriff 28.9.2016
- Pfeilerhäuser auf Tell el-Ḥesī. Aus: H. Weippert / M. Weippert, Dreischiffige Pfeilerhallen in der Eisenzeit, ZDPV 130 (2014), 1-42, 13 Abb. 6; mit freundlicher Erlaubnis von © Helga und Manfred Weippert
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