Tell es-Sa‘īdīje
Andere Schreibweise: Tell es-Sa‘īdīye, Tell es-Sa‘idiyeh, Tell es-Saidije, Tall as-Sa‘īdiya
(erstellt: Juni 2021)
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1. Lage und Ausgrabungsgeschichte
Der Siedlungshügel Tell es-Sa‘īdīje (Koordinaten: 2046.1861; N 32° 16' 05'', E 35° 34' 36''
Erste archäologische Untersuchungen des Tell es-Sa‘īdīje begannen in den 1940iger Jahren durch N. Glueck (1942). Bereits 1953 wurde eine Testgrabung von H. de Contenson durchgeführt. Großflächige Ausgrabungen konnten aber erst 1964 unter Leitung von J.B. Pritchard aufgenommen werden. Es folgten drei Kampagnen, bevor der israelisch-arabische Krieg 1967 die Weiterarbeit unmöglich machte. Die Arbeiten wurden erst 1985 unter der Leitung von J.N. Tubb im Auftrag des British Museums wiederaufgenommen und bis 2007 fortgeführt.
2. Name und Identifikation
Die heutige Bezeichnung lässt keine Schlussfolgerungen auf den antiken Namen dieses Ortes zu. Für eine Identifikation dieses Hügels mit einer biblischen Stadt stehen aufgrund der Lokalisation am Ostufer des zentralen Jordantals drei Kandidaten zur Verfügung: Zafon (Jos 13,27
2.1. Zafon
Schon im Jahr 1926 schlug W.F. Albright auf der Basis von Ri 12,1
Dieser Meinung schlossen sich auch F.-M. Abel und Y. Aharoni an.
2.2. Zaretan
Für eine Gleichsetzung mit dem biblischen Zaretan sprach sich N. Glueck (1943) aus. Auf der Grundlage der Identifikation des Tell ed-Dāmieh mit Adamah und der Distanz von 12 km zwischen beiden Orten (eine Distanz, die von Rabbi Johanan im Jerusalemer → Talmud
Glueck war sich auch sicher, dass dieser bedeutende Tell in biblischen Zeiten allgemein bekannt gewesen sei. Das bedeute aber nicht, dass der Name auch in den biblischen Texten auftauchen müsse (nach Glueck taucht er als Zaretan auf).
2.3. Sukkot
Nur M. Ottosson sprach sich, allerdings mit großem Vorbehalt, für → Sukkot
Die durchgeführten Ausgrabungen ergaben keine Anhaltspunkte für eine eindeutige Identifikation, sodass die Frage der biblischen Namensgebung des Tell es-Sa‘īdīje letztlich offenbleiben muss.
3. Besiedlungsphasen
Die Siedlungsgeschichte des Tell es-Sa‘īdīje beginnt im Chalkolithikum, im 4. Jt. v. Chr., und reicht bis in die römische Zeit.
3.1. Frühe Bronzezeit
In der Frühen Bronzezeit scheint es sich um eine Ansiedlung mit beträchtlicher Größe gehandelt zu haben. An zwei Stellen des Tells wurden Reste einer Stadtmauer freigelegt. Dabei konnten insgesamt vier Schichten frühbronzezeitlicher Besiedlungen identifiziert werden. Eine Reihe von Lehmziegelplattformen mit eingetieften Kanälen, in den Boden eingelassene Becken, eine Vielzahl verbrannter botanischer Überreste und spezielle Keramikformen liefern Hinweise auf eine industrielle Wein- und Olivenöl-Verarbeitung. Die Siedlung wurde am Ende der Frühen Bronzezeit II (ca. 2700 v. Chr.) zerstört. Auch der Nordwestbereich des kleineren, westlichen Tells war während der Frühen Bronzezeit besiedelt. Dieses Gebiet wurde später, während der Späten Bronzezeit und Eisenzeit I, als Friedhof genutzt.
3.2. Späte Bronzezeit
3.2.1. Die Siedlung
Tell es-Sa‘īdīje scheint ähnlich wie → Bet-Schean
3.2.2. Der Friedhof
Von außergewöhnlicher Bedeutung war die Nekropole in Areal FF auf dem westlichen Hügel. Dort wurden 45 Gräber, mehrheitlich mit Einzelbestattungen, freigelegt. Sie stammen aus dem 13. und 12. Jh. v. Chr. Das zuerst entdeckte Grab (101) war zugleich das mit den reichsten Funden. Darunter befanden sich Elfenbein-, Karneol-, Elektrum-, Silber- und besonders Bronzeobjekte von herausragender Qualität. Auch ein Wein-Set – allerdings nicht so gut erhalten, wie ein vergleichbares aus Grab 32 – war einem der Verstorbenen mitgegeben worden.
Bei zwei Gräbern von Kindern (104 und 126) wurden Gefäße mit durchbohrtem Boden gefunden, deren Fundlage darauf schließen lässt, dass ihr oberer Teil nach der Bestattung aus dem Boden herausragte. Sie dienten vermutlich als Grab-Marker. Pritchard sah darin einen Beleg dafür, dass die Angehörigen ihren Verstorbenen auch über den Tod hinaus Verehrung und Libationen zukommen ließen. Insgesamt spiegeln die Beigaben eine kosmopolitische Gesellschaft mit Einflüssen aus Ägypten, Zypern und der mykenischen Welt wider.
Bei späteren Ausgrabungen während der 1980iger Jahre wurden südlich des Areals FF, im zentraleren Bereich CC, 420 weitere Bestattungen freigelegt. Bei diesen – ebenfalls mehrheitlich aus dem 13. und 12. Jh. v. Chr. stammenden Gräbern – waren der Grabbau, die Anlage der → Gräber
Einige Fundumstände sprechen dafür, dass die Bevölkerung des Tell es-Sa‘īdīje im 13. und 12. Jh. v. Chr. stark von Einflüssen aus der Küstenebene geprägt war (z.B. Bestattungen in Doppel-Pithoi, ein hoher Anteil an Imitationen von Gefäßen der Gattung Mykenisch IIIB, eine große Anzahl an Metallgegenständen und der Gebrauch von Bitumen zur „Mumifizierung“ der Toten). Besonders die ungewöhnlichen Bestattungen in Doppel-Pithoi sprechen für eine Gruppe innerhalb der Bevölkerung, die den → „Seevölkern
Gleichzeitig zeigte sich im Bereich der Grabbeigaben und Bestattungssitten ein erhöhter ägyptischer Einfluss (Skarabäen, Fayence-Funde, Umwicklung der Toten mit ägyptischem Leinen). Sicherlich ist in dieser Zeit von der Anwesenheit fremder Gruppen innerhalb der Bevölkerung der ägyptisch kontrollierten Städte auszugehen.
3.3. Eisenzeit I
Die eisen-I-zeitliche Stadt des Stratums XII bestand aus einer Reihe von Wohnhäusern mit einer zentralen, von Ost nach West verlaufenden Straße. Die Keramik stammt aus der → Eisenzeit I
Das dominierende Merkmal des Haupthügels ist eine eisenzeitliche Steintreppe (Bereich GG, Stratum XII), welche vom Fuß des Tells hinauf zur Stadt führt. Sie war überdacht und stellte so einen verborgenen Zugang zur am Fuß des Hügels gelegenen Quelle dar. In Kriegszeiten war sie überlebenswichtig. In einer Tiefe von beinahe 8 m unter der damaligen Oberfläche erweitern sich die Seitenwände der Treppe zu einem nicht ganz runden Auffangbecken. Durch einen Kanal in dessen Außenwand floss das Wasser der nahegelegenen Quelle hinein und konnte von den Bewohnern geschöpft werden. Ein zweiter Kanal in der gegenüberliegenden Wand diente als Abfluss, sodass das Wasser immer in Bewegung blieb und so nicht faulte.
Datiert wird dieses Wassersystem in die Eisenzeit I. Die überzeugendsten Parallelen zu solch einer Anlage stammen aus Mykene und Tyrins.
Nach der gewaltsamen Zerstörung der eisen-I-zeitlichen Stadt um das Jahr 1150 v. Chr. scheint der Tell fast ein Jahrhundert lang unbewohnt geblieben und erst gegen Ende des 11. Jh.s v. Chr. neu besiedelt worden zu sein, allerdings in sehr viel bescheidenerem Ausmaß und auf das Zentrum des Tells beschränkt.
3.4. Eisenzeit II
Während des 10. und 9. Jh.s v. Chr. blieb die Besiedlungsdichte auf dem Tell es-Sa‘īdīje gering (→ Eisenzeit II
Erst zu Beginn des 8. Jh.s v. Chr. lässt sich wieder eine umfangreiche Bautätigkeit feststellen, die auch eine Stadtmauer einschloss. Während der Eisenzeit IIB erreichte die Stadt ihre größte räumliche Ausdehnung und damit vermutlich auch ihre höchste Bevölkerungszahl. Die meisten Häuser waren im Stil eines sog. „Dreiraumhauses“ angelegt (→ Haus
3.5. Perserzeit
Auf dem höchsten Punkt des Tells, der sog. Akropolis, ließ sich eine dörfliche Besiedlung von der Perserzeit bis in die römische Zeit nachweisen. Ein festungsartiger quadratischer Bau („assyrischer Hofhausstil“) vom Ende der Eisenzeit III (ca. 520-332 v. Chr.) blieb vermutlich unvollendet. Auch Teile des Friedhofs auf dem unteren Tell wurden in der Perserzeit wieder belegt. Die durchaus reichen Grabbeigaben sprechen für eine kleine, aber wohlhabende Bewohnerschaft.
3.6. Hellenistische Zeit
Auf der „Palastruine“ aus der Perserzeit wurde in hellenistischer Zeit ein öffentliches Gebäude – ebenfalls mit festungsartigem Charakter – errichtet. Ein herausragender Fund aus diesem Gebäude ist ein kleiner 6 cm hoher Räucher-Altar aus Kalkstein. Er war auf allen Seiten mit geometrischen Mustern dekoriert. Auf einer Seite waren 5 hebräische Buchstaben eingeritzt (von Pritchard gelesen: l-j-k-n-u „dem Jakinu gehörend“). Möglich wäre, dass es sich bei diesem Domizil um den Sitz eines Großgrundbesitzers oder eines lokalen Machthabers handelte.
3.7. Römische Zeit
In römischer Zeit spiegelt sich die verbliebene strategische Bedeutung des Tells in seiner Nutzung wider. Neben einem Wachturm scheint es auch eine kleine Siedlung gegeben zu haben. Auf der Akropolis des Tells wurden zwei verputzte Wasserreservoire gefunden, bei denen es sich vermutlich um Zisternen handelte, eventuell bei einer der beiden sogar um ein rituelles Bad (Mikwe) aus hasmonäisch-herodianischer Zeit.
Insgesamt teilte der Tell es-Sa‘īdīje das Schicksal der frühen großen Städte im Jordantal: In der persischen Zeit verlor er seinen urbanen Charakter. Mit der hellenistisch-römischen Zeit verlagerte sich die Besiedlung hin zu den Dekapolis-Städten bzw. der Ammonitis. Auch die Verkehrswege veränderten sich. Sie verliefen nun auch auf der westlichen Seite des Jordans sowie auf dem ostjordanischen Plateau. Durch neue Irrigationstechniken abseits der großen Wadis und Wasserquellen verlor der Tell seine Bedeutung und konnte nicht mehr zu großer Blüte gelangen.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Jerusalem 1993
2. Weitere Literatur
- Albright, W.F., 1924f., The Jordan Valley in the Bronze Age, AASOR 6, 13-74 (46-47)
- de Contenson, H., 1960, Three Soundings in the Jordan Valley, ADAJ 4, 12-99 (49-56)
- Glueck, N., 1943, Three Israelite Towns in the Jordan Valley. Zarethan, Succoth, Zaphon, BASOR 90, 2-23
- Glueck, N., 1951, Explorations in Eastern Palestine IV (AASOR 25), New Haven (290-295.345-347)
- Ottosson, M., 1969, Gilead. Tradition and History, Lund
- Pritchard, J.B., 1964, Excavation at Tell es-Sa‘idiyeh (Preliminary Report), ADAJ 8, 95-98
- Pritchard, J.B., 1968, The Palace of Tell es-Sa‘idiyeh, PennMuseum Expedition Magazine 11.1, 20-22
- Pritchard, J.B., 1980, The Cemetery at Tell es-Sa‘idiyeh, Jordan, Philadelphia
- Pritchard, J.B., 1983, A Mid-Jordan Valley Culture of the Late Iron and Persian Periods at Tell es-Sa‘idiyeh, ADAJ 27, 645-646
- Pritchard, J.B., 1985, Tell es- Sa‘idiyeh. Excavations on the Tell, 1964-1966, Philadelphia
- Pritchard, J.B. / Tubb, J.N., 1993, Art. Tell es-Sa‘idiyeh, in: NEAEHL 4, Jerusalem, 1295-1300
- Reich, R., 2013, Miqwa’ot (Jewish Ritual Baths) in the Second Temple, Mishnaic and Talmudic Periods, Jerusalem (318-319)
- Tubb, J.N., 1988, Tell es-Sa‘idiyeh. Preliminary Report on the First Three Seasons of Renewed Excavation, Levant 20, 23-88
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- Tubb, J.N., 2005, Völker im Lande Kanaan, Stuttgart
- Tubb, J.N. / Dorell, P.G., 1991, Tell es-Sa‘idiyeh. Interim Report on the Fifth (1990) Season of Excavations, Levant 23, 67-86
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- Tubb, J.N. u.a., 1997, Interim Report on the 9th Season of Excavations at Tell es-Sa‘idiyeh, Palestine Exploration Quarterly 129, 54-76
- Weippert, H., 1981, Rezension zu Pritchard Cemetery, ZDPV 97, 116-120
- Weippert, H., 1989, Rezension zu Pritchard, ZDPV 105, 189-195
Abbildungsverzeichnis
- Blick über den Tell es-Sa‘īdīje (Richtung Osten). Mit Dank an © Biblisch-Archäologisches Institut, Wuppertal / Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft, Jerusalem
- Plan des Tells mit Ausgrabungsarealen (grau = Friedhof). Zeichnung © Katja Soennecken nach Tubb / Dorell 1991, 68
- Karte zu Tell es-Sa’īdīje und seiner Umgebung. © Katja Soennecken
- Blick auf den Friedhof im Ausgrabungsbereich FF. Mit Dank an © Biblisch-Archäologisches Institut, Wuppertal / Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft, Jerusalem
- Bronzenes Wein-Set aus Grab 32 (Späte Bronzezeit). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; BM 1985,0714.54 lizenziert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International ; Zugriff 4.1.2021 - Steintreppe aus Stratum XII am Nordhang des Tells (Eisenzeit I). Mit Dank an © Biblisch-Archäologisches Institut, Wuppertal / Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft, Jerusalem
- Quelle und Wasserreservoir am Nordhang des Tells. Mit Dank an © Biblisch-Archäologisches Institut, Wuppertal / Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft, Jerusalem
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