Tell Halaf
(erstellt: April 2020)
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1. Lage
2. Ausgrabungen
Erst 77 Jahre nach den Grabungen durch von Oppenheim wurden die Ausgrabungen 2006-2010 in einem syrisch-deutsch-schweizerischen Gemeinschaftsprojekt fortgesetzt. Ergebnisse dieser neueren Ausgrabungen zeigen, dass der West-Palast aus dem 10. Jh. v. Chr. nicht (wie bislang behauptet) auf einem früheren Gebäude (sog. „Altbau“) steht, sondern auf neuen, massiven Fundamenten erbaut wurde (Martin 2018, 389; Younger 2018, 507). Ob die kleinen Orthostaten von König Kapara oder von einem seiner Nachfolger neu geschaffen wurden, bleibt unklar.
Der Nord-Palast stammt nicht von Kapara. Bei ihm handelt es sich vielmehr um die Residenz eines späteren Statthalters (Martin 2018, 390). Dass auch die Unterstadt bewohnt war, belegen Schriftdokumente aus einem dortigen Wohnhaus (Martin 2018, 391). Aus den neuen Ausgrabungen (Baghdo u.a. 2009, 2012) stammen Rollsiegel (z.B. aus dem südlichen Anbau des Nordost-Palastes: Elsen-Novák in Baghdo u.a. 2012) und Fragmente von Orthostaten (Baghdo u.a. 2012; Cholidis / Martin 2010, 126).
3. Geschichte
4. Materielle Kultur und Bilder
4.1. Architektur
4.2. Bildliche Darstellungen
Zeugnisse der Bildkunst in Guzana sind vor allem Statuen und Orthostatenreliefs aus dunkelgrauem Basalt, viele mit Augen aus weißem Kalkstein, vgl. Moortgat 1955 (woran sich die im Folgenden verwendete Nummerierung orientiert); auch Orthmann (2002); Cholidis / Martin (2010) (mit neuen Katalognummern).
Tell Halaf Band III (Moortgat 1955) Nummer: A, 1-2 Grabfiguren (Lehmziegelmassiv), A3, 1-178 Kleine Orthostaten; Ba, 1-7 Große Orthostaten; Bb, 1-8 Leibungsskulpturen; Bc, 1-6 Große Trägerfiguren Hilani-Eingang; Bd, 1-4 Weitere Bildwerke; C, 1-2 Bildwerk aus dem sogenannten Kultraum; D, 1-9 Verschiedenes aus aramäischer Zeit; E, 1-2 Assyrische Fragmente.
Die Krieger im Jagd- bzw. Streitwagen auf den Orthostatenreliefs (A3, 2-33, 56-59) haben keine eindeutig königlichen Attribute, nur bei der Darstellung eines Mannes, der eine Blüte in der Hand hält und auf einem Thron links neben einer Flügelsonne, einem wichtigen Königssymbol, sitzt (A3, 171), dürfte es sich um einen König handeln.
Das Skorpiontor erhielt seinen Namen von zwei dort gefundenen großen Skulpturen, die beide ein Mischwesen darstellen: Sie haben menschliche Köpfe, Federn und Skorpionschwänze.
Ein Relief bietet die frontale Darstellung eines Gottes (A3, 1) mit → Hörnern
An Kleinfunden (Hrouda 1962) gibt es vom Tell Halaf z.B. Figürchen aus Metall, Stein, Elfenbein und Ton, Rollsiegel und Stempelsiegel, an Schmuck Halsketten, Ringe und Kleiderbesatz, ferner Geräte und Waffen, Lampen und Gefäße.
Die bildlichen Darstellungen von Tell Halaf werden z.B. von Tubb (2016, 134) als „etwas naiv” charakterisiert, sollten aber in ihrer Einzigartigkeit wahrgenommen werden. Sie belegen in einer eigenständigen lokalen Ausprägung eine Mischung sehr verschiedener Kulturen: Hethiter, Mitanni, Assyrien und Levante.
Als Beispiel für die Bildkunst vom Tell Halaf darf auch die oben erwähnte, 2 m hohe Statue vom Tell Feḫerīje (Abb. 5) herangezogen werden. Sie zeigt einen lokalen Fürsten bzw. Statthalter in assyrischem Stil mit den Händen im Gebetsgestus, mit gewelltem Haar und Bart, kurzärmeliger Tunika und Sandalen mit Riemen, jedoch ohne Krone, Abzeichen und Schmuck.
5. Inschriften
Auf dem Tell Halaf wurden akkadische und aramäische Texte gefunden. An den großen Statuen im Eingangsbereich des West-Palastes befinden sich mehrere Inschriften in akkadischer Sprache (Meißner 1933), wie z.B.: „Ich bin Kapara, der Sohn des Chadianu. Was mein Vater und mein Großvater, nicht taten, habe ich getan. Wer meinen Namen tilgt und seinen Namen hinsetzt ....“ (Schwemer 2001, 616).
Auf dem großen Orthostaten und auf Reliefs findet sich die Inschrift „Palast des Kapara, des Sohnes des Chadinau.“ Auf 174 der kleinen Orthostaten finden sich acht verschiedene akkadische Inschriften, von denen zwei Texte sehr häufig vorkommen: „Tempel des Wettergottes“ und „Palast des Kapara, der Sohnes des Chadinau“ (Cholidis / Martin 2010, 183-195).
Eine kopflose Statue zeigt den Schreiber Kammaki mit einem Becher in der Hand und eine akkadische Inschrift (Röllig 2003). Auf einem Sockel befindet sich eine nicht gut lesbare aramäische Inschrift (vielleicht: „Das ist das Bild …“). Weiter gibt es Tontafeln: zwei aramäische Dockets (Martin 2018, Abb. 10; 2010 gefunden), vor allem aber das Archiv des Statthalters Mannu-ki-mat-Assur. An der Statue von Tell Feḫerīje (Abb. 5) findet sich eine → Bilingue
6. Religion und Kult
Wie es keine einheitliche aramäische Bildwelt gab, so gab es auch keine alle aramäischen Staaten verbindende Religion (Niehr 2014, 127). Mythen sind uns nicht überliefert. Inschriften auf den Monumenten nennen → Adad / Hadad
a) → Adad
“Du (und) die Leute deines Landes, weint drei Tage lang vor Adad Tränen des Angesichts! Betet! Reinigt euer Land (und) eure Flur! Verbrennt Brandopfer! Man soll den Reinigungsritus dort, wo dein Feind ist, durchführen! Erfüllt den Wunsch des Adad! Am ersten Tag soll man es durchführen.” (Schwemer 2001, 616-617).
Ikonographisch ist der Wettergott von dem schon erwähnten Orthostaten bekannt (Abb. 14). Er erscheint en face mit Hörnerkrone und Waffen. Inschriften nennen den „Tempel des Wettergottes“. Wo sich dieser Tempel befand, ist unklar; vielleicht in Guzana selbst oder im nahen Sikani (Tell Feḫerīje). Die dort gefundene Statue war vor dem Wettergott Hadad aufgestellt und zeigt den Herrscher als Beter. Die Inschrift belegt die Vorstellung, dass der Wettergott in Guzana und Sikani wohnt und dass er als Herr des Chaburflusses galt. Zudem nennt sie die Göttin Schuwala und den Gott Nergal aus Assyrien. Die aramäische Fassung lautet:
1 Die Statue des Hadajisi, die er vor Hadad von Sikani, 2 dem Kanalinspektor des Himmels und der Erde, der Reichtum hinabschickt und der 3 allen Ländern 2 Weide 3 und Tränke 2 gibt und der 4 allen Göttern, seinen Brüdern, 3 Ruhe und Opfergaben gibt, 4 dem Kanalinspektor aller Flüsse, der 5 allen Ländern 4 Wohlstand verleiht, 5 dem barmherzigen Gott, zu dem es gut ist zu beten, der 6 in Sikani 5 wohnt, 6 dem großen Herrn .” (TUAT III, 636).
b) Der Sonnengott ist auf einem großen und einem kleinen Orthostaten im Bild der Flügelsonne dargestellt (Abb. 8).
c) Indizien für einen Ahnenkult gibt es in Grüften und Begräbnistempeln. Die Statue einer Frau mit Opferbecher (Abb. 10) ist wohl im Kontext des Ahnenkultes zu verstehen. Bei dem „Lehmziegelmassiv“, in dem sie entdeckt wurde, handelt es sich wohl um eine Totenkultanlage, wofür Grabbeigaben und Reste von Einäscherungen sprechen, die darin gefunden wurden. Auch die riesigen Statuen vom Eingang des West-Palastes (Abb. 7) sind kaum als Gottheiten, sondern vielleicht als Ahnen zu verstehen, da deutliche Götterattribute fehlen (Gilibert 2013).
7. Tell Halaf und das Alte Testament
7.1. Die Stadt Guzana wird im Alten Testament unter dem Namen Gosan (גּוֹזָן gôzān) erwähnt. Die insgesamt fünf Belege finden sich in zwei sachlichen Kontexten. Nach der Eroberung Samarias durch den assyrischen König Sargon II. im Jahr 722 v. Chr. wurden die Israeliten an den Fluss von Gosan deportiert (2Kön 17,6
Und im neunten Jahr Hoscheas eroberte der König von Assyrien Samaria und führte Israel weg nach Assyrien und ließ sie wohnen in Halach und am Habor, dem Fluss von Gosan, und in den Städten der Meder (2Kön 17,6
Im Zusammenhang mit der assyrischen Bedrohung Jerusalems unter Sanherib spottet der assyrische König darüber, dass auch die Leute von Gosan nicht von ihrem Gott gerettet wurden (Jes 37,12
Haben die Götter der Völker, die von meinen Vätern vernichtet wurden, sie errettet: Gosan, Haran, Rezef und die Leute von Eden, das in Telassar liegt?
7.2. In Jes 6,2
Zwei Orthostaten (Ba, 2 und A3, 171 = Abb. 8) zeigen den Thron des Sonnengottes von Stiermenschen getragen, die Keel (2007, 302-303 mit Abb. 188-189) mit den Beschreibungen der Thronvision in Ez 1 vergleicht.
7.3. Die aramäische Inschrift der Statue vom benachbarten Tell Feḫerīje (Abb. 5) enthält aramäische Begriffe, die zur Klärung alttestamentlicher Begriffe beitragen können (TUAT III, 634-637; vgl. Millard / Bordreuil 1982, 140): מעדן m‘dn „der, der reich macht“ (Zeile 4) kann mit גַּן־עֵדֶן gan ‘edæn „Garten Eden“ (Gen 2-3) verglichen werden. Die Begriffe דמות dmwt „Statue“ (Zeile 1.15) und צלם ṣlm „Statue“ (Zeile 12.16) sind die Begriffe, die in Gen 1,26 im Zusammenhang der Vorstellung von der → Gottebenbildlichkeit
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- Tell Halaf im Kontext der Aramäerstaaten. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Der Tell Halaf. © Tell Halaf-Grabungsprojekt, Foto: Günther Mirsch; mit freundlicher Erlaubnis von Lutz Martin
- Die Ausgrabungen von Tell Halaf. Max von Oppenheim, Tell Halaf, 1912
- Keramik der Halaf-Zeit (6000-5300 v. Chr.) von Tell Arpachiyah. Aus: Wikimedia Commons; © Zunkir, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International ; Zugriff 17.1.2020 - Statue aus Tell Feḫerīje (9. Jh. v. Chr.). © Tell Feḫeriye Project (www.fecheriye.de
); mit freundlicher Erlaubnis von Dominik Bonatz - Plan zu Tell Halaf. © Tell Halaf-Grabungsprojekt; mit freundlicher Erlaubnis von Lutz Martin
- Eingang des West-Palastes mit Monumentalskulpturen (Replik im Eingang des Museums von Aleppo). Aus: Wikimedia Commons; © Ian Scott, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative-Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 2.5 generic (US-amerikanisch); Zugriff 16.1.2020 - Orthostat aus dem West-Palast: Geflügelte Sonne über einem von zwei Stiermenschen gehaltenen Thron (Basalt; frühes 9. Jh. v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; © Ziegler175, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 3.0 unported ; Zugriff 16.1.2020 - Großer Vogel auf Säulenkapitell (Basalt; frühes 9. Jh. v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; Genealogist, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative Commons
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-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International ; Zugriff 16.1.2020 - Sitzendes Paar (Basalt; frühes 9. Jh. v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; © Einsamer Schütze, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International ; Zugriff 16.1.2020 - Stehender Mann (Basalt; frühes 9. Jh. v. Chr). Aus: Wikimedia Commons; © Kpisimon, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 3.0 unported ; Zugriff 16.1.2020 - Kleine Orthostaten in Berlin (Basalt und Kalkstein; frühes 9. Jh. v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; © Z thomas, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 3.0 unported ; Zugriff 16.1.2020 - Der Wettergott (Basaltrelief; 9. Jh. v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; © Zde, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative Commons
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