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Andere Schreibweise: Teššob; Teššup; fälschlich auch Tešub; Tešup

(erstellt: Juni 2006)

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Teššub ist der hurritische → Wettergott, der als Götterkönig an der Spitze des hurritischen Pantheons thront.

1. Name und Frühgeschichte

Der Name des hurritischen Wettergottes Teššub (nach der Orthographie des Mitanni-Briefes streng genommen als Teššob anzusetzen, im Onomastikon begegnet die Variantenform Teššoba) entzieht sich einer Etymologie, mag aber genuin hurritisch sein. Teššub lässt sich zuerst in hurritischen Personennamen der Ur III-Zeit und der altbabylonischen Epoche nachweisen. Der erste Beleg für den Gott selbst begegnet in der hurritischen Inschrift des Tiš-adal von Urkeš (Ur III-zeitlich), wo der Name des Gottes bereits logographisch (dIŠKUR) geschrieben ist.

Über die Geschichte des Gottes vor der Ansiedlung hurritischer Fürstenhäuser im obermesopotamischen Raum ist nichts bekannt. Teššub gehört sicher zum alten hurritischen Pantheon und teilt mit dem erst im 1. Jt. bezeugten urartäischen Wettergott Teišeba dieselben Wurzeln. Teššub steht wohl seit alters als Götterkönig an der Spitze des hurritischen Pantheons. Die Annahme, die Position als Götterkönig sei ihm erst durch den Synkretismus mit dem obermesopotamischen Haddu zugewachsen, bleibt ohne überzeugenden Nachweis. Die Tatsache, dass Teišeba im urartäischen Pantheon nur den zweiten Rang nach Chaldi einnimmt, ist sekundären Entwicklungen geschuldet.

2. Verbreitung des Kultes

Der Hauptkultort des Teššub war das wohl im Tal des östlichen Chābūr gelegene Kumme. Der Name Kumme darf vielleicht hurritisch gedeutet werden (akkadisiert Kummu(m), hethitisiert Kummija), was für eine auch schon ursprünglich hurritische Prägung des Heiligtums spräche. Das Heiligtum lässt sich in den Quellen von der altbabylonischen bis in die neuassyrische Zeit nachweisen und entfaltete eine ähnliche überregionale Bedeutung wie der Tempel des Wettergottes von Aleppo. Auch das Wettergott-Heiligtum im osttigridischen Arrapche ist seit der altbabylonischen Zeit nachgewiesen und dürfte auch schon vor dem 15. Jh. hurritisches Gepräge besessen haben. Mit der zunehmenden Etablierung hurritischer Fürstentümer und schließlich der Entstehung des Mitanni-Reiches im obermesopotamisch-nordsyrischen Raum verbreitete sich auch der Kult des Teššub und verband sich mit den seit alters mit dem semitischen → Wettergott Addu (→ Adad) verbundenen Traditionen. Die Entwicklungen im einzelnen lassen sich aufgrund des Quellenmangels noch nicht einmal anhand von lokalen Einzelfällen im Detail nachvollziehen.

Der hurritische Kultureinfluss erstreckte sich bis nach Südanatolien und erreichte über Kizzuwatna auch das hethitische Königshaus. Im hethitischen Kult sind seit mittelhethitischer Zeit erhebliche Einflüsse nordsyrisch-hurritischer Traditionen feststellbar. Der hethitische Wettergott wird dabei mit Teššub gleichgesetzt; einschlägige religiöse Texte (Mythen, Hymnen, Gebete) werden übernommen und teilweise ins Hethitische übertragen, wobei dann auch der Name des Teššub durch den des hethitischen Wettergottes ersetzt wird. Das nordsyrisch-hurritische Pantheon mit Teššub und Chēbat an der Spitze bildet einen festen Bestandteil des Kultes (s. Wegner, 2002). Die für die mit Teššub verbundenen Vorstellungen wichtigen Texte der hurritischen Mythologie sind uns ausschließlich in hethitischen und hurritischen Versionen hethitischer Schreiber überliefert. Dabei sind alle diese Texte bereits das Ergebnis einer umfassenden Verbindung altsyrischer und hurritischer Traditionen, die jeweils schon früh in Kontakt mit der babylonisch-assyrischen Welt standen.

3. Teššub als Haupt des Reichspantheons von Mitanni

Nach Ausweis der wenigen Quellen, die zur Verfügung stehen (v.a. das Mitanni-Dossier innerhalb der → Amarna-Korrespondenz und die Schwurgötterliste des Šattiwaza-Vertrages) stand Teššub an der Spitze des offiziellen Pantheons des Mitanni-Reiches.

Wettergott 08

Im Rang am nächsten stand ihm die Göttin (Ischtar-)Šawuška. In welchem Verhältnis diese beiden Gottheiten zueinander standen, ist nicht ganz klar. In den hurritischen Mythen und Ritualen, die uns aus Chattusa bekannt sind, gilt die nordsyrische Chēbat durchweg als Gemahlin (Abb. 8), Šawuška dagegen als Schwester des Wettergottes. Diese nordsyrisch-hurritische Tradition kann jedoch schwerlich ein ursprünglich hurritisches Konzept darstellen. Auffälligerweise werden im hurritisch geprägten Osttigrisland öfter Šawuška-Gestalten an der Seite des Teššub verehrt, und auch im altbabylonischen Obermesopotamien scheinen in einigen Orten Ischtar-Gestalten an der Seite des Wettergottes verehrt worden sein – allerdings ohne dass Ischtar-Šawuška irgendwo ausdrücklich als Gemahlin des Teššub bezeichnet würde. Die verfügbaren Quellen lassen nicht erkennen, welche Konzeption im Reichspantheon von Mitanni durchgeführt wurde. Die Göttin Chēbat war sicherlich nicht unbekannt, tragen doch mitannische Prinzessinnen die Göttin im Namen. Man möchte daher nicht ausschließen, dass sich auch im Reichspantheon von Mitanni die nordsyrisch-hurritische Tradition durchsetzte.

4. Handlungsprofil und Götterkreis

Der am besten bekannte Mythenkreis um den Gott Teššub ist der sog. Kumarbi-Zyklus. Die einzelnen, durchweg fragmentarisch erhaltenen Mythen dieses Zyklus sind ausschließlich in Handschriften aus Chattusa bezeugt. Zumeist handelt es sich dabei um hethitische Übersetzungen, die auch die jeweiligen Götternamen ins Hethitische übertragen; daneben sind auch Fragmente hurritischer Versionen erhalten. Der gesamte Mythenkomplex behandelt im wesentlichen ein Thema: den Konflikt zwischen dem jüngeren Götterkönig Teššub und seinem entthronten Vater Kumarbi, der durch mancherlei Listen versucht, das Königtum über die Götter wiederzuerlangen. Das göttliche Königtum ist im Himmel angesiedelt und liegt zunächst beim urzeitlichen Gott Alalu; dieser wird von seinem Sohn, dem Himmelsgott Anu, vertrieben, der seinerseits von Kumarbi, der derselben Göttergeneration wie Anu angehört, entthront wird. Im Kampf beißt Kumarbi dem Anu seine Genitalien ab und trägt so den Samen mächtiger Götter, u.a. des Teššub, in sich, die schließlich aus ihm „geboren“ werden und ihn besiegen, womit Teššub zum neuen Götterkönig wird.

Teššubs irdischer Wohnsitz ist auch im Mythos die Stadt Kumme, sein kosmischer Wirkungskreis sind der Himmel und das Land. Insbesondere die Unterwelt und das Meer sind ihm fremde und auch feindliche Regionen. Vor allem im Verbund mit den Gottheiten und Monstern des Meeres und der Unterwelt (darunter ein Steinriese mit dem programmatischen Namen Ullikummi „Zerstöre Kumme!“) versucht dann auch Kumarbi, dem als Getreidegott und verstoßenem, altem Götterkönig wohl auch selbst chthonische Züge zugeschrieben wurden, das göttliche Königtum im Himmel zurückzugewinnen. Spannung gewinnt der Erzählzyklus dadurch, dass Kumarbis Pläne kurzfristig oder jedenfalls nahezu Erfolg haben, bis Teššub seinen Widersacher in äußerster Not schließlich doch besiegen kann. Der Zyklus endet vielleicht in einem Kampf zwischen Teššub und dem – mit Kumarbi verbündeten? – Meergott (Abb. 2), in dem sich Teššub endgültig als der siegreiche Götterkönig erweist (siehe auch → Wettergott, 3. "Der Sieg des Wettergottes über das Meer") .

Wettergott 10

Der Götterkreis des Teššub nach dem Kumarbi-Zyklus entspricht weitgehend dem, was auch aus anderen religiösen Texten hurritischer Provenienz bekannt ist. Er ist ein Sohn des Anu und des Kumarbi; eine hurritische Anrufung bezeichnet Kumarbi in Einklang mit dem „Gesang vom Königtum im Himmel“ innerhalb des Kumarbi-Zyklus als Teššubs „Mutter“ (in KUB 33 [H. Otten, Mythische und magische Texte in hethitischer Sprache, Keilschrifturkunden aus Boghazköi 33, Berlin 1943], 89+: 6' wird Teššub anscheinend als Sohn des Mondgottes bezeichnet; der Beleg steht bisher aber allein). Als Geschwister des Teššub treten Šawuška und Tašmišu (hethitisiert Šuwalijatt) auf; Letzterer wird auch als Teššubs Wesir bezeichnet – eine Position, die in den Ritualtexten, vielleicht einer aleppiner Tradition folgend, dem Gott Tēnu zukommt.

Teschub 03

Den Wagen des Teššub ziehen, wie dies auch in der hethitischen und nordsyrischen Bildkunst vielfach belegt ist, zwei Stiergötter (Abb. 3). Sie heißen im Gesang von Ullikummi Šērišu und Tilla. Meist aber steht neben Šēri(š) nicht der im Osttigrisland als wichtige eigenständige Gottheit bezeugte Tilla, sondern der gleichfalls als Stiergott vorgestellte Gott Churri (älter Churra). Während Šēri(š) teilweise als eigenständig handelnder Gott, vor allem aber als Mittler zwischen den Menschen und seinem Herrn Teššub auftritt, bleibt das Profil des Churri blass (Abb. 1). Zwei weitere Trabanten des Teššub sind die Berggötter Chazzi (Cassius) und Nanni (Anti-Cassius?); sie spielen im Kumarbi-Zyklus keine Rolle, werden aber in den Opferlisten und anderen Götterreihen häufig direkt nach Šēri und Churri genannt. Als Sohn des Teššub und der Chēbat gilt anderweitig der südanatolische Stier- und Berggott Šarrumma, der im hethitischen Pantheon des 13. Jh.s selbst eine herausragende Position einnimmt. Das Verhältnis der Stiergötter Tilla, Šēri(š), Churri und Šarrumma zum Stierkalbgott Būru, der dem Adad vor allem im aramäischen Milieu der neuassyrischen und spätbabylonischen Zeit zugeordnet wird, bleibt unklar; ebenso das Verhältnis zwischen Būru und dem Gott Apladad.

Die Erzählungen der mehrtafligen Serie „Freilassung“, die sich in einer bilinguen, hurritisch-hethitischen Fassung erhalten haben, bieten wegen des insgesamt äußerst fragmentarischen Erhaltungszustands zahlreiche Interpretationsschwierigkeiten (s. zuletzt Wilhelm, 2001). Teššub tritt auch hier als Götterherr auf; der Anfang des Proömiums nimmt unmittelbar auf Teššub als Herrn von Kumme Bezug. In einer Episode verlangt Teššub von Megi, einem Herrscher von Ebla, die Freilassung von Gefangenen und droht andernfalls die Vernichtung der Stadt an. Die Ältesten der Stadt erwidern auf dieses Ansinnen in Form von ironischen Fragen, dass es recht unwahrscheinlich sei, dass der mächtige Teššub sich mit den Gefangenen solidarisiert habe. In einer weiteren Episode ist Teššub zu Gast in der Unterwelt, wo die Unterweltsgöttin Allani ihn festlich empfängt. Ob diese Episode in eine Gefangennahme des Teššub in der Unterwelt mündet und wie eine solche etwaige Gefangenschaft des Teššub in der Unterwelt argumentativ mit der Forderung zur Freilassung der Gefangenen in Ebla zusammenhängt, muss derzeit offen bleiben. Noch unsicherer ist, ob eine etwaige zeitweilige Gefangenschaft des Teššub in der Unterwelt in einen Zusammenhang mit dem aus dem Kumarbi-Zyklus bekannten Konflikt zwischen Kumarbi und Teššub zu stellen ist. Auch in der Bilingue wird jedenfalls deutlich, dass die Unterwelt nicht zum eigentlichen Herrschaftsbereich des Teššub gehört, der dort als Gast empfangen wird. Er speist dort der Allani-Episode zufolge neben den uralten Göttern, die er einst selbst in die Unterwelt vertrieben hat.

5. Zur Ikonographie

Wettergott 4.

Literaturverzeichnis

Die folgende Liste verzeichnet nur die im Text zitierten Werke. Für weitere Literatur s. die ausführliche Bibliographie in Schwemer, 2001 und Schwemer, im Druck.

  • Schwemer, D., 2001, Die Wettergottgestalten Mesopotamiens und Nordsyriens im Zeitalter der Keilschriftkulturen, Wiesbaden
  • Schwemer, D., im Druck, The Storm-Gods of the Ancient Near East: Summary, Synthesis and Recent Studies, JANER
  • Wegner, I., 2002, Hurritische Opferlisten aus hethitischen Festbeschreibungen II (ChS I/3-2), Roma
  • Wilhelm, G., 2001, Das hurritisch-hethitische „Lied der Freilassung“, in: TUAT Ergänzungslieferung, Gütersloh, 82-91

Abbildungsverzeichnis

  • Der hurritisch-hethitische Wettergott Teššub auf zwei Berggöttern, gegenüber seine Gemahlin Chēbat, hinter beiden die Stiergötter Šēri und Churri (?; großreichszeitliches Felsrelief aus Yazılıkaya). Aus: K. Bittel u.a., Das hethitische Felsheiligtum Yazılıkaya, Berlin 1975, Tf. 26.1
  • Der Wettergott (?) im Kampf mit einem Schlangendrachen (späthethitisches Orthostatenrelief, Malatya, 10. Jh. v. Chr.). Aus: K. Bittel, Die Hethiter, München 1976, 247 Abb. 279
  • Der Wettergott von Chalab mit seinem von Stieren gezogenen Wagen; Stempelsiegel Mursilis III., hethitische Großreichszeit. Aus: P. Neve, Chattuša – Stadt der Götter und Tempel, Mainz 1996, Frontispiz

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