Theokratie
(erstellt: Januar 2009)
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1. Begriff und Begriffsgeschichte
1.1. Ursprung
Der Begriff Theokratie (θεοκραθία = Gottesherrschaft) begegnet erstmals bei Flavius Josephus (37/38 - nach 100), der mit seiner Hilfe das Besondere der von → Mose
1.2. Wissenschaftlicher Diskurs
Nach jahrhundertelangem „Winterschlaf“ (Bernhard Lang) taucht der Begriff in theologischen und staatsrechtlichen Werken des 17. und frühen 18. Jh.s wieder auf um die konstitutionelle Besonderheit der vorexilischen Epochen der Geschichte Israels zu beschreiben. Deismus und Aufklärung dient das Stichwort Theokratie als polemische Chiffre für Priesterstaat bzw. Priesterherrschaft, zwischen Theokratie und Hierokratie (= Priesterherrschaft) wird nicht differenziert. Zugleich wird der Theokratiebegriff auf andere Völker und Religionen übertragen und beschreibt als religionssoziologischer Begriff ganz allgemein religiös legitimierte Herrschaftsformen. Auch solche politischen und staatlichen Phänomene werden jetzt als Theokratie bezeichnet, die – fiktiv oder real – weltlich-bürgerliches und religiöses Recht gleichsetzen und / oder die Staatsgewalt als in den Händen einer Person befindlich denken, die göttliche Qualität besitzt oder als Vertreter Gottes bzw. einer Gottheit verstanden wird (vgl. die Definition Max Webers, der Theokratie als „Priesterkönigtum“ bezeichnet, „bei welchem der Chef der geistlichen Herrschaft als solcher auch die weltliche Gewalt ausübt“ [Weber, 689]).
Von dieser Begriffsgeschichte her erklären sich die Verweise auf die sogenannte „thebanische Theokratie“ im Ägypten der 21. Dynastie, den frühen Islam, das Genf zur Zeit Johannes Calvins, das lamaistische Tibet oder auch die Bezeichnung der Staatsform des Iran seit 1979 als Theokratie.
1.3. Populärer Gebrauch
Nicht zuletzt in den Medien werden in der Gegenwart solche Staaten als Theokratien bezeichnet, „in denen die Religion einen großen Einfluß auf die Politik ausübt und darauf drängt, daß religiöse Vorstellungen zu Leitbildern des staatlichen Lebens werden.“ (Lang, 2001, 178).
2. Theokratie und Geschichte Israels?
2.1. Vorstaatliche und vorexilische Zeit
2.1.1. Martin Buber
Die historische Forschung – insbesondere die → Pentateuchkritik
2.1.2. Die prophetische Idee der Theokratie
Vor allem die exegetische Forschung der ersten Hälfte des 19. Jh.s hatte sich darum bemüht, eine messianisch-universale Theokratievorstellung als die die prophetische → Königskritik
2.2. Israel in nachexilischer Zeit
Bis in die Gegenwart kann – trotz der schon von → Julius Wellhausen
Die Einsicht in die Komplexität der politischen, religiösen und sozialen Verhältnisse der nachexilischen Zeit legt es nahe, die Verwendung des Theokratiebegriffs zur Beschreibung der (Verfassungs-)Wirklichkeit des nachexilischen Israel aufzugeben.
2.3. Theokratie als Erwartung der Herrschaft JHWHs
Gegen einen sich verselbständigenden Gebrauch des Theokratiebegriffs und seiner Gleichsetzung mit verschiedenen Formen von geistlicher Herrschaft kann versucht werden, den theologischen Gehalt von Theokratie wieder- und neu zu entdecken – auch und gerade in Auseinandersetzung mit der Religionssoziologie. Voraussetzung dafür ist eine konsequente Differenzierung zwischen Theokratie und den verschiedenen Formen von Hierokratie.
Als theokratisch kann dann – unter Aufnahme von Gedanken des Josephus – eine Zukunftserwartung bezeichnet werden, die auf die Verwirklichung der unmittelbaren, diesseitigen Herrschaft Gottes über sein Volk hofft. Diese impliziert zugleich eine kultische und politische Unabhängigkeit, wie sie der Tora entspricht, die als von JHWH gegeben geglaubt wird.
Spuren dieser theokratischen Zukunftserwartung lassen sich in einer Überarbeitungsschicht der → Chronikbücher
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Evangelisches Kirchenlexikon, 3. Auflage, Göttingen 1986-1997
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
2. Weitere Literatur
- Buber, M., 1956, Das Königtum Gottes, 3. Aufl., Berlin
- Dörrfuß, E.M., 1994, Mose in den Chronikbüchern. Garant theokratischer Zukunftserwartung, Berlin u.a.
- Gunneweg, A.H.J., 1987, Geschichte Israels bis Bar Kochba (ThW 2), 6. Aufl., Stuttgart u.a.
- Hausmann, J., 1987, Israels Rest. Studien zum Selbstverständnis der nachexilischen Gemeinde (BWANT 124), Stuttgart u.a.
- Konkel, M., „Die Theokratie als Idee und als Anstalt“. Geschichte Israels und Judentum in der protestantischen Exegese des 19. Jahrhunderts, in: Ders. / Pontzen, A. / Theissen, H. (Hgg.), Die Konstruktion des Jüdischen in Vergangenheit und Gegenwart (Studien zu Judentum und Christentum), Paderborn 2003, 69-85
- Lang, B., 1987, Theokratie. Geschichte und Bedeutung eines Begriffs in Soziologie und Ethnologie, in: Taubes, J. (Hg.), Religionstheorie und Politische Theologie, Bd. 3: Theokratie, München u.a., 11-28.
- Lang, B., 2001, Art. Theokratie, in: Cancik, H. / Gladigow, B. / Kohl, K.-H. (Hgg.), Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, Bd. 5, Stuttgart, 178-189
- Plöger, O., 1959, Theokratie und Eschatologie (WMANT 2), Neukirchen
- Rudolph, W., 1955, Chronikbücher (HAT 21), Tübingen
- Weber, M., 1972, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. Aufl., Tübingen
- Wellhausen, J., 1905, Prolegomena zur Geschichte Israels, 6. Aufl., Berlin (Neudr. 1927, Neuausgabe 1981)
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