Thronfolgegeschichte
(erstellt: Januar 2006)
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1. Inhalt
1.1. Abgrenzung
In seiner 1926 erschienenen Studie „Die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids“ versuchte L. Rost aufzuzeigen, dass es sich bei der Thronfolgegeschichte um einen weitgehend einheitlichen literarischen Komplex handelt. Als dessen Umfang bestimmte er 2Sam 6,16
Die Auffassung, dass es eine eigenständige Thronfolgegeschichte (bzw. „Hof-Geschichte“) gegeben hat, wird von vielen Exegeten geteilt. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die ihre Existenz anzweifeln. Dabei wird eine einheitliche Thematik in Frage gestellt, ferner wird auf das Fehlen eines eindeutigen Anfangs (s.u.) und auf Querverbindungen zu anderen Textkomplexen hingewiesen. So rechnet Dietrich (1997; 2000) mit einem von 1Sam 1 bis 1Kön 12 reichenden vordeuteronomistischen Erzählwerk über die frühe Königszeit, in das Erzählkränze und Novellen unterschiedlicher Art eingeflossen sind.
Die Abgrenzung der Thronfolgeerzählung ist umstritten. Besteht über ihr Ende in 1Kön 2,46
Der von Rost vorgeschlagene Anfang in 2Sam 6* fand keine Zustimmung, zumal sich hier die stilistischen Eigenheiten der Erzählung nicht nachweisen lassen. Mit einem früheren Einsatz in 2Sam 2-4* rechnen aufgrund sprachlicher und inhaltlicher Beobachtungen Schulte (1972) und Gunn (1978); entsprechend ändert sich bei ihnen die Thematik des gesamten Komplexes („David-Geschichten“ bzw. „Story of King David“). Andere vertreten die Auffassung, dass ein Grundbestand von 2Sam 7 den Anfang der Thronfolgegeschichte darstellt (Seebass 1980; Mettinger 1976; vgl. 2Sam 7,12
1.2. Inhaltliche Schwerpunkte
Setzt man 2Sam 9,1-1Kön 2,46 als Grenzen der Thronfolgegeschichte voraus, so erstreckt sich ihr Inhalt von der Aufnahme Merib-Baals an Davids Hof bis zur Festigung der Herrschaft Salomos, die er durch die Hinrichtung aller Personen erreicht, die seine Macht gefährden könnten.
Am Beginn der Thronfolgegeschichte steht die Beziehung zwischen David und den Sauliden im Mittelpunkt. Er lässt Merib-Baal, einen gelähmten Sohn → Jonatans
Mit 2Sam 10,1
Der Ammoniterkriegsbericht rahmt die David-Batseba-Episode, bei der der König mit der Frau eines seiner Soldaten, des Hetiters → Uria
Mit 2Sam 13 beginnt ein Komplex, in dem Davids Sohn → Absalom
Wie der weitere Verlauf der Ereignisse zeigt, erweist sich dieser Schritt allerdings als verhängnisvoll. Absalom zettelt eine Rebellion gegen seinen eigenen Vater an, so dass dieser aus Jerusalem fliehen muss. David beauftragt jedoch seinen Freund Huschai, als scheinbarer Gefolgsmann Absaloms in der Stadt zu bleiben, um die Pläne von dessen Ratgeber Ahitofel zu hintertreiben (2Sam 15). Die in 2Sam 16 beschriebene Flucht Davids korrespondiert mit dessen Rückkehr in 2Sam 19. Während Merib-Baals Knecht Ziba in 2Sam 16 behauptet, sein Herr hoffe in Jerusalem auf die Erlangung des Königtums, bestreitet dieser in 2Sam 19 vehement den gegen ihn erhobenen Vorwurf. Beim Auszug ruft ein Saulide namens Schimi dem König Flüche und Beschimpfungen zu und bewirft ihn mit Steinen. Bei dessen Rückkehr erweist er sich jedoch als reumütig und wird von David begnadigt. Beide Male verhindert er dessen Ermordung durch den aufgebrachten → Abischai
Durch den Scheba-Aufstand, von dem in Kap. 20 berichtet wird, wird seine Macht jedoch ein weiteres Mal gefährdet. Der Benjaminit Scheba bewegt die Nordstämme zum Abfall von David. Amasa, der anstelle des als Oberbefehlshaber abgesetzten Joab (vgl. 2Sam 19,14
Der Faden der Thronfolgegeschichte wird erst wieder in 1Kön 1 aufgenommen; 2Sam 21-24 sind als Nachträge zu betrachten. In 1Kön 1 wird berichtet, dass Adonija, der von Joab und dem Priester Abjatar unterstützt wird, Ansprüche auf den Thron seines inzwischen hoch betagten Vaters David erhebt. Deshalb schickt Nathan Batseba mit dem Auftrag zum König, ihn an seinen Schwur zu erinnern, dass Salomo nach ihm auf dem Thron sitzen solle. Daraufhin befiehlt David dessen Salbung zum König. 1Kön 2 beginnt mit Davids letzten Anweisungen an seinen Sohn Salomo und der Notiz über seinen Tod.
Im weiteren Verlauf des Kapitels wird geschildert, wie Salomo seine Macht festigt. Als Adonija, der von ihm zunächst begnadigt worden war, Abischag von Schunem, mit der David intimen Umgang gehabt hatte (vgl. 1Kön 1,1-4
2. Einheitlichkeit
Betrachtet Rost (1926) die Thronfolgegeschichte als weitgehend literarisch einheitliches Werk, so versucht Würthwein (1974) zu zeigen, dass eine ursprünglich antidavidische bzw. antidynastische Erzählung einer umfangreichen prodynastischen Bearbeitung unterzogen worden war. Die frühere Darstellung habe David und Salomo in ausgesprochen düsteren Farben gemalt. David erscheine als Ehebrecher und Mörder, Salomos Inthronisation sei das Ergebnis einer dubiosen Palastintrige („Staatsstreich von oben“), der eine Reihe willkürlicher Mordtaten gefolgt seien. Vermutlich sei der Autor ein grundsätzlicher Gegner der davidischen Dynastie gewesen. Erst durch die Nachträge, zu denen Würthwein u.a. so umfangreiche Textkomplexe wie 2Sam 14,2-22
Nach Carlson (1964), der die Annahme fertiger vordeuteronomistischer Komplexe ablehnt, wurden die Samuelbücher erst in exilischer Zeit von einer „D-group“ auf der Grundlage schriftlicher und mündlicher Überlieferungen fixiert. Van Seters (1983; 2000) vertritt die Auffassung, die mit 2Sam 2,8
3. Tendenz
Nach Rost (1926) schildert der Autor in aller Offenheit Davids zwiespältigen Charakter, der von Sinnlichkeit und zu großer Milde, aber auch von Großmut, Realitätssinn und Frömmigkeit geprägt sei. Salomo gegenüber zeige er allerdings ein Wohlwollen, das die Grenze der Objektivität überschreite. Die Feststellung, dass er von JHWH geliebt sei (2Sam 12,24b
G. von Rad (3. Aufl. 1965) geht der Frage nach der Geschichtstheologie der Thronfolgegeschichte nach und untersuchte in diesem Zusammenhang vor allem die drei theologischen Deutestellen (2Sam 11,27b
In weiteren Untersuchungen wurde man auf weisheitliche Züge der Erzählung aufmerksam, auf die vor allem Whybray (1968) und Hermisson (1971) hinweisen (vgl. die Bedeutung der Ratgeber in 2Sam 16f, der weisen Frauen in 2Sam 14 und 2Sam 20, aber auch des Tun-Ergehen-Zusammenhangs in 2Sam 11f). Betrachtet Whybray die Darstellung geradezu als „didaktische Literatur“, spricht Hermisson von einer Geschichtsdarstellung in weisheitlichem Horizont.
Kritik an der von Rost angenommenen Tendenz äußerte zum ersten Mal Delekat im Jahr 1967. Für ihn weisen die Art und Weise, in der von Davids Ehebruch und Mord an Uria, aber auch von der Palastintrige, durch die Salomo an die Macht gekommen sei, und von den Terrormorden, durch die er diese konsolidiert habe, auf eine königsfeindliche Tendenz der Erzählung hin. Ihr Ziel sei es, zum Sturz Salomos aufzurufen.
Wie unter Abschnitt 2 beschrieben, wird diese Auffassung von Würthwein insofern modifiziert, als er zwischen einer dem davidischen Königtum – und vermutlich dessen gesamter Dynastie – feindlich gesonnenen Grundschicht und einer prodynastischen Bearbeitung unterscheidet. Im Gegensatz zu G. von Rad betont er, dass die ursprüngliche Darstellung kein theologisches, sondern ein politisches gegen David und Salomo gerichtetes Geschichtswerk gewesen sei.
Darüber hinaus fehlte es nicht an Stimmen, die daran zweifeln, dass die Thronfolgegeschichte mit einer eindeutigen Tendenz abgefasst worden sei. Nach Gunn (1978) ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sie die ganze Widersprüchlichkeit von Haltungen und Ereignissen in einer spannenden „story“ habe darbieten wollen; sie diene der seriösen Unterhaltung.
4. Zeit / Ort
Rost (1926) sah als terminus ante quem die Reichsteilung an, für die es keine Hinweise in der Erzählung gebe. Eine Frühdatierung in die Regierungszeit Salomos war lange Zeit Konsens in der Forschung. Als Indizien hierfür galten nicht zuletzt die detailreiche Darstellung, aber auch das kritische Bild von David und Salomo.
Gunn (1978) glaubt allerdings, eine zeitliche Distanz der „Story of King David“ gegenüber den dargestellten Ereignissen zu erkennen. So schwanke der Autor bei der Beschreibung der politischen Situation zwischen einer zweigeteilten Gesellschaft (Israel – Juda) und einem vereinten Königreich (Israel). Dies lasse sich so erklären, dass er lange nach der Reichsteilung (evtl. sogar erst in der exilischen Epoche) geschrieben habe. Nach Kaiser (1988) mögen einzelne Erzählungen, die in die „Geschichte vom König David“ aufgenommen wurden, in salomonische Zeit zurückreichen, für den gesamten Komplex treffe dies jedoch nicht zu. Dabei weist er u.a. auf 2Sam 11,1
Nach Rost (1926) ist der Verfasser ein Angehöriger des königlichen Hofes gewesen; dafür spreche dessen Erzählperspektive sowie die besondere Kenntnis der höfischen Umgangsformen. Er nennt in diesem Zusammenhang Abjatar oder Zadoks Sohn Ahimaaz; man könne aber auch an eine andere mit den höfischen Kreisen in Beziehung stehende Person denken. Würthwein (1974, 2. Aufl. 1985) nimmt an, dass die ursprüngliche Thronfolgeerzählung, die für die Mitwirkung der freien Bürger an der Gestaltung des Staates eintritt, in den Nordstämmen beheimatet ist. Demgegenüber sei die prodynastische Bearbeitung, die auch weisheitlichen Einfluss verrate, am Hof zu vermuten.
Literaturverzeichnis
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- Amnon und Tamar (Giovanni Francesco Barbieri, genannt Guercino; 1649-1650).
- Absaloms Tod (Bibel von San Isidoro in León; 960 n. Chr.).
- Abischag wird in Davids Bett geführt (aus einer Bible moralisée; um 1410).
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