Deutsche Bibelgesellschaft

Thronfolgegeschichte

(erstellt: Januar 2006)

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1. Inhalt

1.1. Abgrenzung

Thronfolgegeschichte Abb 1 Salomo

In seiner 1926 erschienenen Studie „Die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids“ versuchte L. Rost aufzuzeigen, dass es sich bei der Thronfolgegeschichte um einen weitgehend einheitlichen literarischen Komplex handelt. Als dessen Umfang bestimmte er 2Sam 6,16.20-23; 2Sam 7,11b.16; 2Sam 9-20; 1Kön 1-2. Ihr Beginn sei mit der bereits vorhandenen Ladeerzählung verzahnt worden, außerdem enthalte sie den ältesten Bestand der Nathanweissagung von 2Sam 7, ferner sei in 2Sam 10,6-11,1; 2Sam 12,26-31 ein Feldzugsbericht (Ammoniterkriegsbericht) aufgenommen worden. Das Leitmotiv der Erzählung sei die in 1Kön 1 ständig wiederholte Frage, wer auf dem Thron Davids sitzen werde (vgl. 1Kön 1,13.17.20.24.30.46.48). 2Sam 9; 13-20* betrachtete Rost als Vorgeschichte der Thronfolge, 2Sam 11,2-12,25* als Vorgeschichte des Thronfolgers und 1Kön 1-2* als Geschichte über die Thronbesteigung Salomos.

Die Auffassung, dass es eine eigenständige Thronfolgegeschichte (bzw. „Hof-Geschichte“) gegeben hat, wird von vielen Exegeten geteilt. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die ihre Existenz anzweifeln. Dabei wird eine einheitliche Thematik in Frage gestellt, ferner wird auf das Fehlen eines eindeutigen Anfangs (s.u.) und auf Querverbindungen zu anderen Textkomplexen hingewiesen. So rechnet Dietrich (1997; 2000) mit einem von 1Sam 1 bis 1Kön 12 reichenden vordeuteronomistischen Erzählwerk über die frühe Königszeit, in das Erzählkränze und Novellen unterschiedlicher Art eingeflossen sind.

Die Abgrenzung der Thronfolgeerzählung ist umstritten. Besteht über ihr Ende in 1Kön 2,46 noch weitgehend Konsens, wird die Frage nach ihrem Beginn unterschiedlich beantwortet.

Der von Rost vorgeschlagene Anfang in 2Sam 6* fand keine Zustimmung, zumal sich hier die stilistischen Eigenheiten der Erzählung nicht nachweisen lassen. Mit einem früheren Einsatz in 2Sam 2-4* rechnen aufgrund sprachlicher und inhaltlicher Beobachtungen Schulte (1972) und Gunn (1978); entsprechend ändert sich bei ihnen die Thematik des gesamten Komplexes („David-Geschichten“ bzw. „Story of King David“). Andere vertreten die Auffassung, dass ein Grundbestand von 2Sam 7 den Anfang der Thronfolgegeschichte darstellt (Seebass 1980; Mettinger 1976; vgl. 2Sam 7,12 mit 1Kön 2,12; hingewiesen wird auch auf die 2Sam 7; 12; 1Kön 1 verbindende Figur des Propheten → Nathan). Nach einer bereits von älteren Exegeten aufgestellten These ging 2Sam 21,1-14 der Merib-Baal-Erzählung in 2Sam 9 voran, da die Frage Davids nach Überlebenden des Hauses Saul in 2Sam 9,1.3 den in 2Sam 21 geschilderten Tod von sieben Sauliden voraussetze (Klostermann 1887; Budde 1902). So sieht Schnabl (1988) in 2Sam 21,1-14* den Anfang der alten Thronfolgegeschichte. Darüber hinaus werden 2Sam 10 (Würthwein 1974), 2Sam 15 (Mildenberger 1962) und andere Einsatzpunkte des Erzählkomplexes genannt. Vielfach wird jedoch angenommen, dass 2Sam 9 wegen der Bezüge zu den Merib-Baal-Episoden in 2Sam 16; 19 zur Thronfolgegeschichte gehört. 2Sam 9,1 eignet sich jedoch sprachlich wie inhaltlich nicht als Erzählbeginn, da hier bestimmte die Familie Sauls betreffende Ereignisse vorausgesetzt, aber nicht ausdrücklich benannt werden. So rechnen manche Exegeten damit, dass der Beginn des Werkes im Zuge redaktioneller Vorgänge weggebrochen ist.

1.2. Inhaltliche Schwerpunkte

Setzt man 2Sam 9,1-1Kön 2,46 als Grenzen der Thronfolgegeschichte voraus, so erstreckt sich ihr Inhalt von der Aufnahme Merib-Baals an Davids Hof bis zur Festigung der Herrschaft Salomos, die er durch die Hinrichtung aller Personen erreicht, die seine Macht gefährden könnten.

Am Beginn der Thronfolgegeschichte steht die Beziehung zwischen David und den Sauliden im Mittelpunkt. Er lässt Merib-Baal, einen gelähmten Sohn → Jonatans, an den Hof kommen, erstattet ihm den Besitz Sauls zurück und gewährt ihm Gastrecht an der königlichen Tafel. Im hebräischen Text wird Merib-Baal, da die Nennung der kanaanäischen Gottheit „Baal“ anstößig war, zu „Mefi-Boschet“ geändert (Boschet = „Schande“; vgl. „Isch-Boschet“ 2Sam 2,8.10.12.15 u.ö.).

Mit 2Sam 10,1 (Rost: 2Sam 10,6) beginnt der Komplex des so genannten Ammoniterkriegsberichts, der sich bis 2Sam 11,1a erstreckt und in 2Sam 12,26-31 seine Fortsetzung findet. Als Davids Gesandte vom neuen Ammoniterkönig Hanun beleidigt werden, kommt es zur kriegerischen Auseinandersetzung mit diesem. Die Ammoniter und mit ihnen verbündete Aramäer werden durch Joab (2Sam 10,9ff) bzw. David (2Sam 10,17ff) geschlagen. Von der Eroberung der Hauptstadt der Ammoniter wird erst in 2Sam 12,26ff berichtet.

Thronfolgegeschichte Abb 2 07 2Sam

Der Ammoniterkriegsbericht rahmt die David-Batseba-Episode, bei der der König mit der Frau eines seiner Soldaten, des Hetiters → Uria, Ehebruch begeht. Als sie schwanger wird, versucht David, das Kind ihrem Mann unterzuschieben, den er aus dem Heerlager holen lässt. Da sich Uria jedoch weigert, in den entbehrungsreichen Kriegszeiten, in denen seine Kameraden auf freiem Feld lagern müssen, zu seiner Frau zu gehen, beauftragt David seinen Feldherrn Joab, Uria in der Schlacht an einer gefährlichen Stelle zu postieren, damit er getötet wird. Das entsprechende Schreiben, das dieses Todesurteil enthält, wird Uria selbst mitgegeben. Tatsächlich kommt er vor Rabba ums Leben (2Sam 11). In 2Sam 11,27b findet sich die erste so genannte theologische Deutestelle der Thronfolgegeschichte, die JHWHs Missfallen an Davids Handeln zum Ausdruck bringt. Die Folgen des Geschehens werden in Kap. 12 beschrieben. Der Prophet Nathan stellt David zur Rede und kündigt ihm und seinen Nachkommen großes Unheil an. David gesteht seine Schuld ein. Das im Ehebruch gezeugte Kind stirbt, Batseba bekommt einen weiteren Sohn, der Salomo genannt wird. In 2Sam 12,24b, der zweiten theologischen Deutestelle der Thronfolgegeschichte, wird ausdrücklich vermerkt, dass JHWH Salomo liebte.

Thronfolgegeschichte Abb 3 Nathan

Mit 2Sam 13 beginnt ein Komplex, in dem Davids Sohn → Absalom eine zentrale Rolle spielt. 2Sam 13-14 handeln von der Vergewaltigung seiner Schwester → Tamar und deren Folgen, 2Sam 15-19 vom Absalomaufstand und dessen Nachwirkungen. Nachdem Tamar von ihrem Halbbruder Amnon vergewaltigt worden ist, lässt Absalom diesen bei einem Fest töten. Er selbst flieht nach Geschur im nördlichen Ostjordanland (2Sam 13). Daraufhin fädelt Joab Absaloms Rückkehr ein. Eine von ihm beauftragte Frau aus Tekoa trägt David einen fingierten Rechtsfall vor, wonach ihr einzig noch verbliebener Sohn von der Sippe getötet werden soll, weil er seinen Bruder umgebracht hat. Als der König verspricht, sich für ihre Sache einzusetzen, überträgt sie den Fall auf den in der Verbannung lebenden Absalom. So lässt sich David dazu bewegen, seinen Sohn aus dem Exil zurückzuholen (2Sam 14).

Wie der weitere Verlauf der Ereignisse zeigt, erweist sich dieser Schritt allerdings als verhängnisvoll. Absalom zettelt eine Rebellion gegen seinen eigenen Vater an, so dass dieser aus Jerusalem fliehen muss. David beauftragt jedoch seinen Freund Huschai, als scheinbarer Gefolgsmann Absaloms in der Stadt zu bleiben, um die Pläne von dessen Ratgeber Ahitofel zu hintertreiben (2Sam 15). Die in 2Sam 16 beschriebene Flucht Davids korrespondiert mit dessen Rückkehr in 2Sam 19. Während Merib-Baals Knecht Ziba in 2Sam 16 behauptet, sein Herr hoffe in Jerusalem auf die Erlangung des Königtums, bestreitet dieser in 2Sam 19 vehement den gegen ihn erhobenen Vorwurf. Beim Auszug ruft ein Saulide namens Schimi dem König Flüche und Beschimpfungen zu und bewirft ihn mit Steinen. Bei dessen Rückkehr erweist er sich jedoch als reumütig und wird von David begnadigt. Beide Male verhindert er dessen Ermordung durch den aufgebrachten → Abischai. 2Sam 17 enthält eine kunstvoll aufgebaute Rede, durch die es Huschai gelingt, dass Absalom den klugen Rat Ahitofels, die Verfolgung Davids sofort aufzunehmen, verwirft. Stattdessen hört er auf Davids „Agenten“, der rät, zunächst den gesamten Heerbann Israels zu sammeln. In diesem Zusammenhang erscheint die dritte theologische Deutestelle der Thronfolgegeschichte in 2Sam 17,14b, wonach JHWH selbst es angeordnet hatte, dass der gute Rat Ahitofels durchkreuzt würde, damit er Unheil über Absalom bringe. In 2Sam 18 wird berichtet, dass David nicht an der Schlacht gegen seinen Sohn teilnimmt. Ausdrücklich fordert er dazu auf, schonend mit ihm zu verfahren. Als Absalom jedoch mit dem Kopf in einer Terebinthe hängen bleibt, wird er von Joab getötet. David verfällt daraufhin in unermessliche Trauer, wofür er von Joab kritisiert wird, da er auf diese Weise das Heer beschäme, das sich für seine Rettung eingesetzt habe (2Sam 19). Im weiteren Verlauf des Kapitels wird Davids Rückkehr nach Jerusalem beschrieben (s.o. zu Kap. 16). Es gelingt ihm, wieder ganz Israel für sich zu gewinnen.

Thronfolgegeschichte Abb 5 07 2Sam

Durch den Scheba-Aufstand, von dem in Kap. 20 berichtet wird, wird seine Macht jedoch ein weiteres Mal gefährdet. Der Benjaminit Scheba bewegt die Nordstämme zum Abfall von David. Amasa, der anstelle des als Oberbefehlshaber abgesetzten Joab (vgl. 2Sam 19,14) den Heerbann aufbieten soll, wird von Joab ermordet. Daraufhin leitet Joab die Verfolgung des Rebellen. Die Einwohner der Stadt Abel-Bet-Maacha töten auf Initiative einer klugen Frau (vgl. 2Sam 14!) Scheba, wodurch der Aufstand sein Ende findet.

Der Faden der Thronfolgegeschichte wird erst wieder in 1Kön 1 aufgenommen; 2Sam 21-24 sind als Nachträge zu betrachten. In 1Kön 1 wird berichtet, dass Adonija, der von Joab und dem Priester Abjatar unterstützt wird, Ansprüche auf den Thron seines inzwischen hoch betagten Vaters David erhebt. Deshalb schickt Nathan Batseba mit dem Auftrag zum König, ihn an seinen Schwur zu erinnern, dass Salomo nach ihm auf dem Thron sitzen solle. Daraufhin befiehlt David dessen Salbung zum König. 1Kön 2 beginnt mit Davids letzten Anweisungen an seinen Sohn Salomo und der Notiz über seinen Tod.

Thronfolgegeschichte 1

Im weiteren Verlauf des Kapitels wird geschildert, wie Salomo seine Macht festigt. Als Adonija, der von ihm zunächst begnadigt worden war, Abischag von Schunem, mit der David intimen Umgang gehabt hatte (vgl. 1Kön 1,1-4), zur Frau nehmen will, legt ihm Salomo dies als verdeckten Anspruch auf die Herrschaft aus und lässt ihn hinrichten. Ebenso wird Adonijas Anhänger Joab getötet, als er am Altar Zuflucht sucht. Das gleiche Schicksal ereilt Schimi, weil er Jerusalem entgegen einer Anordnung Salomos verlassen hat. Die Thronfolgegeschichte schließt mit der Feststellung, dass die Königsherrschaft fest in Salomos Hand war.

2. Einheitlichkeit

Betrachtet Rost (1926) die Thronfolgegeschichte als weitgehend literarisch einheitliches Werk, so versucht Würthwein (1974) zu zeigen, dass eine ursprünglich antidavidische bzw. antidynastische Erzählung einer umfangreichen prodynastischen Bearbeitung unterzogen worden war. Die frühere Darstellung habe David und Salomo in ausgesprochen düsteren Farben gemalt. David erscheine als Ehebrecher und Mörder, Salomos Inthronisation sei das Ergebnis einer dubiosen Palastintrige („Staatsstreich von oben“), der eine Reihe willkürlicher Mordtaten gefolgt seien. Vermutlich sei der Autor ein grundsätzlicher Gegner der davidischen Dynastie gewesen. Erst durch die Nachträge, zu denen Würthwein u.a. so umfangreiche Textkomplexe wie 2Sam 14,2-22; 2Sam 16,5-14; 2Sam 17,5-14 und auch die o.g. „theologischen Deutestellen“ rechnet (s. unter 1.2), habe man versucht, David und Salomo zu entlasten bzw. deren Gegner in ein ungünstiges Licht zu rücken. Veijola (1975) führt die Bearbeitungsschicht, der es um die theologische Legitimierung der Daviddynastie gehe, auf deuteronomistische Redaktion zurück. Langlamet (1976ff) versucht, die vorgelegten Thesen vor allem durch sprachliche Untersuchungen zu untermauern und zu modifizieren. Demgegenüber nimmt Seiler (1998) an, dass ein erheblicher Teil der vermuteten sekundären Eintragungen zum Grundbestand der Thronfolgegeschichte zu rechnen ist.

Nach Carlson (1964), der die Annahme fertiger vordeuteronomistischer Komplexe ablehnt, wurden die Samuelbücher erst in exilischer Zeit von einer „D-group“ auf der Grundlage schriftlicher und mündlicher Überlieferungen fixiert. Van Seters (1983; 2000) vertritt die Auffassung, die mit 2Sam 2,8 beginnende „Court History“ sei eine nachdeuteronomistische Hinzufügung zur Daviderzählung. Es sei undenkbar, dass ein deuteronomistischer Historiker (DtrH; → Deuteronomistisches Geschichtswerk) eine Geschichte, die David so negativ zeichne, praktisch unverändert übernommen habe. Außerdem versucht er aufzuzeigen, dass der deuteronomistische Abschnitt 1Kön 2,1-4 von den zur Court History gehörenden Versen 1Kön 2,5-9 vorausgesetzt wird.

3. Tendenz

Nach Rost (1926) schildert der Autor in aller Offenheit Davids zwiespältigen Charakter, der von Sinnlichkeit und zu großer Milde, aber auch von Großmut, Realitätssinn und Frömmigkeit geprägt sei. Salomo gegenüber zeige er allerdings ein Wohlwollen, das die Grenze der Objektivität überschreite. Die Feststellung, dass er von JHWH geliebt sei (2Sam 12,24b), aber auch die überschwänglichen Segenswünsche Benajas nach Salomos Thronbesteigung (1Kön 1,36-37.48) ließen nur den Schluss zu, dass die Erzählung „in majorem gloriam Salomonis“ geschrieben sei.

G. von Rad (3. Aufl. 1965) geht der Frage nach der Geschichtstheologie der Thronfolgegeschichte nach und untersuchte in diesem Zusammenhang vor allem die drei theologischen Deutestellen (2Sam 11,27b; 2Sam 12,24b; 2Sam 17,14b). Hier werde deutlich, dass für den Verfasser des Werks in dem scheinbar rein immanenten Geschehen göttliche Fügung walte. JHWH sei der verborgene Herr und Lenker der Geschichte, ohne dass die Menschen dadurch zu Marionetten herabsänken. Diese Auffassung vom „concursus divinus“ sei ein Glaubensbekenntnis einfachster Art. Schon deshalb müsse die Thronfolgegeschichte als theologisches Geschichtswerk bezeichnet werden.

In weiteren Untersuchungen wurde man auf weisheitliche Züge der Erzählung aufmerksam, auf die vor allem Whybray (1968) und Hermisson (1971) hinweisen (vgl. die Bedeutung der Ratgeber in 2Sam 16f, der weisen Frauen in 2Sam 14 und 2Sam 20, aber auch des Tun-Ergehen-Zusammenhangs in 2Sam 11f). Betrachtet Whybray die Darstellung geradezu als „didaktische Literatur“, spricht Hermisson von einer Geschichtsdarstellung in weisheitlichem Horizont.

Kritik an der von Rost angenommenen Tendenz äußerte zum ersten Mal Delekat im Jahr 1967. Für ihn weisen die Art und Weise, in der von Davids Ehebruch und Mord an Uria, aber auch von der Palastintrige, durch die Salomo an die Macht gekommen sei, und von den Terrormorden, durch die er diese konsolidiert habe, auf eine königsfeindliche Tendenz der Erzählung hin. Ihr Ziel sei es, zum Sturz Salomos aufzurufen.

Wie unter Abschnitt 2 beschrieben, wird diese Auffassung von Würthwein insofern modifiziert, als er zwischen einer dem davidischen Königtum – und vermutlich dessen gesamter Dynastie – feindlich gesonnenen Grundschicht und einer prodynastischen Bearbeitung unterscheidet. Im Gegensatz zu G. von Rad betont er, dass die ursprüngliche Darstellung kein theologisches, sondern ein politisches gegen David und Salomo gerichtetes Geschichtswerk gewesen sei.

Darüber hinaus fehlte es nicht an Stimmen, die daran zweifeln, dass die Thronfolgegeschichte mit einer eindeutigen Tendenz abgefasst worden sei. Nach Gunn (1978) ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sie die ganze Widersprüchlichkeit von Haltungen und Ereignissen in einer spannenden „story“ habe darbieten wollen; sie diene der seriösen Unterhaltung.

4. Zeit / Ort

Rost (1926) sah als terminus ante quem die Reichsteilung an, für die es keine Hinweise in der Erzählung gebe. Eine Frühdatierung in die Regierungszeit Salomos war lange Zeit Konsens in der Forschung. Als Indizien hierfür galten nicht zuletzt die detailreiche Darstellung, aber auch das kritische Bild von David und Salomo.

Gunn (1978) glaubt allerdings, eine zeitliche Distanz der „Story of King David“ gegenüber den dargestellten Ereignissen zu erkennen. So schwanke der Autor bei der Beschreibung der politischen Situation zwischen einer zweigeteilten Gesellschaft (Israel – Juda) und einem vereinten Königreich (Israel). Dies lasse sich so erklären, dass er lange nach der Reichsteilung (evtl. sogar erst in der exilischen Epoche) geschrieben habe. Nach Kaiser (1988) mögen einzelne Erzählungen, die in die „Geschichte vom König David“ aufgenommen wurden, in salomonische Zeit zurückreichen, für den gesamten Komplex treffe dies jedoch nicht zu. Dabei weist er u.a. auf 2Sam 11,1 hin, wo von der „Rückkehr des Jahres“ die Rede ist; der Ausdruck bezeichne an anderen Stellen den Jahresbeginn im Rahmen des (babylonischen) Frühjahrskalenders, der in Juda z. Zt. → Hiskias (725-697 v. Chr.), nach der Mehrheitsmeinung z. Zt. Jojakims (608-598 v. Chr.) eingeführt worden sei. Aufgrund dieser Überlegungen datiert er die Erzählung in die Zeit zwischen Hiskia und Jojakim. In einer neueren Publikation hält Kaiser (2000) jedoch eine Datierung ins späte 8. Jh. für vertretbar.

Nach Rost (1926) ist der Verfasser ein Angehöriger des königlichen Hofes gewesen; dafür spreche dessen Erzählperspektive sowie die besondere Kenntnis der höfischen Umgangsformen. Er nennt in diesem Zusammenhang Abjatar oder Zadoks Sohn Ahimaaz; man könne aber auch an eine andere mit den höfischen Kreisen in Beziehung stehende Person denken. Würthwein (1974, 2. Aufl. 1985) nimmt an, dass die ursprüngliche Thronfolgeerzählung, die für die Mitwirkung der freien Bürger an der Gestaltung des Staates eintritt, in den Nordstämmen beheimatet ist. Demgegenüber sei die prodynastische Bearbeitung, die auch weisheitlichen Einfluss verrate, am Hof zu vermuten.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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Abbildungsverzeichnis

  • König Salomo (Duccio di Buoninsegna; 1308-11).
  • David und Batseba (Barberini-Stundenbuch für Rouen; 16. Jh.).
  • Nathan und David (Jean Colombe, Illustration zu Ps 32, aus dem Stundenbuch des Duc de Berry „Très Riches Heures“; 1485-1489).
  • Amnon und Tamar (Giovanni Francesco Barbieri, genannt Guercino; 1649-1650).
  • Absaloms Tod (Bibel von San Isidoro in León; 960 n. Chr.).
  • Abischag wird in Davids Bett geführt (aus einer Bible moralisée; um 1410).

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